Rechtsanwalt Martin Wittke, LL.M.,
Fachanwalt für Sozial- und Medizinrecht, Partner der Sozietät Rassek,
Ehinger & Partner (Bühl - Baden Baden - Offenburg) und juristischer
Beirat der Interessengemeinschaft Nierenlebendspende e. V. (IGN e.
V.), berichtete mit Zustimmung der Betroffenen dem Vorstand der IGN
e. V. über den aktuellen Stand zivilrechtlicher Klageverfahren
geschädigter Nierenlebendspender gegen verschiedene deutsche
Transplantationszentren sowie über diverse Leistungsantragsverfahren
gegenüber den jeweils zuständigen Landesunfallkassen.
Insgesamt vier Zivilklagen von Mitgliedern der IGN e. V. sind
aktuell vor den Landgerichten in Heidelberg, Düsseldorf (bereits OLG)
und Essen wegen schwerer Folgeschäden beim Spender durch eine
Nierenlebendspende anhängig. Eine Reihe weiterer Betroffener führt
derzeit aussergerichtliche Regulierungsverhandlungen. Dem Vorstand
der IGN e. V. sind darüber hinaus mehrere weitere Verfahren bekannt,
unter anderem auch im deutschsprachigen Ausland.
Trotz individueller Unterschiede ähneln sich die grundsätzlichen
Kritikpunkte:
- Formal falsche Aufklärung. Die gesetzlichen Voraussetzungen des
Transplantationsgesetzes (TPG) sind nicht eingehalten worden. In
einer Reihe von Verfahren waren ausschließlich die mit der Aufklärung
befassten Ärzte selbst an dem jeweiligen Nierenspendeverfahren
beteiligt.
- Inhaltlich fehlerhafte Aufklärung. Bei keinem
Aufklärungsgespräch wurde auf das erhöhte Risiko eines
Nierenversagen, mit möglicher Dialysepflicht hingewiesen. Weitere
mögliche Folgen, wie Leistungseinbußen und Müdigkeit auf Grund des
Nierenverlustes, wurden nicht erwähnt. Dies, obwohl Studien und
Veröffentlichungen seit vielen Jahren davon berichten. Weibliche
Spender mit Kinderwunsch wurden nicht über das erhöhte Risiko einer
Fehlgeburt nach einer Nierenlebendspende aufgeklärt.
- Individuelle Behandlungsfehler. Die gesundheitliche Präposition
der klagenden Spender war zum Teil völlig ungeeignet für eine
Nierenlebendspende.
Herr Rechtsanwalt Wittke bemängelt das geringe Problembewusstsein
bei vielen Transplantationsmedizinern. Einige Ärzte betreiben quasi
eine Aufrechnung von Gesundheit zwischen dem kranken Empfänger und
dem zunächst gesunden Spender. Das sei ethisch höchst bedenklich und
ein klarer Verstoß gegen den auch grundgesetzlich geschützten
Anspruch auf individuelle Unversehrtheit. Der Wunsch einem schwer
kranken Menschen zu helfen, kann nicht zur Relativierung des
grundsetzlich und grundgesetzlich verankerten Schutzes des gesunden
Spenders führen. Deshalb hat das TPG zu Recht hohe Hürden für die
Lebendspende aufgestellt. Diese werden jedoch in der Praxis
wiederholt in äußerst bedenklicher Weise unterlaufen. Hierzu gehöre
auch die vielfach verharmlosende öffentliche Darstellung:
So erklärte Herr Prof. Nagel, Ärztlicher Direktor der
Universitätsklinik Essen, Mitglied des Deutschen Ethikrats und
Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages, am
23. August 2012 im ZDF bei "Markus Lanz", dass Spender länger leben
würden "als alle anderen" (Zitat Nagel).
Es liegen auch zahlreiche Verfahren bei diversen deutschen
Unfallkassen vor, wobei sich derzeit die Durchsetzung von Ansprüchen
als schwierig erweist. Trotz der versprochenen Vereinfachung der
Anspruchsdurchsetzung nach dem SGB VII durch das neue TPG, bestünde
der verbesserte Schutz bis dato weitgehend nur auf dem Papier, so
Wittke. Obwohl ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der
Krankenkassen (MDK) die Risiken einer Spende deutlich benennt, haben
die Unfallkassen Mühe mit der Umsetzung des Gesetzes zur Absicherung
der Spender bei Folge- und Spätschäden. Das Gutachten des MDK bietet
die IGN e. V. auf ihrer Homepage unter "Aufklärung, Recht und Gesetz"
zum Download an.
Ausführlicher unter "Presse" auf der Homepage der IGN e. V.
Informationen zu Rassek, Ehinger & Partner: www.rassek.de
Pressekontakt:
Ralf Zietz, 1. Vorsitzender, Interessengemeinschaft
Nierenlebendspende e. V., 27321 Thedinghausen, Fon: 04204-685478,
Email: ralf.zietz@nierenlebendspende.com, Internet:
www.nierenlebendspende.com.