fit und munter - Situation für Kinderarzneimittel muss verbessert werden

fit und munter

Situation für Kinderarzneimittel muss verbessert werden


Für ein speziell erforschtes und zugelassenes
Arzneimittel für Kinder wären Eltern bereit, mehr zu zahlen, doch
anderseits würden nur 20 Prozent der Eltern ihr Kind an einer
klinischen Studie teilnehmen lassen. Dies sind wesentliche Ergebnisse
einer aktuellen repräsentativen Umfrage, die der BPI in Auftrag
gegeben hat. Insbesondere die geringe Bereitschaft zur Teilnahme an
Studien, die sich zumeist aus Angst vor neuen Arzneimitteln ergibt,
macht die Erforschung von Kinderarzneimitteln schon im Ansatz
schwierig. Dazu kommen nach Auffassung des Verbandes regulatorische
Hindernisse und Probleme bei der Erstattung. "Fast in allen
europäischen Ländern werden Arzneimittel ausgetauscht, nicht primär
nach medizinischem Sachverstand, sondern oft vor allem unter dem
Kostenaspekt beziehungsweise aus Angst vor Regresszahlungen. Dabei
hat der Arzt im Rahmen seiner Therapiefreiheit durchaus die
Möglichkeit zu entscheiden, ob er tatsächlich ein speziell für die
Pädiatrie weiterentwickeltes Medikament verschreibt oder eine
wirkstoffgleiche Alternative einsetzt, die aber nicht für Kinder
geprüft ist. Auch Rezepturarzneimittel, die man ggf. alternativ
verordnen könnte, bilden unter Umständen eine kostengünstige
Variante. Aber den hohen Anforderungen an geprüfte Qualität,
Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und vor allen Dingen auch die
systematische Erfassung von Nebenwirkungen im Rahmen von
Pharmakovigilanz-Systemen werden diese nicht gerecht" erklärte Dr.
Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender BPI.

Eines ist klar: Die Zahl der in Studien einbezogenen Kinder soll
so gering wie möglich gehalten werden. Dies hat ethische (Studien mit
nicht-einwilligungsfähigen Probanden), klinische (ggf. problematische
Vergleichstherapien) und rechtliche Gründe. Nach Ansicht der EMA
sollen für Kinderarzneimittel auch Daten mit niedrigerem Evidenzgrad
(unkontrollierte Studien, d. h. ohne Vergleichsgruppe) und aus der
Literatur herangezogen werden. Doch bekanntlich wird im Verfahren der
frühen Nutzenbewertung solchen Studien nur geringe Aussagekraft
beigemessen. Dunja Pfeiffer, Leiterin Market Access beim
BPI-Mitgliedsunternehmen Pierre Fabre, sagt dazu: "Im Fall unseres
speziell für die Kinder zugelassenen Wirkstoffes lagen so
hervorragende Ergebnisse aus der einzigen kontrollierten Studie vor,
dass damit sogar die höchste Bewertung erzielt werden konnte.
Erstmals wurde die höchste Nutzenkategorie zugesprochen, allerdings
nur für eine Untergruppe von Patienten. Schon für zwei weitere
Untergruppen konnten aus den oben erwähnten Gründen keine
kontrollierten Studien durchgeführt werden. Die Bewertung für diese
Gruppen war nur auf Basis von Härtefalldaten und unkontrollierten
Studien möglich. Hier bewertete der G-BA ebenfalls positiv, indem er,
gestützt durch Extrapolation der kontrollierten Daten, auch für alle
weiteren betroffenen Patienten einen Zusatznutzen, der allerdings
nicht mehr quantifiziert werden konnte, zugestand. Die vom IQWiG
definierte Methodik sieht dies nicht vor. Dies macht schon sehr
deutlich, welchen Problemen Kinderarzneimittel im jetzigen System
ausgesetzt sind."

"Das System berücksichtigt Kinderarzneimittel nicht wirklich als
besondere Medikamente. Und dies, obwohl von europäischer Seite die
Notwendigkeit von speziellen Kinderzulassungen (PUMA) herausgehoben
wurde. Wir sind der Auffassung, dass die Zulassung als
Kinderarzneimittel schon per se einen gravierenden Zusatznutzen
darstellt, der auch gesetzlich fixiert werden sollte und sich auch in
einem adäquaten Erstattungspreis niederschlagen muss." so Zentgraf.
"Gerade weil die Zustimmung der Eltern schwer zu erreichen ist,
müssen wenigstens die sonstigen Rahmenbedingungen stimmen."

Der BPI fordert deshalb:

1. Ein PUMA-Arzneimittel muss per se einen Zusatznutzen zugesprochen
bekommen, da Produkte aus dem off-label use in ein behördlich
geprüftes, zugelassenes Kinderarzneimittel und mithin eine besondere
Patientengruppe überführt werden.
2. Das Ausmaß des Zusatznutzens ist mindestens als "beträchtlich"
einzustufen.
3. Die Anforderungen an die Dossiers müssen der Wirklichkeit von
PUMAs angepasst werden. Das muss sich in der Verfahrensordnung des
G-BA widerspiegeln.
4. Arzneimittel mit einer PUMA-Zulassung dürfen nicht im
Festbetragsgruppensystem untergehen.
5. Wenn es ein für Kinder zugelassenes Arzneimittel gibt, darf auch
nur dies abgeben werden Der Austausch gegen ein wirkstoffgleiches
Arzneimittel ohne Zulassung für Kinder sollte grundsätzlich verboten
sein.
6. Ebenso muss in diesem Fall der Einsatz von Rezepturarzneimitteln
(Medikamente, die in der Apotheke hergestellt werden) untersagt
werden, da nur das zugelassene Arzneimittel die geprüfte Qualität,
Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und die systematische Pharmakovigilanz
gewährleistet.
7. Falls trotz einer zugelassenen Alternative ein off-label use mit
einem Austauscharzneimittel mit gleichem Wirkstoff zur Anwendung
kommt, sollte die Erstattung unterbleiben. Ein Anreiz für Ärzte, für
Kinder geprüfte und zugelassene Wirkstoffe zu verordnen, wäre eine
Herausnahme von Kinderarzneimitteln aus der
Wirtschaftlichkeitsprüfung der ärztlich verordneten Leistungen.
8. Zur Erhöhung des Anreizes für Hersteller, sich verstärkt in der
Weiterentwicklung bewährter Wirkstoffe speziell für Kinder zu
betätigen, sollte ein durchsetzbarer Daten- und Vermarktungsschutz
analog der für Arzneimittel für seltene Krankheiten ("Orphan Drugs")
gewährten Marktexklusivität ausgestaltet werden.
9. Als Basis für die Preisverhandlungen sollten bestenfalls
europäische Vergleichspreise herangezogen werden, um Herstellern eine
Honorierung der aufgewendeten Forschungs- und Entwicklungskosten zu
gewährleisten.

Die Ergebnisse der Umfrage finden Sie unter www.bpi.de.



Pressekontakt:
Ihr Ansprechpartner: Joachim Odenbach, Tel. 030/27909-131,
jodenbach@bpi.de
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