Junge Erwachsene, die dauerhaft krank sind und
spätestens im Alter von 18 Jahren aus der Obhut ihres Kinder- und
Jugendarztes herausfallen, stehen in Deutschland vor einem ganz
großen Dilemma. Als Erwachsene finden sie häufig nicht mehr die
notwendige medizinisch-therapeutische Versorgung vor, die sie vom
Kinder- und Jugendarzt oder den Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ)
kennen. Schlimmer noch: Für Viele verschlechtert sich die
Lebensqualität deutlich, stellt Dr. med. Helmut Peters, Chefarzt der
Kinderneurologie und Sozialpädiatrie der Rheinhessen-Fachklinik
Mainz, immer häufiger fest. Und es werden immer mehr, da mittlerweile
allein 1,3 Millionen Jugendliche mit chronischen Erkrankungen das
Erwachsenenalter erreichen.
Am Beispiel Down-Syndrom verdeutlicht Dr. Christian Fricke,
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und
Jugendmedizin (DGSPJ) das Dilemma. Immer mehr Menschen mit
Down-Syndrom werden heute deutlich älter als 18 Jahre. Viele
erreichen sogar das 60. Lebensjahr. Den größten Teil ihres Lebens
werden diese Patienten daher von Nicht-Pädiatern versorgt
Prof. Harald Kämmerer vom Deutschen Herzzentrum aus München weist
darauf hin, dass heute in Deutschland bereits mehr Erwachsene mit
angeborenen Herzfehlern (180.000) leben als Kinder und Jugendliche
(120.000). Und in jedem Jahr kommen allein hierzulande 5.000 neue
erwachsene Patienten hinzu, da die Überlebensrate bei angeborenen
Herzfehlern heute bis zu 90 Prozent beträgt. Das Versorgungssystem
hat sich aber darauf längst noch nicht eingestellt, beklagt Kämmerer.
Um dies zu ändern, gibt es mittlerweile vielfältige Aktivitäten
der pädiatrischen Fachverbände, so auch der Sozialpädiatrie.
Zahlreiche Sozialpädiatrische Zentren (SPZ) sind an regionalen
Intitiativen beteiligt. In der vor 2 Jahren gegründeten "Deutschen
Gesellschaft für Transitionsmedizin e.V." DGfTM) arbeiten Ärzte,
Psychologen, Sozialmediziner, Genetiker und weitere Fachleute in
Arbeitskreisen an innovativen Lösungen.
Ein Vorbild für gelungene Übergange ins Erwachsenenalter ist das
Berliner Transitionsprogramm, das mittlerweile von Berlin und
Brandenburg aus in andere nördliche Bundesländer ausgedehnt werden
konnte. Nach Diabetes und Epilepsie wurde das Programm nun auch auf
neuromuskulären Erkrankungen, chronisch entzündliche
Darmerkrankungen, Rheuma oder auch seltene Erkrankungen wie Tuberöse
Sklerose und Cystinose ausgeweitet. Ab Oktober 2014 sollen bundesweit
die chronische Niereninsuffizienz und die Nierenersatztherapien
hinzukommen. Diese Transitionsleistungen sollten aber künftig allen
jungen Menschen zugute kommen. Daher fordert die DGSPJ von der
Politik und den Kostenträgern:
- Indikationsübergreifende und strukturierte bundesweite
Transitionsprogramme mit geregelter Vergütung aller dafür
erforderlicher Leistungen wie Transitionsgespräche, fest
etablierte und finanzierte Transitions-Sprechstunden oder auch
dem Einsatz spezialisierter Case-Manager. Diese Leistungen
könnten mit einer Komplexpauschale vergütet werden.
- Unterstützung des Ausbaus des Berliner Transitionsprogramms.
- Aufbau einer Versorgungsforschung zu Transitionsfeldern unter
Berücksichtigung der bestehenden Erfahrungen der Sozialpädiatrie
und der SPZ.
Und schließlich müssten auch Medizinische Zentren für erwachsene
behinderte (MZEB) etabliert und finanziert werden, die mit
Sozialpädiatrischen Zentren eng zusammen arbeiten sollten, fordert
DGSPJ-Präsident Dr. Christian Fricke. Vorbild hierfür könnte Hamburg
sein. Dort ist bereits ein gemeinsam von den Kassen, der KV und der
Ärztekammer getragenes Modell auf den Weg gebracht worden.
Für eine bundesweite Etablierung solcher Zentren ist aber die
konkrete Umsetzung des geplanten §119c SGB V in die Praxis
unabdingbar, wie dies Helmut Peters für die DGSPJ unter anderem auch
bereits auf dem Deutschen Ärztetag nachhaltig eingefordert hat.
Pressekontakt:
Dr. Helmut Peters
Chefarzt der Kinderneurologie und Sozialpädiatrie der
Rheinhessen-Fachklinik Mainz
h.peters@rfk.landeskrankenhaus.de