Die Zahlen sind mehr als erschreckend: Fast 600.000 Pflegebedürftige werden in Deutschland durch ambulante Pflegedienste betreut, mehr als 1,8 Millionen Menschen derzeit zu Hause versorgt. Nun aber malen immer mehr Wissenschaftler und Forscher ein düsteres Szenario und behaupten, dass die 12.300 ambulanten Pflegedienste bald sozusagen „am Krückstock“ gehen. Ihre Begründung: Bei den aktuellen Konditionen und Belastungen finden sich kaum noch Fachkräfte, die bereit sind, sich dem Stress des mobilen Pflegeservices auszusetzen.
Hermann Basiev, der mit Kollegen in Wiesbaden einen solchen Pflegedienst gegründet hat, versucht nun, über andere und ungewöhnliche Wege qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu akquirieren. „Es macht keinen Sinn, eine examinierte Krankenschwester von einem Konkurrenten abzuwerben, in dem man ihr hundert Euro mehr bezahlt“, sagt der Fachmann. Vielmehr müsse mehr Wert auf neue Arbeitszeitmodelle und Vergütungssysteme gelegt werden. „Wir haben fast 300.000 Beschäftigte in den ambulanten Pflegediensten – mit einer enormen Fluktuation, die niemandem gut tut, am wenigsten den Patienten“, warnt Basiev und hat längst Verträge ausgearbeitet, die in der Branche als ungewöhnlich gelten. So legt er Wert auf eine ständige Weiterqualifizierung seines Personals, bietet Jahresprämien an und belohnt sein Team, wenn es durch Eigeninitiative neue Kollegen in das Unternehmen bringt. Dass es nur über Mundpropaganda geht und möglichst viel Spielraum für jeden einzelnen, ist auch den anderen Pflegediensten bewusst. Umso unverständlicher ist es dann, dass schier unrealistische Leistungsvorgaben und Kontrollen an der Tagesordnung sind. „Wenn wir nicht bald vor einem Kollaps in der Branche stehen wollen, müssen wir die Arbeitsbedingungen und das Lohnniveau ändern“, sagt der Wiesbadener Chef des Ambulanten Pflegedienstes plus. Und dabei nimmt er auch die Politik in die Verantwortung, weil die seiner Meinung nach „jahrelang geschlafen hat“.