Hamburg, 16. April 2014. Die häufigste chronische Krankheit bei Kindern und Jugendlichen ist Asthma. Rund 10% leiden in Deutschland darunter, bis zu 17,5% klagen über Asthmabeschwerden. Das bedeutet: Durchschnittlich sitzen zwei bis vier betroffene Kinder in jeder Schulklasse. Ähnlich alarmierend wie diese Zahl ist die Tatsache, dass sowohl Lehrkräfte als auch Mitschülerinnen und -schüler immer noch zu wenig über die Krankheit Asthma wissen. Das ist jedoch unabdingbar, um bei einem Anfall richtig helfen zu können.
Hamburger Lungenspezialisten (Kinderärzte und Internisten) haben sich daher mit der Initiative "Asthma - Mehr wissen, besser verstehen" die frühzeitige Aufklärung an Schulen auf die Fahnen geschrieben. Die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung, das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI), die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung (HAG), der Hamburger Hausärzteverband sowie die Ärztekammer Hamburg unterstützen das Vorhaben.
Wissenslücken zum Thema Asthma bergen Gefahren - für die Gesundheit, aber auch für die Integration erkrankter Kinder und Jugendlicher. Lehrkräfte sind oftmals nicht ausreichend informiert, wie mit erkrankten Schülerinnen und Schülern umzugehen und was im Notfall zu tun ist. Mitschülerinnen und -schüler hingegen haben oftmals Berührungsängste, reagieren mit Mitleid - oder auch mit Ignoranz oder Mobbing. "Ziel der Initiative ist ganz klar eine bessere Aufklärung von Lehrkräften, Eltern und Jugendlichen", sagt Beate Proll, kommissarische Abteilungsleiterin am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. "Damit wollen wir helfen, Notfallsituationen zu entschärfen, Neuerkrankungen frühzeitig zu erkennen und zugleich eine bessere Integration der betroffenen Schülerinnen und Schüler zu erreichen, um ihre Chancengleichheit zu erhöhen."
Der niedergelassene Lungenfacharzt Dr. Tibor Schmoller ist einer der Gründer von "Asthma - Mehr wissen, besser verstehen" und engagiert sich seit Jahren für mehr Aufklärung. Er sagt: "Wir möchten an den Schulen ein Bewusstsein schaffen für diese Erkrankung, die letztlich jeden betreffen kann. Seit der Einführung der Ganztagsschulen ist dies noch viel wichtiger geworden. Asthma ist wie kaum eine andere Erkrankung durch Eigenmaßnahmen wie das Meiden von Auslösern, eine regelmäßige Medikamenteneinnahme und eine vernünftige Lebensweise gut zu kontrollieren. Wenn zudem das Umfeld sensibilisiert ist, können Schulfehltage mit Verzicht auf Klassenreisen, Sportveranstaltungen oder Exkursionen vermieden werden."
Die Informationsbereiche der Kampagne sind dementsprechend breit aufgefächert. Wie kann Betroffenen geholfen werden? Wie kann Asthma-Anfällen vorgebeugt werden und was ist im Notfall zu tun? Was ist zu beachten, wenn ein asthmakrankes Kind mit auf Klassenreise kommt? Und dürfen Asthmatiker eigentlich am Sportunterricht teilnehmen? Woher kommt Asthma und was hat das Rauchen damit zu tun?
Schmoller und seine Kollegen vermitteln diese Informationen aktiv dort, wo es wichtig ist: An den Schulen selbst. So zum Beispiel bei einer großen Informationsveranstaltung am 16. April 2014 im Gymnasium Eppendorf. Rund 200 Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte folgen den Fachvorträgen und nehmen die Informationen in der Ausstellung wahr. Stellwände mit Postern zur Erläuterung der physiologischen Vorgänge bei der Entstehung von Asthma, der Wirkung der medikamentösen Therapie und Vermeidung der Auslöser sorgen hier für visuelle Eindrücke, werbefreie Broschüren zum Verhalten beim Asthma können mit nach Hause genommen werden. Die Möglichkeit, einen so genannten Peak-Flow-Test zum Ermitteln der Ausatmungsgeschwindigkeit durchzuführen, macht das Thema ebenso erlebbar wie das Highlight der Ausstellung: Die überlebensgroße, begehbare Lunge, die Aufbau und Funktion des Organs sowie unterschiedliche Krankheitsbilder dreidimensional aufzeigt.
Für Dr. Maike Languth, die Schulleiterin des Gymnasium Eppendorf, bedeutet diese Informationsveranstaltung eine wichtige Ergänzung der Arbeit ihrer Schule. "Es besteht meiner Einschätzung nach ein aufgeklärter Umgang mit dem Thema", sagt sie. "Über chronische Erkrankungen unserer Schülerinnen und Schüler werden wir in der Regel durch Eltern informiert. Leider sind Erkrankungen wie Diabetes, Asthma und vor allen Dingen viele Allergien heute weit verbreitet. Uns interessiert natürlich, wie es dazu kommt und was wir dafür tun können, um dies zu reduzieren bzw. angemessen damit umzugehen." Sorge bereite ihr das Rauchen, welches nach ihren Erkenntnissen in den letzten zwei Jahren bei Jugendlichen wieder zunimmt. Asthma und andere Erkrankungen sollten im Rahmen des Biologieunterrichtes im Bereich "Biologie des Menschen" behandelt werden, außerdem sei ihre Schule jedes Jahr mit ihren 5. Klassen im UKE, um über Risiken und Folgen des Rauchens zu informieren. "Es ist immer gut, wenn Schülerinnen und Schüler und wir Lehrerinnen und Lehrer auch von außen, hier von anerkannten Ärzten, Informationen erhalten", fügt Frau Dr. Languth hinzu.
Die Hamburgische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAG) ist seit vielen Jahren mit unterschiedlichen Präventions-Projekten und Angeboten an Hamburger Schulen aktiv und so auch hier engagiert. "Wir wollen die Gesundheit von Schülerinnen und Schülern sowie deren Selbsthilfekompetenz fördern. Aufklärung und Information über Asthma an Schulen ist ein wichtiger Beitrag für mehr Gesundheit", sagt die Geschäftsführerin Susanne Wehowsky.
Zur Finanzierung dieser Kampagne konnten die namhaften Pharmaunternehmen AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Chiesi, GlaxoSmithKline, Mundipharma, Pfizer und Teva gewonnen werden.
Hintergrundinformation über Asthma bei Kindern und Jugendlichen:
Asthma ist eine chronische, entzündliche Erkrankung der Atemwege. Dabei kommt es zu einer Verengung der Atemwege durch Verkrampfung der Atemwegsmuskulatur, Schwellung der Bronchialschleimhaut und Schleimbildung in den Bronchien.
Betroffene leiden unter anfallsweiser Atemnot, die lebensbedrohlich sein kann. Vor allem die Ausatmung ist behindert. Das erschwerte Atmen und die Luftnot können zu Angstgefühlen mit Unruhe, Sprechschwierigkeiten und Druckgefühl im Brustraum führen. Typisches Frühsymptom ist Reizhusten, insbesondere nachts oder nach körperlicher Belastung.
Mit einer gezielten Therapie, zumeist mit inhalierbaren Medikamenten, und Meiden der Auslöser kann die Erkrankung gewöhnlich stabilisiert werden. Der Patient ist dann praktisch beschwerdefrei.
In Deutschland leiden ca. 10% der Kinder und Jugendlichen sowie 5% der Erwachsenen an einem sicher diagnostizierten Asthma. Asthmabeschwerden gaben bei telefonischer Befragung von Schülern sogar 12,8% der Sechs- bis Siebenjährigen und 17,5% der 13- bis 14-Jährigen an.
Ein Grund dafür: Bei Kindern ist der absolute Durchmesser der Bronchien vergleichsweise klein. Der Atemwegswiderstand ist dementsprechend hoch und erreicht erst im späten Schulkindesalter Erwachsenenwerte. Bei Kindern reagieren die Atemwegsschleimhäute früher und heftiger auf unterschiedliche Reize wie z. B. Zigarettenrauch, Kaltluftinhalation oder Infekte.
Da der Verengung der Bronchien sowohl eine Verkrampfung der Bronchien als auch eine Entzündung zugrunde liegt, sind in den meisten Fällen neben den bronchialerweiternden auch antientzündlich wirksame Medikamente notwendig.
Insbesondere bei Kindern spielen Allergien bei der Entstehung des Asthma bronchiale eine große Rolle. Die wichtigsten Allergene sind Pollen, Hausstaubmilben und Tierhaare. Auch eine Nahrungsmittelunverträglichkeit kann bei Kindern häufiger ursächlich für ein Asthma bronchiale verantwortlich sein als im Erwachsenenalter.
Asthma ist eine Erkrankung, die nicht nur zu erheblichen Kosten für das Gesundheitssystem, sondern auch zu einer Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen führt. Asthmakranke Schülerinnen und Schüler haben erhöhte Schulfehlzeiten und dadurch eine erschwerte Lernentwicklung innerhalb ihrer Schulzeit.
Rauchen (aktiv und passiv) stellt einen erheblichen Effekt dar und gilt als wichtigster einzelner Risikofaktor für die Entstehung von Asthma. Gemäß einer Studie des Instituts für Epidemiologie der Universität Ulm, bei der 3.800 Kinder vom zehnten bis zum 17. Lebensjahr erfasst wurden, zeigt sich, dass dabei nicht nur die Anzahl der gerauchten Zigaretten, sondern auch der Zeitraum, in dem regelmäßig geraucht wird, eine Rolle spielt. Vierzehnjährige, die zwei Jahre lang rauchen, verdoppeln ihr Risiko, Asthma zu bekommen. Wenn es mehr zehn Zigaretten am Tag sind, verdreifacht sich ihr Risiko. Und wenn aus zwei Jahren vier Jahre werden, wird es sogar vervierfacht.
Asthma ist nicht nur ein deutsches Problem. Weltweit findet sich in den letzten Jahrzehnten ein Anstieg der Erkrankungshäufigkeit, wobei in den westlichen Ländern im Gegensatz zu den Entwicklungs- und Schwellenländern ein Plateau erreicht ist. Dies zeigen epidemiologische Studien an Kindern (6- bis 7-Jährige) und Jugendlichen (13- bis 14-Jährige) mit Asthmasymptomen und diagnostiziertem Asthma. In praktisch allen Ländern sind in einem Zeitraum über vier Jahrzehnte Asthma und Asthmabeschwerden bei Kindern und Jugendlichen deutlich angestiegen.
Warum? Offenbar handelt es sich um ein multifaktorielles Geschehen von genetischen und umgebungsbedingten Faktoren. Bronchiale Überempfindlichkeit, Entzündung der Atemwege und Allergien ebnen ganz offenbar der Entstehung von Asthma den Weg. Die auslösenden Umgebungsfaktoren unterscheiden sich indes in Abhängigkeit der Wirtschaftsstruktur und des Entwicklungsstatus der Länder: In Ländern wie China und Indien erklärt sich der rasche Anstieg von Asthmaerkrankungen durch die relativ unkontrollierte Industrialisierung mit inhalativer Schadstoffbelastung durch Stickstoffmonoxid, Ozon und Partikel. In Ländern der westlichen Welt ist der Anstieg eher durch Zigarettenrauch, Übergewicht und übertriebene Hygiene mit der Folge einer mangelhaften Ausbildung des Immunsystems verursacht. Daher begünstigt auch eine Verstädterung der Bevölkerung die Entstehung von Asthma.
Asthma ist ein weltweites Problem, das daher auch alle nationalen und internationalen medizinischen Gesellschaften auf den Plan gerufen hat, Ideen zu entwickeln, um diesen Anstieg zu stoppen.