Mindestens jeder fünfte Patient versteht nicht,
was Ärzte und Pflegekräfte auf wichtige Fragen antworten. 16% der
Patienten werden zwar im Vorfeld über die Risiken einer Narkose oder
OP aufgeklärt, können aber nicht einordnen, was ihnen gesagt wurde.
Das sind ausgewählte Ergebnisse des Picker Reports 2014, der jetzt
vorgelegt wurde (http://ots.de/YZyg9). In der Untersuchung ist das
Institut der Frage nachgegangen, welchen Einfluss Patienten- und
Mitarbeitererfahrungen auf die Qualität und Sicherheit der
Gesundheitsversorgung haben. Die Rückmeldungen von fast 140.000
Patienten, 11.000 Pflegekräften und rund 5.000 Ärzten offenbaren zum
Teil erschreckende Ergebnisse - mit schwerwiegenden Folgen für die
Qualität und Sicherheit der Patientenversorgung in deutschen
Kliniken.
Mit den jetzt vorgelegten Daten unterstreicht das Institut seine
Kritik an der aktuellen gesundheitspolitischen Qualitätsdiskussion.
"Auch die beste Initiative für mehr Qualität und Sicherheit wird
ergebnislos verpuffen, wenn sie die Erfahrungen der wichtigsten
Stakeholder - Patienten und Mitarbeiter - nicht berücksichtigt," so
Maria Nadj-Kittler, Managing Director des Picker Instituts
Deutschland.
So ist nach Ansicht der Picker-Direktorin auch die Einbeziehung
sogenannter patientenrelevanter Endpunkte (patient reported outcomes,
PRO), wie sie beispielsweise durch das neue Qualitätsinstitut für
Gesundheit geplant ist, allein nicht zielführend. Das Problem der
PROs: Weil sie sich jeweils nur auf eine bestimmte Erkrankung oder
Intervention beziehen, ermöglichen sie kein umfassendes
Qualitätsurteil. "Während patientenrelevante Endpunkte, wie es der
Name ja schon impliziert, auf die Qualität der Behandlungsergebnisse
fokussiert, geben Patientenerfahrungen wichtige Hinweise auf die
Qualität der Prozesse. Nur, wer auch weiß, wie Patienten die Prozesse
im Krankenhaus faktisch erlebt haben, kann eine schonungslose
Bestandsaufnahme der Versorgungsrealität vornehmen", so Nadj-Kittler.
Fachchinesisch, Personalkarussell, Kommunikationspannen: Realität
in deutschen Krankenhäusern
Vor allem in den Bereichen Kommunikation und Entlassmanagement
offenbart der Report dramatische Defizite. Obwohl längst bekannt ist,
dass Patienten, die die Informationen zu ihrer Erkrankung und
Behandlung verstanden haben, besser in der Lage sind, sachdienliche
Angaben zu ihren Beschwerden zu machen, sich eher gesundheitsdienlich
verhalten und eine bessere Therapietreue und damit bessere
Behandlungsergebnisse haben, fehlt es nach Einschätzung des Instituts
bislang am Willen oder Mut zur Veränderung.
So klagen viele Patienten darüber, dass sie während ihres
stationären Aufenthaltes keinen festen Ansprechpartner hatten, der
vollständig über ihre Krankheit, Diagnostik und Therapie informiert
war. In der vorliegenden Untersuchung berichten zwei von drei
Patienten, dass sie keinen festen ärztlichen Ansprechpartner hatten.
Neben der psychischen Belastung, die eine solche Einschätzung mit
sich bringt, steigt mit der Anzahl der betreuenden Fachkräfte auch
die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten unterschiedliche, im
schlimmsten Fall sogar widersprüchliche Informationen erhalten.
Letzteres war in der vorliegenden Untersuchung bei 17% der Patienten
der Fall.
Auch an der kritischen Schnittstelle der Entlassung aus dem
Krankenhaus sind Kommunikationsmängel offenbar eher die Regel als die
Ausnahme. So zeigt der aktuelle Report, dass mit knapp einem Fünftel
der Patienten gar kein Entlassgespräch geführt wird. Doch auch wenn
es geführt wird, fühlen sich fast 30% der Patienten nicht ausreichend
über die häusliche Medikation informiert, mit Blick auf die
Nebenwirkungen sind es sogar fast zwei Drittel (63%). Dies ist umso
dramatischer, als Medikationsfehler zu den häufigsten vermeidbaren
unerwünschten Ereignissen zählen und mit großen Sicherheitsrisiken
für die Patienten verbunden sind.
Im Zentrum der Mitarbeiter-Kritik: Schlechte Übergaben,
ineffiziente Besprechungen und Mängel im Informationsfluss
Nicht nur Patienten sind bereit und fähig, über qualitäts- und
sicherheitsrelevante Ereignisse in der Gesundheitsversorgung zu
berichten - auch Pflegekräfte und Ärzte. In der Picker-Untersuchung
erlebten mehr als ein Viertel (27%) der Pflegekräfte und über ein
Drittel (37%) der Ärzte die Übergabe als ineffizient und
unstrukturiert. Ähnliches gilt für eine weitere wichtige
Informations-Schnittstelle, die Besprechungen. Hier ist der
Verbesserungsbedarf aus Sicht der Mitarbeiter sogar noch größer.
Knapp ein Fünftel der Pflegekräfte und Ärzte (19 bzw. 17%) berichtet,
dass es für sie schwierig ist, aktuelle Informationen über
Gesundheitszustand, Behandlung oder Testergebnisse der Patienten zu
erhalten. Des Weiteren wird ein Drittel der Pflegekräfte (33%) nicht
rechtzeitig über Aufnahmen, Entlassungen oder Verlegungen informiert.
"Patientenerfahrungen sind ein wichtiger Indikator für die Messung
von Qualität in den Versorgungsprozessen", resümiert
Picker-Direktorin Nadj-Kittler. "Gute Patientenerfahrungen, eine hohe
medizinische Versorgungsqualität und Patientensicherheit stellen
keinen Zielkonflikt dar, sondern sind verschiedene Seiten derselben
Medaille: Patienten, die gut betreut wurden, beteiligen sich stärker
an ihrer Behandlung und Gesunderhaltung, sie zeigen eine höhere
Therapietreue und erzielen bessere Behandlungsergebnisse. Trotzdem
herrscht bei Entscheidungsträgern in Politik und Selbstverwaltung
hierzulande nach wie vor der Glaube, Qualität könne allein durch die
Erhebung klinischer Outcomes gemessen werden. Für alle Patienten in
Deutschland ist das kein gutes Signal", so Nadj-Kittler.
Hinweis an die Redaktionen: Den Text dieser Pressemitteilung, den
Link zum Download der Kurzversion sowie Informationen zur Bestellung
der Vollversion des Picker Report 2014 finden Sie hier
http://ots.de/ewazF
Pressekontakt:
Picker Institut Deutschland gGmbH
Maria Nadj-Kttler
Tel.: +49 (0) 40 63 65 67 72
E-Mail: nadj-kittler@pickerinstitut.de
www.pickerinstitut.de