fit und munter - Von der Grundlagenforschung zum Impfstoff

fit und munter

Von der Grundlagenforschung zum Impfstoff

Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen zu Gast beim Heilberufe-Dialog der Kreissparkasse in Esslingen.
Im Jahr 1976 stellte der Heidelberger Professor und Krebsforscher Harald zur Hausen eine gewagte Hypothese auf: dass Krebs auch von Viren verursacht werden kann. Die Skepsis zahlreicher Wissenschaftskollegen hielt ihn von weiteren Forschungen nicht ab. Im Fokus des mehrfach ausgezeichneten Wissenschaftlers zur Hausen standen humane Papillomviren (Warzenviren) als Auslöser von Gebärmutterhalskrebs. Anfang der 80er-Jahre gelang ihm der Durchbruch: Er isolierte mit seiner Forschungsgruppe die für den Gebärmutterhalskrebs ursächlichen Virustypen. Die gewonnen Erkenntnisse führten zu Impfstoffen gegen diesen Krebs, die seit 2006 verfügbar sind. Für seine Forschungen erhielt Harald zur Hausen im Jahr 2008 den Nobelpreis für Medizin.

„Professor Harald zur Hausen hat mit seinen verdienstvollen Arbeiten in der Medizin neue Hoffnungen im Kampf gegen Krebs geschaffen“, würdigte Kreissparkassen-Vorstandsmitglied Burkhard Wittmacher den weltweit bekannten Wissenschaftler in seiner Begrüßungsrede. Der ehemalige Vorsitzende des Stiftungsvorstands des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg ruht sich aber nicht auf den Erfolgen vergangener Tage aus. Im Kronensaal der Kreissparkasse stellte der 78-jährige zur Hausen vor 200 Ärzten, Apothekern und anderen Heilberuflern aus dem gesamten Landkreis Esslingen seine aktuellen Forschungen vor. Mit seinem Team geht er der Frage nach, inwieweit die Ernährung Ursache für Infektionen ist, die unter bestimmten Bedingungen Krebs auslösen können. In Ländern mit hohem Rindfleischkonsum wie Argentinien, USA, Australien und fast allen euro¬päischen Ländern sei die Erkrankungsrate an Dickdarmkrebs besonders hoch. In Japan habe die Zahl der Dickdarmkrebs¬erkrankungen seit 1965 drastisch zugenommen. Den Grund sieht zur Hausen in einem veränderten Ernährungsverhalten der Japaner: Seit den 60er-Jahren werde roher Fisch zunehmend durch rohes Rindfleisch ersetzt. In Indien hingegen, wo aus religiösen Motiven auf den Verzehr von Rindfleisch weitgehend ver-zichtet wird, sei die Zahl der Erkrankungen an Dickdarmkrebs gering. Die Schlussfolgerung zur Hausens: „Dickdarmkrebs hat mit dem Verzehr von rotem Fleisch zu tun.“

So weit die Hypothese. Im Forschungszentrum in Heidelberg haben zur Hausen und sein Team auf der Grundlage dieser Hypothese Rinderseren untersucht und versucht, relevante Erreger nachzuweisen. Tatsächlich sind die Forscher auf 18 Erregertypen mit ähnlichen Strukturen gestoßen, die Dickdarmkrebs auslösen können. Ziel der weiteren Forschung ist es nun, Impfstoffe gegen diese Erreger zu entwickeln.

Harald zur Hausen geht in seinen aktuellen Forschungen aber auch einer weiteren Frage nach: Besteht auch ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Rindfleisch und Brustkrebs? Die Epidemologie des Brustkrebses, so zur Hausen, entspreche nämlich der des Dickdarmkrebses: hohes Auftreten in den USA, in Europa und Australien. Aber auch in Indien sei die Zahl der Brustkrebserkrankungen sehr hoch. Dort lässt sich diese hohe Zahl an Krebserkrankungen aber nicht mit dem Verzehr von Rindfleisch erklären. Laut zur Hausen muss eine andere Ursache hinzukommen. Seine Vermutung: hoher Milchkonsum. Und tatsächlich hat der Milchkonsum in Indien in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen, in Japan und Korea hingegen nicht; dort ist die Zahl der Brustkrebs¬erkrankungen gering geblieben. Den Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Brustkrebserkrankung konnte zur Hausen noch nicht wissenschaftlich verifizieren. „Wir haben noch nichts bewiesen“, sagt zur Hausen. Doch eine Entdeckung stützt seine Vermutung: Das Forschungsteam um Harald zur Hausen hat ähnliche karzinogene, also krebsauslösende bzw. -fördernde Erreger wie im Rindfleisch in Milch nachweisen können. Und diese Erreger wurden auch bei Multiple-Sklerose-Kranken nachgewiesen. Hier bieten sich neue Forschungsfelder geradezu an. „Nur mit klaren Ergebnissen in der Grundlagen¬forschung kann eine daraus resultierende Anwendung in der Medizin erfolgen“, ist zur Hausen überzeugt.

Der Heilberufe-Dialog ist die dritte Veranstaltung dieser Art in der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. Die Informations- und Fortbildungsveranstaltung richtet sich an Ärzte, Apotheker und andere Vertreter von Heilberufen im Landkreis Esslingen. Seit Anfang 2012 hat die Kreissparkasse ein speziell auf Heilberufe zugeschnittenes Betreuungskonzept im Portfolio. „Wir sind davon überzeugt, mit unserem Heilberufekonzept und den speziell geschulten Beratern noch besser als bisher auf die besonderen Bedürfnisse von Ärzten, Apothekern oder Psychotherapeuten eingehen zu können“, sagt Kreissparkassen-Vorstandsmitglied Burkhard Wittmacher.
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