"Wie sich eine renommierte Zeitung auf
ein derart reißerisches Niveau begeben kann und das ernsthafte
Problem der antimikrobiellen Resistenzen (AMR) dermaßen
sinnenentstellt veröffentlicht, ist für mich nicht nachvollziehbar",
erklärt Dr. Hans-Joachim Götz, Präsident des Bundesverbandes
Praktizierender Tierärzte (bpt), mit Blick auf den Beitrag "Die Rache
aus dem Stall", mit dem die Wochenzeitung "Die Zeit" am vergangenen
Donnerstag eine vierteilige Reportage gestartet hat.
"Natürlich gehört es zur Pressefreiheit Missstände anzuprangern
oder eine Systemänderung einzufordern. Aber es kann nicht sein, dass
der Wunsch nach Abschaffung der so genannten Massentierhaltung dem
Leser suggeriert, diese sei eine neue Brutstätte für besonders
gefährliche Keime an denen jährlich tausend Menschen in Deutschland
sterben, weil kaum noch ein Antibiotikum hilft." Das widerlegt die
Berichterstattung sogar selbst. Aber: Viele vorhandene Fakten sind so
eingestreut, dass ein anderer Eindruck entsteht, andere wiederum
fehlen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die bedenkliche
Resistenzlage in der Humanmedizin ist nachweislich die direkte Folge
des seit Jahren überdurchschnittlichen Verschreibungsverhaltens der
Humanmediziner. Die zur Gruppe der Beta-Lactam-Antibiotika gehörenden
Carbapeneme sind für den Einsatz beim Tier weder zugelassen noch
werden sie angewendet. Die MRSA-Erreger, die in der Region Holzminden
die meisten Infektionen bundesweit verursachen, stammen nicht aus der
Tierhaltung, weil diese dort kaum eine Rolle spielt. Die Niederlande
mit einer der weltweit größten Viehdichten und einem der höchsten
Antibiotika-Einsätze haben die niedrigste Rate von MRSA und ESBL.
Grund dafür sind konsequente Hygienemaßnahmen in Verbindung mit
strengen Leitlinien und Vorschriften in den Krankenhäusern. In
Dänemark dagegen nehmen die MRSA-Infektionen bei Tieren trotz des
viel gerühmten Systems dramatisch zu. Das wird dieser Tage in der
dänischen Presse deutlich thematisiert.
Weshalb wird nicht über die Deutsche
Antibiotika-Resistenzstrategie und den Aktionsplan zur Abwehr der
Antibiotikaresistenz der EU-Kommission berichtet? Oder nicht erwähnt,
dass in Deutschland mit dem im Frühjahr in Kraft getretenen 16.
Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes ein
Antibiotikaminimierungskonzept geschaffen worden ist, das nicht nur
europaweit, sondern weltweit an der Spitze steht? Durch die neuen
gesetzlichen Regelungen wird erstmals die Therapiehäufigkeit mit
Antibiotika in den einzelnen Betriebstypen für die Betriebe und die
Überwachung erkennbar werden. Die Tierhalter können dann anhand der
bundesweiten Kennzahlen vergleichen, wie ihre betriebsindividuelle
Situation zu beurteilen ist und die Behörden werden im Sinne einer
Risikoorientierung Kenntnis über Betriebe erhalten, bei denen
Überwachungsmaßnahmen zu prüfen sind. Es wird auch nicht über das
umfassende Antibiotikamonitoring in der Geflügel- und Schweinemast
berichtet, das bereits lange vor dem staatlichen Monitoring auf
Initiative des bpt und des Deutschen Bauernverbands über das
privatwirtschaftlich organisierte QS-System aufgebaut wurde und
inzwischen bereits 95 Prozent der geflügel- und rund 90 Prozent der
schweinehaltenden Betriebe abdeckt. Dadurch wird neben einem
Benchmark zur Risikoorientierung auch eine weitergehende Analyse der
Situation möglich und damit die Grundlage zur Verbesserung von
Tiergesundheit und Tierhaltung gelegt. Und warum wird auch nicht
darüber berichtet, dass mit der Auswertung Ende des Jahres erstmals
ein umfassendes Bild zum Antibiotikaeinsatz bei Geflügel und
Schweinen entsteht?
"Anstatt die Leserschaft verständlich über ein komplexes Thema
aufzuklären, wird dem Leser ein völlig falscher Gesamteindruck von
den tatsächlichen Sachverhalten vermittelt", sagt Götz.
"Offensichtlich hat sich "Die Zeit" von ihrer journalistischen
Sorgfaltspflicht verabschiedet und will lieber Politik machen, indem
sie sich vor anderer Leute Karren spannen lässt. Die zeitliche
Platzierung des Beitrags wie auch die der angekündigten weiteren
Folgen können kein Zufall sein, vermutet der bpt-Präsident. Hat doch
am vergangenen Wochenende der Bundesparteitag von Bündnis 90/Die
Grünen stattgefunden auf dem einvernehmlich zum Kampf gegen
Massentierhaltung, die Agrarlobby und genverseuchtes Tierfutter
aufgerufen wurde. Und findet nicht am 4. Dezember der Fachdiskus in
Berlin zum Gutachten zur Überprüfung des tierärztlichen
Dispensierrechts statt? Es scheint Absicht zu sein, die inzwischen
versachlichte Diskussion des gesamtgesellschaftlichen Problems der
AMR wieder zu emotionalisieren, um die Politik unter Druck zu setzen.
"Damit tut sich "Die Zeit" keinen Gefallen. Ihre Leser sind nicht
dumm", glaubt Götz. Inzwischen sollten alle am Thema AMR
Interessierten mitbekommen haben, welche Anstrengungen unternommen
werden, um das über Jahrzehnte gewachsene Problem nachhaltig durch
Verbesserung der Tiergesundheit und Tierhaltung zu lösen.
Pressekontakt:
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