ERLANGEN – In der Kinderklinik des Klinikums Nürnberg fand kürzlich ein Screening-Tag zum Thema Mangelernährung bei Kindern statt. Die Oberärztin und Initiatorin der Aktion, Dr. Renate Abt, und ihr Team untersuchten einen Tag lang stationär aufgenommene Kinder. Anhand eines kurzen Fragenkatalogs wurde geprüft, ob bereits eine Mangelernährung vorliegt oder wahrscheinlich ist. An dem Projekt nehmen bundesweit weitere Kinderkliniken teil. Martina Stamm-Fibich, MdB aus Erlangen und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags, war als Schirmherrin des Modellprojekts vor Ort; unterstützt wird die Aktion von Nutricia, Erlangen.
Mangelernährung bei Kindern ist auch in deutschen Kliniken kein Einzelfall. Kranke Kinder haben häufig wenig Appetit oder der Geschmackssinn ist verändert. Aktuelle Studien zeigen, dass 15-30 % von stationär aufgenommenen Kindern mangelernährt oder von Mangelernährung bedroht sind. Deshalb fordern Kinderärzte wie Renate Abt, bei stationär behandelten pädiatrischen Patienten routinemäßig ein Ernährungsscreening und bei Bedarf eine frühzeitige Ernährungsintervention durchzuführen.
Das höchste Risiko für eine Mangelernährung haben Kinder, die aufgrund einer akuten oder chronischen Erkrankung oder einer Behinderung nicht genügend Nahrung aufnehmen können oder die einen erhöhten Energiebedarf haben. Ein systematisches Screening und eine angepasste Ernährungstherapie kann den Ernährungszustand der Kinder verbessern, ihre Prognose günstig beeinflussen und die Liegezeit im Krankenhaus reduzieren.
Gefährdete Patienten erkennen und handeln
Ziel der Aktion ist, therapiebedürftige Mangelernährung zu erkennen, um dann ernährungstherapeutische Maßnahmen einzuleiten und dadurch das Risiko für Wachstums- und Entwicklungsverzögerungen zu reduzieren. Die pädiatrischen Patienten wurden im Beisein ihrer Eltern untersucht, gewogen und gemessen. Ernährungsfachkräfte von Nutricia unterstützten das Klinikteam bei der Organisation des Screening-Tages. Der Spezialist für medizinische Ernährung bei Kindern hat in einem vorangegangenen Pilotprojekt in der Kinderklinik in Landshut erste positive Erfahrungen zur Akzeptanz und Durchführbarkeit von Ernährungsscreenings gesammelt und unterstützt in 2014 bundesweit weitere Aktionen in Kinderkliniken.
Renate Abt, Oberärztin für Pädiatrische Gastroenterologie in der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche im Klinikum Nürnberg, wies darauf hin, dass im Klinikalltag in der Regel die akuten Beschwerden der Patienten im Vordergrund stehen und darüber der Ernährungsstatus zu wenig beachtet wird. „Dabei ist ein guter Ernährungszustand ein wichtiger Faktor, der zu einer schnelleren Genesung und einer besseren Prognose unserer Patienten beiträgt“, so Abt weiter. „Wir müssen das Bewusstsein für die engen Zusammenhänge zwischen Ernährung und medizinischer Behandlung bei allen Beteiligten stärken – Kinderärzte, Pflegekräfte und Eltern. Sinnvoll ist ein systematisches Screening direkt bei der Klinikaufnahme, das nur mit wenig Aufwand verbunden und im Klinikalltag gut umsetzbar ist.“
Schon drei kurze Fragen können helfen
Wichtige Anhaltspunkte, ob bereits eine Mangelernährung vorliegt oder die Gefahr dafür besteht, können durch gezielte Fragestellung gefunden werden. So ist es wichtig, die Grunderkrankung, bestimmte akute Symptome und den Wachstumsverlauf gezielt zu erfragen.
Ein erhöhtes Risiko kann bestehen, wenn eine kardiologische, neurologische, onkologische oder renale Grunderkrankung vorliegt. Gefährdet sind auch Kinder mit Krankheiten wie Zystische Fibrose und Morbus Crohn. Symptome wie Appetitverlust, Schluckstörungen oder Kauprobleme über einen längeren Zeitraum sollten genauso beobachtet werden wie der Gewichts- und Längenverlauf.
Therapiebedürftige Mangelernährung auch ein Thema für die Gesundheitspolitik
Die Schirmherrin der Aktion, Martina Stamm-Fibich (SPD), ist Mitglied des Deutschen Bundestages und im Gesundheitsausschuss u.a. für Kinder- und Jugendmedizin zuständig. „Das Bewusstsein dafür, dass Übergewicht und Adipositas bei Kindern ein zunehmendes Problem darstellen, ist weit verbreitet. Dass jedoch kranke Kinder häufig an therapiebedürftiger Mangelernährung leiden, ist hingegen wenig bekannt. Deshalb appelliere ich an Kinderkliniken und Kinderärzte, Mangelernährung ernst zu nehmen und Kindern im Rahmen einer Gesamttherapie eine individuelle Ernährungstherapie zu ermöglichen“, so Stamm-Fibich.