fit und munter - Deutsche AIDS-Hilfe: Verschärfung des Prostitutionsgesetzes wird schaden statt schützen

fit und munter

Deutsche AIDS-Hilfe: Verschärfung des Prostitutionsgesetzes wird schaden statt schützen


Zur Einigung der Großen Koalition bei der Reform
des Prostitutionsgesetzes erklärt Manuel Izdebski vom Vorstand der
Deutschen AIDS-Hilfe (DAH):

"Nach zähen Verhandlungen präsentieren Union und SPD die traurigen
Reste einer schlechten Idee. Gut gemeint, schlecht gemacht: Die
geplanten Maßnahmen werden nicht zum Schutz der Prostituierten
beitragen, sondern Prävention und Gesundheitsvorsorge schaden. Wir
brauchen kein Schaufenstergesetz wie dieses, sondern die volle
rechtliche Anerkennung von Sexarbeit als Beruf und wirksame
Unterstützung im Arbeitsalltag."

Kontraproduktive Scheinlösung

Mit Kondomzwang, Anmelde- und Beratungspflicht sowie
Sonderregelungen für junge Menschen in diesem Beruf will die
Bundesregierung die Situation von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern
verbessern. "Zwang und Repression führen aber nicht zum Ziel, sondern
schrecken ab und treiben Prostituierte in die Illegalität, so dass
sie für Aufklärung und Hilfsangebote schlechter erreichbar sind", so
Izdebski. "Es ist eine Illusion zu glauben, dass man hier mit Zwang
Kontrolle ausüben kann."

Dabei gibt es erprobte Wege, wirklich etwas zu verbessern.
"Freiwillige Angebote, die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sowie
ihre Kunden bei der Konzeption mit einbeziehen, werden gut angenommen
und sind erfolgreich", fasst Izdebski die jahrzehntelange Erfahrung
von Aidshilfen, Beratungseinrichtungen und Gesundheitsämtern
zusammen.

Kondompflicht ist nicht kontrollierbar

Bei einer Kondompflicht, die es in Bayern und im Saarland bereits
gibt, werden in der Regel die Frauen bestraft oder die Vorschrift
verpufft. "Dass die Bundesregierung die Verantwortung für die
Kontrolle nun den Ländern zuschiebt, ist ein Zeichen ihrer
Ratlosigkeit und verschleiert die Sinnlosigkeit der Maßnahme. Eine
Kondompflicht lässt sich nicht wirkungsvoll kontrollieren und dient
nur dem guten Gefühl, etwas getan zu haben", kommentiert Izdebski.

Zwangsberatung schreckt ab, Anmeldepflicht stigmatisiert

Der DAH-Vorstand weiter: "Anstelle der zunächst geplanten
ärztlichen Zwangsuntersuchung eine Zwangsberatung zu setzen, macht
nichts besser und führt die Grundsätze von Beratung ad absurdum.
Menschen sind für Beratung offen, wenn sie sich freiwillig dafür
entscheiden. Und wie soll verhindert werden, dass ein Bordellbesitzer
nach seinen Vorstellungen einen Arzt bestimmt, und die Prostituierten
nötigt, diesen aufzusuchen?"

Die Anmeldepflicht birgt die Gefahr, dass Sexarbeiterinnen und
Sexarbeiter stigmatisiert werden. Gegen Menschenhandel ist sie kein
wirksames Mittel, denn eine Anmeldung kann auch unter Zwang erfolgen.

Häufigere Gesundheitsuntersuchungen und Beratungen für
Prostituierte unter 21 sind zwar in der Tat sinnvoll. Zwang ist
jedoch hier besonders kontraproduktiv und kann dazu führen, dass die
jungen Frauen gerade zu Beginn ihrer Tätigkeit lieber illegal
arbeiten. Damit sind sie für Hilfsangebote schwerer erreichbar - in
einer Situation, in der sie tatsächlich besonders gefährdet sind und
Unterstützung benötigen.

Entscheidung gegen fachliche Expertise

Die Deutsche AIDS-Hilfe hat die Verhandlungen in der Koalition
kritisch begleitet. Gemeinsam mit Frauenrechtsorganisationen,
Sozialverbänden und Beratungsstellen für Prostituierte hat sie letzte
Woche in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel,
Frauenministerin Manuela Schwesig und die Vorsitzenden der
Koalitionsfraktionen detailliert gegen die Zwangsmaßnahmen Stellung
bezogen und davor gewarnt, Menschenhandel und Prostitution in einen
Topf zu werfen (http://ots.de/QY4AQ). Menschenhandel lässt sich durch
eine Reglementierung der Prostitution nicht bekämpfen.

"Es ist bedauerlich, dass die Bundesregierung die Expertise dieser
fachlich versierten und in diesem Arbeitsfeld erfahrenen
Organisationen nicht weitergehend berücksichtigt hat", sagt Manuel
Izdebski. "Bei der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen in einem
Gesetzentwurf bestehen aber noch Spielräume, den Schaden möglichst
gering zu halten."

Meldung auf aidshilfe.de: http://ots.de/OulPL

"Prostituierten drohen neue Gefahren" (Pressemitteilung zum Offenen
Brief): http://ots.de/7K0nP



Pressekontakt:
Deutsche AIDS-Hilfe
Holger Wicht
Pressesprecher
Wilhelmstraße 138
10963 Berlin
Tel. 030 - 69 00 87 16
holger.wicht@dah.aidshilfe.de
http://www.aidshilfe.de/
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