Statement von Dr. med. vet. Hans-Joachim Götz
Präsident des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte (bpt)
anlässlich der heutigen EuroTier-Eröffnungspressekonferenz
Der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung, das Management
von Antibiotikaresistenzen und die Organisation eines
aussagekräftigen Antibiotikamonitorings sind dieser Tage wichtige
Fragen für die praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte nicht nur
in Deutschland, sondern in ganz Europa. Grund dafür: Die Gefahren für
die menschliche Gesundheit durch antibiotikaresistente Keime werden
immer drängender. Wie ernst es steht, zeigt nicht zuletzt, dass
Deutschland im nächsten Jahr die "Antimikrobielle Resistenz" in den
Mittelpunkt seiner G7-Präsidentschaft stellen will. Während noch
darüber geforscht wird, ob und wie resistente Bakterien zwischen
Mensch und Tier weitergegeben werden, ist für die Öffentlichkeit und
Politik die Antibiotikamenge für die Selektion resistenter Bakterien
das entscheidende Kriterium. Die Tiermedizin macht man wegen eines
vermeintlich zu hohen und unspezifischen Antibiotikaeinsatzes
verantwortlich, obwohl die bedenkliche Resistenzlage in der
Humanmedizin nachweislich die direkte Folge des seit Jahren
überdurchschnittlichen Verschreibungsverhaltens der Humanmediziner
ist.
Wie also kann man dem Problem erfolgreich entgegenwirken?
Üblicherweise entsteht der Selektionsdruck auf antimikrobielle
Resistenzen dort, wo entsprechende Antibiotika zur Anwendung kommen.
Als wichtigste Faktoren gelten gleichermaßen in Human- und
Tiermedizin mangelhafte Hygiene in Krankenhaus oder Stall, eine zu
früh abgebrochene oder zu niedrig dosierte antibiotische Behandlung
von menschlichen Patienten oder Tieren und der Einsatz eines nicht
wirksamen Antibiotikums auf Grund eines fehlenden Keimnachweises.
Eine Antibiotikareduktion allein wird das Problem also nicht lösen,
obwohl dies von der Politik und den Medien immer wieder in den
Vordergrund gestellt wird.
Nach dem Willen des bpt sollen sich Tierärzte und Ärzte gemeinsam
im Sinne des Aktionsplans zur Abwehr der Antibiotikaresistenz der
EU-Kommission und der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART)
für einen restriktiven Einsatz von Antibiotika gemäß Leitlinien unter
kontrollierten Bedingungen einsetzen und effektive Lösungen
entwickeln, die über die jeweiligen Kanäle an die Tierärzte und Ärzte
kommuniziert werden, um für die nötige Achtsamkeit und Verantwortung
zu werben. Besonders in der MRSA Problematik aber auch bei der
Übertragung anderer resistenter Bakterien ist die Krankenhaushygiene
der Schlüssel zum Erfolg. Ihr muss dringend ein höherer Stellenwert
eingeräumt werden. Ziel einer modernen Tiergesundheitspolitik muss es
wiederum sein, Krankheiten durch Präventionsmaßnahmen, wie Impfungen,
Hygienemaßnahmen, Verbesserung von Haltungsmanagement und
Haltungsbedingungen zu vermeiden. Treten trotz aller Anstrengungen
Erkrankungen in Tierbeständen auf, muss allerdings der Grundsatz
gelten, dass kranke Tiere auch einen Anspruch auf eine Behandlung
haben, wenn sie erforderlich ist. Alles andere wäre nicht mit dem
Tierschutz und einer verantwortungsvollen Tierhaltung zu vereinbaren.
Der Einsatz von Antibiotika, insbesondere der Reserveantibiotika,
sollte jedoch neben der therapeutischen Wirksamkeit auch unter dem
Aspekt der möglichen Selektion von antimikrobiellen Resistenzen
erfolgen.
Dafür wurde in Deutschland mit dem im Frühjahr in Kraft getretenen
16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (16. AMG-Novelle)
ein Antibiotikaminimierungskonzept geschaffen, das nicht nur
europaweit, sondern weltweit an der Spitze steht. Für diese Novelle
hatte sich der bpt mit Nachdruck eingesetzt, denn durch die neuen
gesetzlichen Regelungen wird erstmals die Therapiehäufigkeit mit
Antibiotika in den einzelnen Betriebstypen für die Betriebe und die
Überwachung erkennbar. Gleichzeitig können die Tierhalter anhand der
bundesweiten Kennzahlen vergleichen, wie ihre betriebsindividuelle
Situation zu beurteilen ist und die Behörden erhalten im Sinne einer
Risikoorientierung Kenntnis über Betriebe, bei denen
Überwachungsmaßnahmen zu prüfen sind. Nach Auffassung des Verbandes
ist das der richtige Ansatz, um den Antibiotikaeinsatz in der
Tierhaltung nachhaltig zu reduzieren und damit das Risiko der
Entstehung und Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen minimieren zu
können. Noch aber ist dieses Minimierungskonzept nicht umgesetzt. Ab
Anfang nächsten Jahres soll nach der guten Theorie hoffentlich auch
eine gute Praxis folgen.
Umso mehr Gewicht hat zurzeit das umfassende Antibiotikamonitoring
in der Geflügel- und Schweinemast, das bereits lange vor dem
staatlichen Monitoring auf Initiative des bpt und des Deutschen
Bauernverbandes über das privatwirtschaftlich organisierte QS-System
aufgebaut wurde und inzwischen bereits 95 Prozent der geflügel- und
rund 90 Prozent der schweinehaltenden Betriebe abdeckt. Mit der
Auswertung Ende 2014 entsteht damit erstmals ein umfassendes Bild zum
Antibiotikaeinsatz bei Geflügel und Schweinen. Positiv daran: Das
QS-Monitoring ermöglicht dem Landwirt und Tierarzt ein echtes
Benchmarking, also ein "Lernen von den Besten". Der Druck der
Wertschöpfungskette auf die Vielverbraucher von Antibiotika wird ein
Übriges tun. Der bpt ist nicht zuletzt deshalb davon überzeugt, dass
die Einführung eines europäischen Antibiotikaverbrauchsmonitorings
wichtig wäre. Die jüngst von der Europäischen Kommission vorgestellte
Neufassung des Tierarzneimittelrechts sollte in diesem Punkt noch
nachgebessert werden.
National wie auf EU-Ebene darf es aber auf keinen Fall
Überbietungswettbewerbe zu ehrgeizigen Antibiotika-Reduktionszielen
geben. Im Mittelpunkt der Entscheidungen für eine nachhaltige
Reduzierung des Antibiotikaverbrauchs muss die Fachkompetenz stehen.
Tiergesundheit muss erhalten bzw. verbessert werden. Dafür müssen
grundsätzlich alle Therapiemöglichkeiten einschließlich Umwidmung und
Einsatz von Reserveantibiotika bestehen bleiben. Nur anhand von
Ergebnissen eines sinnvollen Monitorings lässt sich der
Antibiotikaverbrauch tierschutzgerecht minimieren. Eine
verpflichtende tierärztliche Bestandsbetreuung in der Nutztierhaltung
durch die Gesetzgebung würde diese Effekte stärken und verstetigen.
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