Nicht nur in den USA ist nach dem Ausbruch von
Masern in Disneyland in Kalifornien eine Debatte über unzureichenden
Impfschutz entbrannt. Nachdem in Berlin und Sachsen-Anhalt sich
zahlreiche Menschen mit Masern angesteckt haben, sind verpflichtende
Impfungen und niederschwellige Impfangebote wie in Österreich in der
Diskussion. Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel (CDU), Kinderarzt Dr.
Ulrich Fegeler (BVKJ) und Dr. Klaus Schlüter von Sanofi Pasteur MSD
haben gegenüber Pharma Fakten dazu Stellung genommen.
- Impfpflicht als mögliche Konsequenz niedriger Impfquoten
Erwin Rüddel (CDU), Mitglied des Bundesgesundheitsausschusses,
hält an der Zielsetzung, Masern auszurotten fest: "Sie können und
müssen, wie einst die Pocken, ausgerottet werden." Das Ziel sei
jedoch verfehlt worden und fordere jetzt die Politik heraus. Als
hilfreiche Maßnahme gegen künftige Ausbrüche sieht der
Bundespolitiker eine verpflichtende Impfberatung an, die im Entwurf
des Präventionsgesetzes enthalten ist. "Die Politik ist
sensibilisiert", erklärte Rüddel und ergänzte: "Deshalb kommt Impfen
jetzt auch ins Präventionsgesetz." Weitere Konsequenzen schließt der
Gesundheitspolitiker allerdings nicht aus. "Sollte das die Impfquote
nicht über 95 Prozent heben, kann man über eine Verschärfung, bis hin
zu einer Impfplicht für Masern, nachdenken", erklärte er.
- Aufsuchende Impfangebote wie in Österreich
Dr. Klaus Schlüter, Geschäftsführer des Pharmaunternehmens Sanofi
Pasteur MSD, forderte, dass dringend an mehreren Stellschrauben
gedreht werden müsste: "Einmal fehlen in Deutschland verbindliche
Impfziele. Über generelle Aussagen wie: ''Wir müssen die Impfquoten
erhöhen'', kommen wir bisher nicht hinaus. Das ist der erste Fehler.
Der zweite ist, dass es bei uns keine Impfprogramme gibt. Schauen wir
über die Grenze nach Österreich: Dort gibt es so genannte
''aufsuchende'' Impfangebote. Das heißt, die Ärzte kommen aktiv in die
Schule und impfen. Der Vorteil daran: Sie senken die Schwelle, der
Zugang zur Impfung wird erleichtert. Die Eltern werden vorher
befragt, so dass niemand Angst haben muss, sein Kind werde
zwangsgeimpft."
- Impfungen für alle Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen
Dr. Ulrich Fegeler, Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder-
und Jugendärzte (BVKJ), sagte, dass durch konsequentes Impfen
Ausbrüche wie aktuell in Berlin und Sachsen-Anhalt sich verhindern
ließen. Die im Präventionsgesetz vorgesehene verpflichtende
Impfberatung geht dem Mediziner jedoch nicht weit genug. "Es ist zu
wenig, eine verpflichtende Impfberatung nur für Kinder vor dem
Eintritt in den Kindergarten einzuführen. Wir als Berufsverband
fänden es sinnvoll, eine Impfpflicht für alle Kinder einzuführen, die
öffentliche Gemeinschaftseinrichtungen besuchen." In den USA gebe es
bereits die Forderung "no vaccination, no school". "Das wäre auch in
Deutschland sinnvoll", erklärte Fegeler.
Dies durchzusetzen, hält Fegeler jedoch für schwierig. Daher
müssten solche kleine Epidemien wie in Berlin hingenommen werden.
"Weil viele Erwachsene in Deutschland nicht beziehungsweise nicht
ausreichend gegen Masern geimpft sind, kann die Krankheit auf die
entsprechenden Menschen übergreifen", warnte der Mediziner. Vor allem
Schwangere sollten geimpft sein, um den Neststutz für die
neugeborenen Kinder garantieren zu können. Denn: "Eine
Masernerkrankung im ersten Lebensjahr hat möglicherweise stärkere
Auswirkungen als gedacht. Diese sind nicht heilbar und führen zum Tod
des Kindes", betonte Fegeler.
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