Der langjährige Lufthansa-Psychologe Reiner Kemmler hält den
Piloten für den gefährlichsten Faktor an Bord. "Der Mensch ist das
größte Risiko in der Luftfahrt. Nur fünf Prozent aller
sicherheitsrelevanten Ereignisse sind auf technische Fehler
zurückzuführen. 15 Prozent der Ereignisse hingegen wurden von
Menschen ausgelöst und an weiteren 69 Prozent waren Menschen
beteiligt", sagte Kemmler in einem Interview mit dem Magazin stern.
Gleichzeitig sei der Mensch aber auch der wichtigste Faktor an Bord.
"Nur er kann unvorhergesehene Probleme bewältigen."
Kemmler hat viele Jahre für die Lufthansa gearbeitet. Er baute
1989 die Abteilung für die psychologische Betreuung von Piloten auf
und saß als Psychologe im Krisenstab der Lufthansa. Seit 2005 ist er
selbstständiger Luftfahrtpsychologe. Im Laufe seiner Karriere
betreute er auch einige Piloten mit Suizid-Gedanken.
Nach Einschätzung von Kemmler kommen psychische Auffälligkeiten
bei Piloten allerdings seltener vor, als beim Rest der Bevölkerung.
"Man kann sagen, bei diesem hoch ausgelesenen Personal liegt die
Quote der psychischen Erkrankungen maximal halb so hoch. Wenn also -
wie geschätzt wird - etwa zehn Prozent der Deutschen irgendwann
einmal unter einer Angsterkrankung leiden, sind es unter den Piloten
maximal fünf Prozent."
Kemmler erklärt im stern warum viele Piloten Angst davor haben,
psychische Probleme zuzugeben. "Eine diagnostizierte endogene
Depression führt in der Regel zum Ausschluss von der Fliegerei. Damit
ist die Laufbahn dann beendet." Deswegen ist er auch skeptisch
gegenüber psychologischen Standard-Tests. "Die Wahrheit ist, dass es
auch mit regelmäßigen Untersuchungen keine hundertprozentige
Sicherheit geben wird. Auf standardisierte Tests kann man sich
vorbereiten und sie auf diese Weise unterlaufen - gerade intelligente
Menschen wie Piloten."
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