Gesetzliche Krankenkassen nutzen offenbar ein
Schlupfloch im Gesetz, um die Kosten bei Hilfsmitteln wie Rollstühlen
oder Prothesen zum Nachteil von Versicherten zu drücken. Das haben
Recherchen des NDR Politikmagazins "Panorama 3" ergeben.
Im Zweifel sind Krankenkassen angehalten, durch den unabhängigen
Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) prüfen zu lassen, ob ein
Hilfsmittel erforderlich ist. So sieht es das Sozialgesetzbuch vor.
Doch viele Krankenkassen betrachten dies offenbar nicht als
verbindlich und nutzen die Dienste privater Gutachter. Diese so
genannten externen Hilfsmittelberater erstellen "Empfehlungen", also
ebenso Gutachten, ob die verschriebenen Hilfsmittel benötigt werden.
Oft empfehlen sie dann allerdings ein günstigeres Hilfsmittel als das
medizinisch indizierte. Das berichten mehrere Betroffene bei
"Panorama 3", die zum Teil monatelang um ihre Hilfsmittel kämpfen
mussten.
Allein die Barmer GEK arbeitet nach eigenen Angaben jährlich in
knapp 25.000 Fällen mit "externen Hilfsmittelberatern" zusammen.
Dabei hat sich unlängst die oberste Aufsichtsbehörde der
bundesunmittelbaren gesetzlichen Krankenkassen, das
Bundesversicherungsamt, in einem internen Papier klar positioniert
und festgestellt, dass der Einsatz externer Hilfsmittelgutachter
unzulässig sei. Das zuständige Bundesgesundheitsministerium sieht
bisher "unter Abwägung aller Interessen" jedoch keinen Bedarf, das
Rechtsverständnis seines Bundesversicherungsamtes durchzusetzen.
Die Motive der privaten Gutachter werden deutlich, wenn man auf
die Internetseiten dieser Anbieter schaut. Dort werben sie ganz
offensiv um die Gunst der Krankenkassen: "Erhebliche Kostensenkungen"
durch "kostengünstigere Hilfsmittel" werden dort versprochen. Oder:
"Die durchschnittliche Einsparung eines Hilfsmittelberaters beläuft
sich auf ca. 1 Million Euro jährlich." Der so genannte
Schutzmanneffekt führe darüber hinaus zu indirekten Einsparungen bei
den Krankenkassen. Für den Sozialrechtler Professor Ingo Heberlein
verstärkt das den Eindruck, dass es den Krankenkassen vor allem um
die Reduzierung von Kosten geht: "Unter 'Schutzmanneffekt' versteht
man hier offenbar, dass sich die Krankenkasse vor den Ansprüchen
ihrer Versicherten schützen will. Und dieser Schutzmann ist sicher
nicht der Freund und Helfer des Versicherten, sondern dient allein
der Kosteneinsparung der Krankenkasse."
Auf Nachfrage weist die Barmer GEK etwa den Eindruck der
Kostendrückerei weit von sich und teilt mit, dass die "externen
Hilfsmittelberater" ausschließlich die Frage der technischen
Spezifikation von komplexen Hilfsmitteln klären würden, "damit unsere
Versicherten eine an ihre Bedürfnisse an gepasste Versorgung
erhalten."
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