Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will
Kassenpatienten schneller zu einem Termin beim Facharzt verhelfen.
Die von ihm geplante Gesetzesregelung in der Sache wird jedoch nur
Chaos und Probleme in den Praxen auslösen, warnen niedergelassene
Ärzte.
Die Pläne von Union und SPD sehen vor, dass alle gesetzlich
Versicherten künftig garantiert Facharzttermine innerhalb von vier
Wochen bekommen sollen. Wenn die jeweilige Kassenärztliche
Vereinigung dies nicht über neu zu errichtende Termin-Servicestellen
ermöglicht, sollen die Patienten stattdessen in ein Krankenhaus gehen
können. Bezahlt werden muss das dann aus dem Budget der Praxisärzte.
Während die Abgeordneten an einer entsprechenden Gesetzesregelung
basteln, spielen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in den
Ländern die Auswirkungen durch - und kommen laut einer Umfrage des
Ärztenachrichtendienstes (änd) zu alarmierenden Erkenntnissen: Je
nach Gesetzesfassung sei zu befürchten, dass tatsächlich dringende
Termine hinter nicht dringenden Terminen der Vergabestelle
zurückgestellt werden müssten, erklärt beispielsweise die KV Berlin.
Auch zweifelt die KV an der Akzeptanz der Patienten: Es sei davon
auszugehen, dass Patienten die Termine der Vergabestelle häufig nicht
wahrnehmen, "da sie den Arzt nicht kennen und dann lieber die
Wartezeit auf einen Termin beim Arzt des Vertrauens in Kauf nehmen".
Vollkommen offen sei die Frage, ob terminfrei geführte
Facharztpraxen (rund zehn Prozent aller Praxen) beziehungsweise
terminfreie Notfallsprechstunden (laut KV rund 80 Prozent aller
Praxen) nach der Gesetzesänderung eventuell sogar verboten werden
müssten. Insbesondere in der Berliner Situation seien die Pläne
unangebracht und am Ziel vorbeigehend. "Die geplanten Maßnahmen
werden nicht zum gewünschten Ziel führen. Darüber hinaus sieht man am
Beispiel der Rettungsstellen, dass die Krankenhäuser überhaupt nicht
in der Lage sind, die zusätzlichen Fälle zu betreuen", resümiert die
KV Berlin weiter.
Im Flächenland Niedersachsen sind die Ärzte nicht optimistischer:
"Solange Praxen aufgrund des starken Patientenandrangs schlichtweg
überlastet sind, wird auch ein Terminmanagement nicht helfen. Das
reine Terminmanagement ist Sache der Praxen. Die Ärztinnen und Ärzte
können am besten entscheiden, wie sie die Patientenströme
kanalisieren", betont die Kassenärztliche Vereinigung dort.
"Letztlich schaffen die Koalitionäre mit ihrem Vorschlag der
Terminvergabe durch die KVen die Wahlfreiheit der Patienten ab.
Wechselnde Ärzte und längere Anfahrtswege für Bürgerinnen und Bürger
wären die Konsequenz. Es ist fraglich, ob man damit Patienten einen
Gefallen tut."
Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung in Rheinland-Pfalz
richtet den "dringenden Appell an die Politik, von dem unsinnigen und
kontraproduktiven Vorhaben, die Kassenärztlichen Vereinigungen zur
Einrichtung von zusätzlichen Terminservicestellen zu verpflichten,
Abstand zu nehmen." Auch die KV in Baden-Württemberg fürchtet, dass
gegenüber den Patienten Erwartungen gehegt werden, die nachher nicht
einzuhalten sind. Terminvorgaben könnten keine Versorgungsprobleme
lösen, da durch sie keine neuen Ärzte in die Niederlassung bringen
könnten. "Ganz im Gegenteil schrecken mehr Regularien noch mehr
Nachwuchskräfte von der Niederlassung ab."
"Diese Warnungen aus allen Teilen des Landes zeigen, dass Minister
Gröhe mit seinen Plänen auf dem Holzweg ist. Den Patienten wird
weisgemacht, dass die Termingarantie einen Wunschtermin beim
Wunschfacharzt bedeutet - und keiner der politisch Verantwortlichen
tut etwas dagegen, dieses Missverständnis bei den Versicherten
aufzulösen", fasst Dr. Wolfgang Bärtl, Vorsitzender des
Bundesverbandes niedergelassener Fachärzte die Kritik auf Anfrage des
änd zusammen. Das böse Erwachen für die Patienten komme erst dann,
"wenn sie für dieses vergiftete Geschenk ihre freie Arztwahl
aufgegeben haben."
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