Der QALY-Ansatz
Zwischen den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen und den steigenden Kosten und begrenzten Ressourcen herrscht ein Spannungsverhältnis, das in einigen Ländern bereits zu ernsthaften Problemen im Gesundheitswesen geführt hat. Ist die Gesundheit noch finanzierbar, und gibt es nicht für manche Erkrankungen alternative Wege, die zum Einen das Risiko für den Patienten mindern, zum Anderen die Kosten senken? Zu diesen Fragen hat Prof. Dr. Ralph Tunder ökonomische und ethische Standpunkte intensiver beleuchtet und dabei versucht, einen Lösungsweg zu beschreiben.
„Der QALY Ansatz - eine Form von Wirtschaftlichkeitsuntersuchung - beschäftigt sich mit einer Analyse von Kosten und Nutzwerten, wenn es um die Auswertung einer Therapie oder den Vergleich verschiedener Therapien miteinander geht. QALY steht dabei für Quality Adjusted Life Years, oder wird auch als Konzept qualitätskorrigierter Lebensjahre bezeichnet“, erklärt Prof. Dr. Ralph Tunder in seinem Beitrag.
Im Gegensatz zu anderen Methoden stellt der QALY Ansatz eine Form der Kosten-Nutzwert- Analyse dar, in der die Kosten-Wirksamkeitsanalyse um eine weitere Dimension erweitert wird, nämlich explizit um die Lebensqualität, die sich für einen Patienten während und nach Unterziehung einer bestimmten Therapie ergibt. Diese gewonnene Lebensqualität ergibt sich in manchen Fällen aus einer Therapieform, die zwar langwieriger ist, aber zum Beispiel weniger Risiko birgt.
Die Stimme des Patienten
„Im QALY-Ansatz werden sowohl die Lebensdauer, die durch die gewählte Behandlung erweitert werden kann, als auch die damit gewonnene Lebensqualität als zwei Parameter zu einem neuen Wert aggregiert, dem QALY (Quality Adjusted Life Years)“, beschreibt Prof. Dr. Ralph Tunder.
Das Ziel des QALY Ansatzes ist, verschiedene Therapieformen oder Pharmazeutika miteinander zu vergleichen, um die für den Patienten vorteilhafteste Alternative identifizieren zu können. Werden die QALYs in Bezug zu den damit verbundenen Kosten gesetzt, lassen sich zudem Aussagen über die Kosten für jede der Behandlungsformen treffen. Das Wichtigste jedoch: der Patient wird in den Erhebungsvorgang eingebunden, indem er auf die erlebte Lebensqualität hin befragt wird. Dies erfolgt zu unterschiedlichen Zeitpunkten innerhalb des Krankheitsverlaufs sowie auch nach der Genesung, da sich die wahrgenommene Lebensqualität unter Umständen im Zeitablauf ändert.
Zur Erhebung der notwendigen Daten werden bekannte wissenschaftliche Verfahren eingesetzt, wie zum Beispiel Befragungsbögen oder Interviews mit den Patienten. Darum ist der Patient beim QALY aktiv einzubinden und im Idealfall auch eingängiger über alternative Methoden und Therapien zu informieren.
Als Beispiel ziehen Prof. Dr. Ralph Tunder und Belinda Martschinke die Simulation eines amerikanischen Forscherteams heran, die die Verläufe unterschiedlicher Therapieansätze eines Low-Risk Prostatakarzinoms untersuchte. Ziel der Simulation bestand in der Untersuchung der Lebensqualität in Abwägung mit den Risiken unterschiedlicher Behandlungsmethoden – ausgedrückt durch den QALY. Bei den vier miteinander verglichenen Therapieoptionen handelt es sich um aktive Überwachung (active surveillance), Brachytherapie, eine intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) und eine radikale Prostatektomie. Es stellte sich heraus, dass die aktive Überwachung den höchsten QALY-Wert erzielte, wenngleich die Mehrzahl der Patienten sich gerade gegen diese Therapieform entschieden haben, weil es für die Betroffenen anscheinend schwer zu verstehen ist, beobachtend abzuwarten und nicht etwa aktiv gegen den Befund vorzugehen. Der QALY kann demnach emotionale Entscheidungswerte nur schwer verdrängen, obwohl er objektiv betrachtet überlegen ist.
Mehr Vertrauen zwischen Arzt und Patient
„Der QALY-Ansatz liefert auch dem Patienten eine Hilfestellung in der ganz persönlichen Entscheidungsfindung für eine Therapieform. Mit ihm werden neben medizinischen und gesundheitsökonomischen Aspekten auch die Lebensqualität des Patienten bei einer bestimmten Therapieform berücksichtigt, was letztendlich das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Arzt stärkt“, fasst Prof. Dr. Ralph Tunder zusammen. Ein Ansatz, der die moderne Medizin wieder mehr zu den Patienten führen könnte.