Stammzellen sind einer der großen Hoffnungsträger der Medizin. Lange Zeit nahm man an, dass sie zum Beispiel bei Schlaganfällen das abgestorbene Hirngewebe ersetzen könnten. Tatsächlich siedeln sich jedoch nur wenige Stammzellen in den betroffenen Arealen des Gehirns an. Trotzdem bringen die Behandlungen positive Resultate – was die Vermutung nahelegt, dass vielleicht nicht die Zellen selbst den therapeutischen Effekt verursachen, sondern vor allem die Botenstoffe, die sie aussenden.
Tatsächlich kommunizieren Zellen auf verschiedenen Wegen miteinander: Sie können zum Beispiel einfach Stoffe in ihre Umgebung abgeben oder aber ihre Botschaften in kleinen abgeschlossenen Bläschen – so genannten Vesikeln – über größere Strecken und sehr zielgerichtet transportieren. Die Vesikel bestehen aus Lipiden, Proteinen und kleinen RNA-Abschnitten; Stammzell-Vesikel enthalten zusätzlich auch Moleküle, die das Immunsystem beeinflussen. Deshalb sind sie nun auch ins Blickfeld des Forscherteams vom ISAS, des UK Essen sowie der Firma Particle Metrix aus Meerbusch geraten: Womöglich reichen bereits die Vesikel aus, um die Wirkung zu erzielen, die bei Stammzelltherapien beobachtet werden kann. Erste Hinweise darauf konnte das Team in Essen bei Experimenten mit Mäusen finden. Und auch bei einer Patientin mit Graft-versus-Host-Disease – einer schweren Abstoßungsreaktion gegen fremde Stammzellen – half eine Therapie mit Stammzell-Vesikeln. Daher wird sich das Projekt vor allem auf diese Erkrankung konzentrieren.
Um das bislang unterschätzte therapeutische Potenzial der Vesikel auszuloten, haben sich die Wissenschaftler im Förderwettbewerb „Translationale Stammzellforschung“ des Landes NRW beworben. Der Wettbewerb setzt an einem Punkt der Forschung an, an dem die üblichen Drittmittelgeber nicht mehr einsteigen, weil die Forschung zu weit fortgeschritten ist, während die Industrie vor einer Investition in einem zu frühen Stadium zurückschreckt. Der Antrag mit dem Titel „Stammzell-abgeleitete extrazelluläre Vesikel, ein neues Therapeutikum von Graft-versus-Host-Disease und Schlaganfall“ wurde Ende Juli bewilligt. Ihren Kompetenzen entsprechend werden die ISAS-Wissenschaftler die Proteom- und Lipidom-Analyse der Vesikel übernehmen – und so hoffentlich zur Entwicklung einer neuen Therapie beitragen.
Projektpartner:
• Institut für Transfusionsmedizin, Universitätsklinikum Essen
• Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS – e.V.
• Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Essen
• Particle Metrix GmbH, Meerbusch