Insgesamt 642 Millionen Arzneimittelpackungen haben
die knapp 70 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen
2013 in Deutschland von niedergelassenen Ärzten verordnet bekommen.
In diesen Arzneimitteln waren 38,1 Milliarden Tagesdosen enthalten.
Jeder Versicherte hat durchschnittlich 546 Tagesdosen verbraucht und
somit täglich 1,5 Arzneimittel eingenommen, so eine Analyse des
Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Die von Ärzten verordneten Arzneimittelmengen steigen
kontinuierlich: In den vergangenen zehn Jahren hat der Verbrauch pro
Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung um nahezu die
Hälfte zugenommen (+48,3 %). Dabei ist der Verbrauch an Arzneimitteln
in den östlichen Bundesländern am höchsten. So werden beispielsweise
an die Versicherten in Sachsen-Anhalt pro Kopf etwa 30 % mehr
Arzneimittel verordnet, in Bremen hingegen sind es etwa 30 % weniger
als im Bundesdurchschnitt. Dieser Effekt kann zum Teil damit erklärt
werden, dass die Versicherten in den östlichen Bundesländern im
Durchschnitt deutlich älter sind. Die Häufigkeit von Krankheiten
steigt mit dem Alter und ist häufig auch mit einem Mehrverbrauch an
Arzneimitteln verbunden. Mit Abstand am häufigsten werden insgesamt
Arzneimittel zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie
Bluthochdruck verordnet. Diese Mittel machen mit 18,5 Milliarden fast
die Hälfte (48,4 %) aller verordneten Tagesdosen aus. Jeder
Versicherte hat im letzten Jahr durchschnittlich 264 Tagesdosen
dieser Wirkstoffe eingenommen. Unter den Herz-Kreislauf-Mitteln nimmt
seit Jahren die Gruppe der ACE-Hemmstoffe (z. B. Ramipril) und der
AT-II-Blocker (z. B. Candesartan) die führende Rolle ein und die
Mengen wachsen jährlich weiter. Im Jahr 2013 wurden über acht
Milliarden Tagesdosen dieser Arzneimittel pro gesetzlich Versicherten
verordnet.
Die aktuellen Analysen des WIdO basieren auf der überarbeiteten
ATC-Klassifikation mit Tagesdosen für das Jahr 2014. Experten aus
Wissenschaft und Praxis können mit der Klassifikation herausfinden,
welche der knapp 68.000 verschiedenen verordneten
Arzneimittelpackungen mit welchen der ca. 2.500 unterschiedlichen
Wirkstoffen/Wirkstoffkombinationen in welchen Mengen im Jahr 2013
verbraucht wurden.
Ein Blick auf das Wirkstoffprofil des Jahres 2013 zeigt deutlich,
dass die Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Magen-Darm-Erkrankungen oder Diabetes den größten Anteil in der
Medikation einnehmen. So vereinigen die 20 meistverordneten
Wirkstoffklassen mit ihren 856 einzelnen Wirkstoffen bzw.
Wirkstoffkombinationen bereits mehr als 87 % aller verordneten
Tagesdosen. 21,2 % der im Jahr 2013 verordneten Tagesdosen entfielen
allein auf die Bluthochdruckmittel der Wirkstoffklassen ACE-Hemmer
und Sartane.
Hintergrund
Seit 1981 analysiert das WIdO mit dem GKV-Arzneimittelindex den
deutschen Arzneimittelmarkt. Ziel ist eine verbesserte Anwendungs-
und Markttransparenz. Denn erst die eindeutige Zuordnung von
Arzneimitteln mithilfe der ATC-Systematik und die Messung der
verordneten Arzneimittelmenge mit definierten Tagesdosen (defined
daily doses, DDD) ermöglicht eine tiefergehende und reproduzierbare
Analyse der Verordnungsdaten. Hierfür stellt die aktuelle
Klassifikation Kategorien für mehr als 7.000 Wirkstoffe und
Wirkstoffgruppen sowie die jeweils zugehörigen Tagesdosen (DDD) als
Maßeinheit zur Messung des Verbrauchs zur Verfügung.
Das umfassende Klassifikationssystem basiert auf dem international
geltenden anatomisch-therapeutisch-chemischen (ATC) System der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) und wurde speziell an die Situation
des deutschen Arzneimittelmarktes angepasst und erweitert. "Seit
nunmehr zwölf Jahren wird die Systematik einschließlich der
vollständigen Methodik der ATC-Klassifikation und DDD-Festlegung
jährlich veröffentlicht und hat sich in der Fachwelt als methodischer
'Goldstandard' bei der Durchführung von Arzneimittelanalysen und in
der Arzneimittelverbrauchsforschung etabliert", so Helmut Schröder,
stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts
der AOK (WIdO).
Zu den Nutzern zählen beispielsweise die
GKV-Arzneimittelschnellinformation (GAmSI), die Ärzten Informationen
über ihr Verordnungsverhalten zur Verfügung stellt. Seit 2009 dient
die Klassifikation auch zur Identifikation erkrankter Versicherter im
Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs. Darüber
hinaus werden die Klassifikationen von zahlreichen Universitäten für
Projekte in der Versorgungsforschung genutzt. Die Klassifikation ist
außerdem seit acht Jahren Grundlage für die Arbeitsgruppe ATC/DDD. In
dem Verfahren erklärt das Bundesministerium für Gesundheit diese
unter Einbindung von Krankenkassen, Ärzten und Pharmaindustrie
jeweils zum 1. Januar für amtlich.
Die ATC-Systematik des GKV-Arzneimittelindex berücksichtigt sowohl
die aktuelle internationale Systematik als auch nationale Anpassungen
für Deutschland und bildet damit den gegenwärtigen Arzneimittelmarkt
in Deutschland umfassend ab. Die vollständige Publikation des
ATC-Index mit DDD-Angaben einschließlich der Methodik der
ATC/DDD-Klassifikation ist ab sofort auf der Website des WIdO
kostenfrei als Download abrufbar.
Grafiken und Tabellen zur Pressemitteilung finden Sie auf
www.aok-presse.de. Weitere Infos im Internet:
http://wido.de/arz_atcddd-klassifi.html
Uwe Fricke, Judith Günther, Anette Zawinell, Rana Zeidan
Anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation mit Tagesdosen für
den deutschen Arzneimittelmarkt. Methodik der ATC-Klassifikation und
DDD-Festlegung. ATC-Index mit DDD-Angaben. Stand April 2014 Berlin
2014
Pressekontakt:
Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)
Tel.: 030 34646-2131
E-Mail: presse@wido.bv.aok.de