Berlin, 23.06.2014
"Wird von Behandlungsfehlern gesprochen, drängen sich Bilder von
der vergessenen Schere im Bauch oder dem verwechselten Bein bei einer
Amputation auf. Wenn solche Fehler passieren, ist das Leid der
Betroffenen sehr groß. Jeder dieser Fehler ist ein Fehler zuviel und
natürlich müssen sie aufgeklärt werden. Diese Fehler aber sind
äußerst selten und schon gar nicht beispielhaft für die bei den
Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen registrierten
Behandlungsfehler. Wir begutachten vor allem medizinische
Komplikationen, wir suchen nach dem Ursachenkomplex." Darauf verwies
Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der
Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer,
bei der Vorstellung der Behandlungsfehlerstatistik für das Jahr 2013
in Berlin.
So zeigen die in den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen
der Ärztekammern bearbeiteten Fälle, dass Komplikationen oder
unerwünschte Behandlungsergebnisse eine Fülle von Ursachen haben
können. Häufig führen die Begleiterscheinungen der Krankheit an sich
zu Problemen, die auch bei bestem Verlauf nicht zu vermeiden sind.
Mitunter lässt sich auch nicht umgehen, dass die Behandlung des
Patienten mit belastenden Nebenwirkungen verbunden ist. "Es gibt
Fälle, da sind wir buchstäblich mit unserem Latein am Ende. Wenn es
dann zu einem Behandlungsfehler kommt, ist er nicht selten Teil
verschiedener unvermeidbarer Komplikationen, die dann zu einem
unerwünschten Gesamtergebnis der Behandlung führen", sagte Crusius.
Er warnte davor, solche Fehler mit Ärztepfusch gleichzusetzen. "Zu
Pfusch gehört auch immer eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den
Auswirkungen des eigenen Handelns. Es wäre falsch und unredlich,
Ärzten eine solche Haltung zu unterstellen."
Zudem forderte Crusius, das Gesundheitswesen bei der Debatte über
Behandlungsfehler als Ganzes zu betrachten. Bedingt durch die
demografische Entwicklung sei allein die Zahl der ambulanten
Behandlungsfälle in Deutschland zwischen 2004 und 2012 um 136
Millionen auf fast 700 Millionen gestiegen. Die Zahl der stationären
Fälle habe sich um 1,8 Millionen auf 18,6 Millionen erhöht.
"Überlange Arbeitszeiten und ständig wachsender Behandlungsdruck
können zu Behandlungsfehlern führen. Umso bemerkenswerter ist es,
dass die Zahl der festgestellten Fehler in den vergangenen Jahren
weitgehend konstant geblieben und in diesem Jahr sogar gesunken ist.
Gemessen an der Gesamtzahl der Behandlungsfälle liegt die Zahl der
Fehler im Promillebereich", sagte Crusius.
Die Ergebnisse der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen
werden seit nunmehr 13 Jahren mit Hilfe des Medical Error Reporting
Systems, kurz MERS, erfasst und ausgewertet werden. Die Daten werden
von der Ärzteschaft für Fortbildungs- und
Qualitätssicherungsveranstaltungen aufbereitet, um gezielte
Strategien zur Fehlervermeidung zu entwickeln. Wie aus der aktuellen
Statistik hervorgeht, haben die Gutachterkommissionen und
Schlichtungsstellen im Jahr 2013 insgesamt 7.922 Entscheidungen zu
mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen. Damit ist die Zahl der
Sachentscheidungen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, die Zahl der
festgestellten Fehler ist jedoch rückläufig. So lag in 2.243 Fällen
ein Behandlungsfehler vor (Vorjahr: 2.280). In 1.864 Fällen wurde ein
Behandlungsfehler als Ursache für einen Gesundheitsschaden ermittelt,
der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründete. Die
häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen führten,
waren wie in den Vorjahren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie
Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen.
Die seit 1975 bei den Ärztekammern eingerichteten
Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bieten eine
Begutachtung durch unabhängige Experten und außergerichtliche
Streitschlichtung bei Behandlungsfehlervorwürfen an. Der Patient kann
durch ein effizientes und für ihn gebührenfreies Verfahren überprüfen
lassen, ob sein Behandlungsfehlervorwurf gerechtfertigt ist. In rund
90 Prozent der Fälle werden die Entscheidungen der
Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen von beiden Parteien
akzeptiert und die Streitigkeiten beigelegt. Wird nach Begutachtung
durch diese Institutionen doch noch der Rechtsweg beschritten, werden
die Entscheidungen der Schlichtungsstellen und Kommissionen
überwiegend bestätigt.
Weitere Informationen sowie die Statements und Präsentationen von
Dr. Crusius, Prof. Dr. Walter Schaffartzik, Vorsitzender der
Norddeutschen Schlichtungsstelle, Rechtsanwalt Johann Neu,
Geschäftsführer der Norddeutschen Schlichtungsstelle und Frank
Teipel, Patientenanwalt aus Berlin, können im Internet unter
www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=2.59.5301 abgerufen werden.
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