Daumen hoch fürs Gesundheitssystem: Drei von vier
Menschen in Deutschland sind damit zufrieden. Das zeigt der aktuelle
TK-Meinungspuls, den die Techniker Krankenkasse (TK) und das
Meinungsforschungsinstitut Forsa heute in Berlin vorstellen. Die
Studie belegt aber auch: Neun von zehn sehen Reformbedarf. Der Trend
ist jedoch positiv: Die grundlegende Kritik am System nimmt
kontinuierlich ab. 2006 war es noch jeder Vierte, der einen
umfassenden Neubau für nötig hielt - heute sagen dies nur noch 13
Prozent. Die Mehrheit der Menschen in Deutschland (52 Prozent) ist
dabei für mehr Wettbewerb auf allen Ebenen des Gesundheitssystems.
Und: Privat Versicherte sehen sogar noch einen größeren Reformbedarf
als gesetzlich Versicherte.
"Mit dem Meinungspuls bitten wir nunmehr bereits zum zehnten Mal
diejenigen um ihre Einschätzung zum System, die es am unmittelbarsten
betrifft: die Menschen in Deutschland. Sie sind zum einen auf ein
funktionierendes Gesundheitswesen angewiesen und finanzieren es zum
anderen mit ihren Beiträgen", erklärt der TK-Vorstandsvorsitzende,
Dr. Jens Baas. Zwei Drittel der Deutschen glauben daran, dass das
Gesundheitssystem unter dem Strich auch in Zukunft seinen Aufgaben
gewachsen bleibt - doppelt so viele wie noch 2006. "Am
pessimistischsten sind die Menschen in der ''Rushhour des Lebens''
zwischen Mitte 20 und Mitte 50. Außerdem nehmen die Zweifel zu, je
höher der Bildungsgrad und je schlechter der Gesundheitszustand
sind", so Forsa-Geschäftsführer Professor Manfred Güllner.
Viele fürchten um Finanzierbarkeit, Leistungsumfang und
Versorgungsqualität
Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland (85 Prozent)
rechnet damit, dass die Beiträge für die gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) in Zukunft steigen werden. Zudem geht mehr
als die Hälfte (54 Prozent) davon aus, dass der Leistungsumfang in
Zukunft eingeschränkt werden muss, und knapp jeder Zweite fürchtet
eine sinkende medizinische Versorgungsqualität (47 Prozent). Hier
sind die Menschen auf dem Land deutlich pessimistischer als Menschen
in der Großstadt.
Nur jeder dritte Deutsche geht davon aus, dass auch in Zukunft
noch alle Patienten nach neuesten medizinischen Erkenntnissen und mit
neuesten Techniken behandelt werden können. Dabei ist gerade dies den
Menschen besonders wichtig, wie der Meinungspuls zeigt: Zwei Drittel
würden sogar höhere Beiträge in Kauf nehmen, um weiter am
medizinischen Fortschritt teilhaben zu können. Baas: "Als Kassen
brauchen wir hier eine starke Verhandlungsposition gegenüber
Leistungserbringern wie beispielsweise den pharmazeutischen
Unternehmen, deren Aufgabe es naturgemäß ist, ihre Gewinne zu
steigern. Nur so kann es uns gelingen, unseren Versicherten auch
zukünftig Zugang zum Fortschritt zu einem vernünftigen Preis zu
ermöglichen. Und dieses Ziel steht für uns außer Frage."
Ambulante Versorgung: Städter zufriedener als Landbevölkerung
Fast jeder Zweite in Deutschland ist zufrieden mit dem Netz an
Haus- und Fachärzten, das ihm in seiner Umgebung zur Verfügung steht.
Klar erkennbar ist dabei ein Stadt-Land-Gefälle: In größeren Städten
und Ballungsräumen ist die Zufriedenheit mit 60 Prozent sehr viel
größer als auf dem Land (40 Prozent). Baas: "Im TK-Meinungspuls
stellt bereits jeder fünfte Befragte, der auf dem Land wohnt, ein
löchriges Angebotsnetz fest. In den Großstädten sieht nur jeder Elfte
Defizite", so der TK-Chef.
Doch die Menschen sind mobil: Für eine bessere Untersuchungs- oder
Behandlungsqualität ist die große Mehrheit bereit, weitere Wege in
Kauf zu nehmen - sowohl zu niedergelassenen Ärzten (90 Prozent) als
auch zu Krankenhäusern (84 Prozent). Menschen auf dem Land sind dabei
etwas eher bereit länger zu fahren als Großstädter. Und sie sind auch
besonders betroffen, denn junge Mediziner zieht es immer weniger in
die eigene Praxis auf dem Land. "Dennoch braucht es auch dort ein
funktionierendes Versorgungsnetz", so Baas. Ein Lösungsansatz:
Medizinisches Fachpersonal wie Krankenschwestern und -pfleger
übernehmen Aufgaben von Landärzten, um diese zu entlasten - etwa
Hausbesuche zur Routinekontrolle bei chronisch Kranken. Drei von vier
Befragten (73 Prozent) können sich das gut vorstellen - Ostdeutsche
sind dafür noch aufgeschlossener als Westdeutsche. Darüber hinaus
kann Telemedizin vor allem in strukturschwachen Regionen ein Mittel
sein, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Gut jeder dritte
Deutsche (37 Prozent) kann sich vorstellen, mit einem Arzt per
Videogespräch zu kommunizieren, wenn er dadurch längere Wege
vermeiden und schneller Zugang zu einem Spezialisten bekommen kann.
Gutes Zeugnis für Deutschlands Ärzte
Die Deutschen stellen ihren Ärzten ein gutes Zeugnis aus. Mit
ihrem letzten Arztbesuch waren sieben von zehn Befragten rundum
zufrieden. Als "Halbgott in Weiß" sieht aber kaum jemand mehr seinen
Arzt: Fast alle Patienten wollen auf Augenhöhe mit ihm reden.
Güllner: "Unterm Strich klappt die Kommunikation zwischen Ärzten und
ihren Patienten. Mit rund sieben von zehn Befragten ist eine
deutliche Mehrheit zufrieden mit dem Einfühlungsvermögen ihres Arztes
und den Informationen. Die meiste Kritik äußerten die Patienten an
der Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten."
Anders sieht es aus, wenn es im Ernstfall um Chancen, Risiken und
Behandlungsalternativen geht: Voll und ganz aufgeklärt fühlte sich
dazu bei seiner letzten ernsteren medizinischen Behandlung - egal ob
beim Arzt oder im Krankenhaus - nur jeder Dritte (36 Prozent). Dabei
wollen die Menschen mitentscheiden. "Nur vier von zehn Befragten
geben an, dass ihr Arzt als Fachmann ihnen die Entscheidung abnehmen
soll - Männer mit 45 Prozent deutlich häufiger als Frauen mit 33
Prozent", so Güllner.
Jeder Zweite bekommt IGeL-Angebote - drei von vier lassen sich
überzeugen
Mehr als die Hälfte der gesetzlich Versicherten hat vom Arzt schon
so genannte IGeL-Angebote bekommen - also Leistungen, die beim
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) durchgefallen sind, deshalb nicht
zum Katalog der Krankenkassen gehören und privat gezahlt werden
müssen. Am aktivsten sind dabei die Ärzte in Baden-Württemberg. Unter
den Arztgruppen liegen die Gynäkologen vorn, gefolgt von Zahn- und
Augenärzten. Und sie sind erfolgreich: Drei Viertel der gesetzlich
Versicherten, denen eine Selbstzahl-Leistung angeboten wurde, haben
"ja" gesagt - die "IGeL-Könige" unter den Patienten sind die Bayern.
Vorsorge für den Pflegefall: nur für jeden Zweiten ein Thema
Die Bereitschaft, sich mit der Absicherung für den Pflegefall zu
befassen, steigt mit dem Alter. Von den jungen Erwachsenen hat dies
bisher nur jeder Fünfte getan, ab Mitte 60 sind es immerhin 65
Prozent. Das heißt aber auch: Selbst in der älteren Generation hat
jeder Dritte noch nicht darüber nachgedacht. Dr. Jens Baas: "Die
Deutschen gehen zwar ganz realistisch davon aus, dass die gesetzliche
Pflegeversicherung nur einen Teil der Kosten für Pflege im Alter
abdeckt. Dennoch geben vier von zehn Deutschen an, darüber hinaus
noch gar nichts zur eigenen Absicherung getan zu haben."
Die monatlichen Kosten für einen Pflegeplatz in der höchsten
Pflegestufe 3 betragen im Bundesdurchschnitt aktuell 3.300 Euro. Der
Pauschalbetrag aus der gesetzlichen Pflegeversicherung für diese
Pflegestufe beträgt 1.550 Euro. Das bedeutet: Weniger als die Hälfte
der durchschnittlichen Gesamtkosten ist gedeckt. Jeder dritte
befragte Bundesbürger unterschätzt allerdings die Pflegekosten,
gleichzeitig rechnet jeder Vierte mit einem größeren Zuschuss der
Pflegekasse. Baas: "Das Kostendelta, das im Pflegefall auf sie
zukommt, ist damit deutlich größer als viele Menschen erwarten. Kein
Reformtrick wird dieses demografische Problem lösen. Tatsache ist: Es
wird für alle teurer."
Die Umfrage hat die Menschen ins Grübeln gebracht. "Auf die
Abschlussfrage, ob sie unterm Strich wohl genug für ihre Absicherung
getan haben, räumten 62 Prozent der Befragten ein ''Nein'' ein", so
Forsa-Chef Güllner. Sieben von zehn führen Kostengründe an, für 45
Prozent war die Pflegeabsicherung bislang kein Thema. Vier von zehn
vertrauen darauf, dass Angehörige oder Freunde im Pflegefall helfen
werden, und drei von zehn gehen davon aus, dass der Staat im Notfall
finanziell einspringen wird. Und schließlich leitet viele das Prinzip
Hoffnung: 22 Prozent derer, die sich ihrer mangelnden Absicherung
bewusst sind, halten es für unwahrscheinlich, ein Pflegefall zu
werden. Zu dieser Verdrängungsleistung tendieren Männer mit 25
Prozent etwas häufiger als Frauen (20 Prozent).
Zum Hintergrund
Im Auftrag der TK hat Forsa im Juni und Juli 2014
bevölkerungsrepräsentativ 2.001 Erwachsene in Deutschland zum
Gesundheitssystem befragt. Der 48-seitige Studienband
"TK-Meinungspuls 2014" mit den Ergebnissen steht unter
www.presse.tk.de (Webcode: 660168) zum Download bereit. Dort finden
Sie auch die Pressemappe mit der Zusammenfassung der
Studienergebnisse sowie Infografiken, Pressefotos und
TV-Rohschnittmaterial (Webcode: 660174).
Pressekontakt:
TK-Pressestelle
Für Rückfragen: Inga Laboga
Tel. 040-6909-1783
E-Mail: pressestelle@tk.de
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