Ein Diabetes mellitus kann im wahrsten Sinne des Wortes "auf die
Nerven gehen": Bei etwa jedem dritten Diabetiker schädigt der erhöhte
Blutzucker die Nerven und verursacht eine so genannte diabetische
Neuropathie. Experten warnten auf einer Pressekonferenz anlässlich
des Kongresses der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Berlin: Die
diabetische Neuropathie wird häufig zu spät erkannt. Schreitet sie
aber ungehindert voran, wird die Behandlung immer schwieriger und das
Risiko für schwerwiegende Komplikationen, wie das diabetische
Fußsyndrom, steigt. Diabetiker sollten daher auf ihre Füße "hören",
so der Appell der Mediziner. Denn dort macht sich die Neuropathie
meist zuerst bemerkbar.
Kribbeln, Brennen und Schmerzen in den Füßen oder Händen - das
sind die typischen Symptome, unter denen Menschen mit einer
diabetischen Neuropathie leiden. Doch nicht immer macht sich diese
häufige Folgeerkrankung des Diabetes durch lästige bis quälende
Beschwerden bemerkbar, sondern sie kann auch tückisch "still"
verlaufen: Häufig führt die Nervenschädigung dazu, dass das
Empfindungsvermögen für Berührung, Druck, Temperatur und Schmerz in
den Füßen nachlässt, bis hin zur Taubheit. Die schwindende
Sensibilität der Nerven wird von Betroffenen kaum oder gar nicht
wahrgenommen, was zur Folge hat, dass die Neuropathie häufig sehr
spät erkannt wird, wie Prof. Oliver Schnell, München, deutlich
machte: In einer aktuellen Studie zeigte sich, dass 77 % Prozent der
Patienten mit einem bekannten Diabetes und einer Neuropathie nichts
von ihrer Nervenerkrankung wussten.[1] Zu einer ähnlichen Erkenntnis
kam die bundesweite Aufklärungsinitiative zur diabetischen
Neuropathie "Diabetes! Hören Sie auf Ihre Füße?", bei der
interessierte Besucher ihre Nervenfunktion in den Füßen von einem
Podologen untersuchen lassen können. Bei fast jedem zweiten der 700
Untersuchten ergaben sich Hinweise auf eine Neuropathie, von der die
Betroffenen zumeist nichts wussten.
Frühdiagnose schützt vor irreversiblen Schäden und Komplikationen
Die Früherkennung ist aber für die Prognose der Patienten ganz
entscheidend: Mit fortschreitender Nervenschädigung schwinden die
therapeutischen Möglichkeiten und das Risiko für schwerwiegende
Komplikationen steigt. Die bedeutendste Folgekomplikation der
diabetischen Neuropathie ist das diabetische Fußsyndrom, wie Prof.
Ralf Lobmann, Stuttgart, ausführte. Das mangelnde Empfindungsvermögen
in den Füßen führt dazu, dass Verletzungen nicht wahrgenommen werden.
Gleichzeitig fördert die Neuropathie auch Fehlbelastungen und
Fehlstellungen der Füße wie Krallenzehen, wodurch leichter
Druckstellen entstehen. Und schließlich ist die Haut meist trockener
und anfälliger für Wunden, die dann auch noch schlecht heilen. Die
Folgen sind fatal: "Jährlich sind in Deutschland rund 50.000
Amputationen auf ein diabetisches Fußsyndrom zurückzuführen", so
Lobmann.
Durch regelmäßige Untersuchungen mit einfachen Tests könnte die
diabetische Neuropathie frühzeitig erkannt und behandelt werden, sind
sich die Experten einig: Sie empfehlen eine jährliche Fußuntersuchung
beim Arzt. Außerdem sollten Patienten ihre Füße immer wachsam
beobachten und auf gut passendes Schuhwerk achten, damit keine
Druckstellen und Wunden entstehen.
Die Nervenschädigung breitet sich meist von den Zehen und Füßen
oder Fingern und Händen in Richtung Körpermitte aus. Sie kann aber
auch die autonomen Nerven der inneren Organe betreffen. Dadurch kann
z.B. die Schmerzwahrnehmung des Herzens betäubt und ein "stummer"
Herzinfarkt begünstigt werden.
Drei Säulen der Neuropathie-Behandlung
Bei der Behandlung der diabetischen Neuropathie empfiehlt Prof.
Karlheinz Reiners, Würzburg, nach dem Drei-Säulen-Schema vorzugehen.
Danach bildet die optimale Stoffwechseleinstellung als erste Säule
die Basis sowohl für die Behandlung des Diabetes als auch für die
Prävention und Behandlung aller Folgeerkrankungen. Dazu trägt nicht
zuletzt ein gesunder Lebensstil mit einer ausgewogenen Ernährung und
regelmäßiger Bewegung bei. Das allein scheint aber insbesondere bei
Patienten mit Typ-2-Diabetes nicht ausreichend zu sein, um
Komplikationen wie die Neuropathie zu vermeiden oder zu verbessern.
Daher betonte Reiners die Bedeutung der zweiten Therapie-Säule,
deren Ziel es ist, die schädlichen Auswirkungen des erhöhten
Blutzuckers zu bremsen. Hier steht z.B. das Benfotiamin, eine
Vorstufe vom Vitamin B1, zur Verfügung. Benfotiamin (z.B. als
milgamma® protekt rezeptfrei in Apotheken erhältlich) aktiviert ein
Schlüsselenzym des Zucker-Stoffwechsels. Dieses schleust
überschüssigen Zucker auf einen "harmlosen" Abbauweg und hemmt so die
Bildung nerven- und gefäßschädigender Abbauprodukte, wie z.B.
aggressiver Zucker-Eiweißverbindungen (AGEs = Advanced Glycation
Endproducts).[2] Welchen Nutzen das für die Patienten haben kann,
verdeutlichen Studien, in denen Benfotiamin Beschwerden wie
Schmerzen, Taubheit und Brennen in den Füßen linderte und die
Nervenfunktion positiv beeinflusste.[3-5] Dabei erwies sich der
vitaminähnliche Wirkstoff als sehr gut verträglich.
Letztlich steht als dritte Säule die symptomatische Therapie mit
verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln zur Verfügung, die zum
Einsatz kommt, wenn die Lebensqualität durch die Schmerzen stark
beeinträchtigt ist. Da diese Behandlung auch mit Nebenwirkungen
verbunden sein kann, muss der Arzt Nutzen und Risiken abwägen.
Literatur:
[1] Bongaerts BWC et al., Diabetes Care 2013; 36: 1141-46
[2] Hammes HP et al., Nat Med 2003; 9: 294-9.
[3] Stracke H et al., Exp Clin Endocrinol Diabetes 1996 ; 104 :
311-316
[4] Haupt E et al., Int J Clin Pharmacol Ther 2005; 43: 71-77
[5] Stracke H et al., Exp Clin Endocrinol Diabetes 2008; 116:600-605
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