Sperrfrist: 23.03.2015 00:00
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Ein Jahr nach der offiziellen Bekanntgabe des Ebola-Ausbruchs in
Westafrika hat Ärzte ohne Grenzen eine kritische Analyse der globalen
Bekämpfung der Krankheit veröffentlicht. "Die Ebola-Epidemie hat
schonungslos offengelegt, wie ineffizient und langsam die
internationalen Gesundheits- und Hilfssysteme auf Notfälle
reagieren", sagt Joanne Liu, die internationale Präsidentin von Ärzte
ohne Grenzen. Die Organisation warnt davor, den Ausbruch in
Westafrika vorschnell für beendet zu erklären. Die Zahl der
Neuinfektionen ist zuletzt wieder gestiegen.
Der heute veröffentlichte Bericht mit dem Titel "Pushed to the
limit and beyond" basiert auf Interviews mit zahlreichen Mitarbeitern
von Ärzte ohne Grenzen, die im Ebola-Einsatz waren. Bereits im März
2014 hat Ärzte ohne Grenzen vor einem Ausbruch von beispielloser
geografischer Verbreitung gewarnt, die Regierungen der betroffenen
Länder leugneten den Ausbruch aber zunächst. Der Bericht stellt
detailliert die Auswirkungen der monatelangen "globalen Koalition der
Untätigkeit" lokaler und internationaler Akteure dar. In dieser Zeit
verbreitete sich das Virus völlig unkontrolliert. Ärzte ohne Grenzen
forderte schließlich, sowohl zivile als auch militärische
medizinische Teams zur Bekämpfung biologischer Gefahren nach
Westafrika zu entsenden.
"Der Ebola-Ausbruch wurde oft als ''perfekter Sturm'' bezeichnet:
eine grenzüberschreitende Epidemie in Ländern mit schwachen
Gesundheitssystemen, in denen Ebola bislang unbekannt war", sagt
Christopher Stokes, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in
Belgien, von wo aus die Ebola-Projekte koordiniert wurden. "Doch wer
das als einzige Erklärung gelten lässt, der macht es sich zu einfach.
Dass die Epidemie dermaßen außer Kontrolle geraten konnte, liegt am
Versagen zahlreicher Institutionen. Dieses vermeidbare Versagen hatte
schlimme Konsequenzen."
Angesichts der Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft sah
sich Ärzte ohne Grenzen gezwungen, eine Ebola-Intervention nie
gekannten Ausmaßes zu realisieren. Dennoch war Ende August das größte
Ebola-Behandlungszentrum der Geschichte in Liberias Hauptstadt
Monrovia völlig überfüllt. Die Mitarbeiter mussten schwerkranke
Patienten am Eingang abweisen, in vollem Bewusstsein, dass diese
vermutlich nach Hause gehen und andere anstecken würden. Im Laufe des
vergangenen Jahres waren mehr als 1.300 internationale und 4.000
nationale Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen in Westafrika tätig und
haben dort fast 5.000 Ebola-Patienten versorgt. Mehr als 2.300 dieser
Patienten haben die Krankheit überlebt.
Der Bericht dokumentiert auch selbstkritisch die Herausforderungen
für Ärzte ohne Grenzen sowie schwierige Entscheidungen, die die
Mitarbeiter angesichts mangelnder Ressourcen und fehlender
Behandlungsmöglichkeiten treffen mussten. Innerhalb der Organisation
waren die Erfahrungen mit Ebola auf eine relativ kleine
Expertengruppe beschränkt. Trotzdem hätte sie früher mehr Ressourcen
mobilisieren sollen. Notgedrungen konzentrierten sich die Teams auf
Schadensbegrenzung. Es war unmöglich, alles Nötige gleichzeitig zu
tun. Die Teams mussten zwischen der Patientenversorgung, der
Überwachung der Epidemie, der Organisation sicherer Beerdigungen und
der Präsenz in der Fläche priorisieren. "In den schlimmsten Phasen
des Ausbruchs konnten die Teams von Ärzte ohne Grenzen einfach nicht
mehr Patienten aufnehmen und die bestmögliche Patientenversorgung
nicht gewährleisten", sagt Liu. "Das hat zu erhitzten Debatten und
Spannungen innerhalb der Organisation geführt."
Aktuell ist die Situation weiterhin herausfordernd, noch immer
gibt es jede Woche mehr als 100 Neuinfektionen. Jede einzelne
Kontaktperson eines Ebola-Infizierten muss ausfindig gemacht werden.
Die Zahl der Neuinfektionen pro Woche ist noch immer höher als in
jedem Ausbruch zuvor, und sie ist seit Ende Januar nicht mehr
gesunken.
In Guinea steigt die Zahl der Patienten sogar an. Noch immer gibt
es Misstrauen und Widerstand gegen die Mitarbeiter von
Gesundheitseinrichtungen und Hilfsorganisationen. In Sierra Leone
bestehen weiterhin aktive Ansteckungsherde im Westen des Landes.
Viele der neuen Patienten stehen auf keiner der Listen bekannter
Kontaktpersonen - niemand weiß, wo sie sich angesteckt haben. In
Liberia gibt es seit dem 4. März keinen Ebola-Fall mehr, das Land ist
aber weiterhin in Gefahr, solange das Virus in den Nachbarländern
präsent ist.
In den drei am stärksten betroffenen Ländern haben im vergangenen
Jahr fast 500 Gesundheitsmitarbeiter ihr Leben verloren. Dies ist
umso verheerender, als diese Staaten bereits vor der Ebola-Krise
unter einem gravierenden Personalmangel im Gesundheitssektor litten.
Der Zugang zu Gesundheitsversorgung muss dringend wiederhergestellt
werden.
Entscheidend für die Zukunft ist die Entwicklung einer globalen
Strategie zur Entwicklung von Impfstoffen, Medikamenten und
Diagnostika gegen Ebola. "Diese Epidemie hat brutal ein kollektives
Scheitern aufgezeigt, für das tausende Menschen mit dem Leben bezahlt
haben. Die Mängel reichen von den schwachen Gesundheitssystemen in
den betroffenen Ländern bis zur Lähmung der Hilfe von internationaler
Seite", ist die Schlussfolgerung des Berichts.
Der Bericht "Pushed to the limit and beyond" kann ab Montag unter
folgendem Link heruntergeladen werden: www.msf.de/ein-jahr-ebola
Interviews sind möglich.
Fotos und Videos aus unseren Projekten können unter folgendem Link
heruntergeladen werden:
ftp://fotos:uzetan85@217.110.40.18/2015-ebola-jahrestag (ftp:
217.110.40; Benutzername: fotos; Passwort: uzetan85)
Pressekontakt:
Stefan Dold, stefan.dold@berlin.msf.org, 030 700 130 239; Svenja
Kühnel, svenja.kuehnel@berlin.msf.org, 030 700 130 230;
www.aerzte-ohne-grenzen.de