Der Ellenbogen ist geschwollen und gerötet, jede Bewegung tut weh. Die Kraft der Hand- und Fingermuskeln lässt nach, das Greifen von Gegenständen ist sehr schwierig und schmerzhaft.
Den Tennisarm gibt es nicht nur bei Tennisspielern. Im Gegenteil: Alle, die häufig bei gebeugtem Ellenbogen gleichförmige Bewegungen ausführen, sind gefährdet. Dazu zählen Handwerker, aber auch Büromenschen, die den ganzen Tag am Computer arbeiten. Privatdozent Dr. Jörn Kircher, Leiter der Schulter- und Ellenbogenchirurgie der Klinik Fleetinsel Hamburg: „Was heute als Tennisellenbogen oder Tennisarm bezeichnet wird, wird nur noch selten durch das Tennisspielen hervorgerufen. Häufig ist eine Überbeanspruchung im Beruf die Ursache, also die ständige Arbeit am Computer mit der Maus. Der Begriff Maus-Arm oder Heimwerker-Ellenbogen wäre somit passender.“
Schätzungen zufolge sind bis zu drei Prozent der Bevölkerung von der Erkrankung betroffen. „Eine körperliche Tätigkeit mit schnellen Wechsel-Drehbewegungen des Unterarms und der Hand - insbesondere mit hoher Griffstärke - erhöht das Risiko“, ergänzt Dr. Kircher. So leiden 20 bis 30 Prozent der ambitionierten Tennisspieler unter den Symptomen.
Nimmt man es medizinisch genau, sind die Schmerzen um einen kleinen Knochenvorsprung, den sogenannten Epicondylus, an der Außenseite des Ellenbogens lokalisiert. Dort setzen über Sehnen die Unterarm- und die daumenseitige Hand- und Fingerstreckmuskulatur an. Sie sind für das Bewegen von Fingern und Handgelenk zuständig. Dr. Kircher: „Führt man ständig mit angewinkeltem Arm ein und denselben Handgriff aus, ist die Durchblutung gestört. Die angespannten Sehnen reiben über den Ellenbogenknochen. Dadurch entstehen winzige Risse. In der Folge kommt es zu einer Entzündung im Gewebe, die schließlich zu Gewebsveränderungen führen kann.“
Es gibt zahlreiche gute Behandlungsmethoden. Dr. Kircher: „Besonders im Frühstadien spricht die Erkrankung sehr gut auf konservative Therapien an. Im Vordergrund steht die Beseitigung der auslösenden Ursachen, wenn diese bekannt sind. Bei Tennisspielern ist dies oft die Veränderung der Griffhaltung und -stärke und allgemein der Schlagtechnik.“
Die besten Therapien
Kortisonspritzen. Injektionen mit entzündungshemmenden und schmerzstillenden Mitteln können die Heilung beschleunigen. Vor allem Kortison wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd. Vorsicht: Mehrfache Gaben können am Ende selbst die Sehnen schädigen.
Kälte. Schmerzen können mit einem Eisbeutel gelindert werden. Durch die Kälte lässt auch die Schwellung nach. Vorsicht: Immer ein Stück Stoff zwischen Haut und Eisbeutel platzieren. Das Eis darf nie direkt auf der Haut liegen.
Ultraschallbehandlung. Durch die von den Ultraschallwellen erzeugte Wärme werden die Muskeln gelockert, die Durchblutung erhöht sich und das Gewebe wird besser mit Nährstoffen versorgt.
Akupunktur. Viele Patienten machen gute Erfahrungen mit Akupunktur. Über die Akupunktur kann zum einen die Spannung der Muskulatur direkt beeinflusst werden, zum anderen kann der Kreislauf Schmerz-Verspannung-Schmerz unterbrochen werden.
Stoßwellentherapie. Bei der Stoßwellentherapie werden hochenergetische Schallwellen auf den schmerzenden Sehnenansatz geleitet. Durch die Wellen können Schmerzen reduziert und die Heilung angeregt werden.
Ruhigstellung. Leichte Schmerzen können von selbst verschwinden, wenn die Betroffenen ihrem Arm die nötige Ruhe gönnen. Auch mögliche Belastungen sollten vermieden werden. Heute empfehlen Orthopäden allerdings, die Ruhephase nicht zu lange dauern zu lassen, um Verkürzungen von Muskeln, Sehnen und Bändern im Bereich des Ellenbogens zu vermeiden.
Physiotherapie. Hat der akute Schmerz nachgelassen, sollte mit Krankengymnastik begonnen werden. Muskeln und Sehen müssen gedehnt, gekräftigt und massiert werden. Motto: Sind die Muskeln rund um den Ellenbogen kräftig, entlasten sie die Sehnen.
Stockmassagen. Auch Stockmassagen haben sich bei einigen Patienten bewährt. Durch kleinste Schläge auf den schmerzhaften Bereich werden die Durchblutung und der Stoffwechsel angeregt. Schädigende Stoffwechselprodukte werden abtransportiert.
Injektionen mit körpereigenen Wachstumsfaktoren. Hierbei werden entzündungshemmende Wachstumsfaktoren und schmerzlindernde Botenstoffe aus dem Blut des Patienten in einer Zentrifuge aufbereitet und isoliert. Anschließend können sie dann in konzentrierter Form direkt an das degenerativ veränderte Sehnengewebe gespritzt werden.
Botulinum Toxin. Die niedrig dosierte Injektion von Botulinumtoxin in den überlasteten Muskel scheint ebenfalls eine wirksame Methode gegen den Tennisarm zu sein. Das Toxin legt Muskeln und Sehnen zwei bis drei Monate lahm, so dass sie sich erholen können. Wenn die Wirkung nachlässt, haben sich in der Regel die Beschwerden verringert oder sind sogar ganz weg.
Epicondylitis-Spange. Die so genannten Epicondylitis-Spangen üben Druck auf die Muskulatur aus und führen zu einer leicht veränderten Zugbeanspruchung am schmerzhaften Sehnenansatz. Eine Epicondylitis-Spange sollte über mehrere Stunden täglich insbesondere bei Belastung getragen werden.
Operation. Es gibt zwei OP-Verfahren:
1. Bei der offenen Operation nach Nirschl werden bestimmte Strecksehnen des Handgelenkes und der Finger über einen etwa drei Zentimeter langen Schnitt vom Knochenansatz am Ellenbogen gelöst, erkranktes Gewebe wird entfernt. Über kleinste Knochenbohrungen wird die Durchblutung und das Einwandern von Stammzellen stimuliert. Danach werden die Sehnen neu vernäht. Dadurch lässt die Spannung nach, die Schmerzen reduzieren sich. Außerdem werden bei dieser Methode schmerzübertragende Nerven der Knochenhaut verödet.
2. Als Alternative gibt es einen arthroskopischen Eingriff, bei dem über winzige Schnitte operiert wird. Dr. Kircher: „Über den kleinen Zugang wird das erkrankte Gewebe eingekerbt und entfernt. Diese Methode ist jedoch nicht für alle Patienten geeignet.“
Interview
„Vorbeugen ist möglich“
Interview mit Privatdozent Dr. Jörn Kircher, Leiter der Schulter- und Ellenbogenchirurgie der Klinik Fleetinsel Hamburg
Wie wird der Tennisellenbogen diagnostiziert?
Dr. Kircher: Basis ist eine körperliche Untersuchung. Bei einem Tennisarm reagiert der Knochenvorsprung an der Außenseite des Ellenbogens auf Druck. Auch die am Ellenbogen ansetzenden Muskeln können schmerzen, wenn die Finger gestreckt werden. Drückt der Patient das Handgelenk gegen einen Widerstand nach oben, verstärken sich die Schmerzen am deutlichsten. Es erfolgen auch bestimmte Nerventests zur Untersuchung der Halswirbelsäule und der Muskulatur. Gegebenenfalls sind apparative Untersuchungen wie Röntgen, Ultraschall und Kernspin-Tomographie angezeigt.
Welche anderen Ursachen kommen für Schmerzen im Ellenbogen in Betracht?
Dr. Kircher: Es können auch Erkrankungen der Halswirbelsäule, Nervenreizungen, Muskelveränderungen oder eine Arthrose im Ellenbogen die Ursache sein.
Kann man einzelne Therapien kombinieren?
Dr. Kircher: Ja, auf jeden Fall. Eine Kombination aus verschiedenen Behandlungsmodalitäten ist in der Regel der Einzeltherapie überlegen.
Wann muss operiert werden?
Dr. Kircher: Bringt die konservative Therapie nicht den gewünschten Erfolg oder liegt ein sehr langwieriger Verlauf von über zwei Jahren vor, ist eine operative Therapie zu empfehlen. Bei Langzeitverläufen entstehen oft auch kleine Sehnendefekte, die konservativ nicht auszuheilen sind.
Welches OP-Verfahren ist am besten?
Dr. Kircher: Der arthroskopische Eingriff ist schonender, weniger risikoreich und deutlich weniger schmerzhaft als das offene Operationsverfahren. Der Patient erholt sich viel schneller von dem Eingriff, ist schneller wieder mobil.
Wie lange muss man nach der OP mit dem Sport pausieren?
Dr. Kircher: Mit dem Tennis oder Golfspielen kann zirka sechs Wochen nach der Operation wieder begonnen werden.
Kann man einen Tennisarm vorbeugen?
Dr. Kircher: Ja, vorbeugen ist möglich. Die Arme bei eventuell erforderlichen Renovierungen oder Umbauten nicht überlasten. Bei Computerarbeit regelmäßig Pausen einlegen und die Muskulatur entspannen. Am besten kleine Bewegungen mit den Fingern und Händen machen.
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Der Ellenbogen
Der Ellenbogen ist ein besonders komplexes Gelenk: Drei Knochen bilden eine funktionelle Einheit. Dazu gehört das untere Ende des Oberarmknochens und die oberen Enden der beiden Unterarmknochen, der Speiche und der Elle. Sie bilden drei Teilgelenke, die in einer gemeinsamen Gelenkkapsel stecken. Die Knochen sind dabei so geformt, dass sie bei jeder Bewegung genau ineinandergreifen. Dadurch wird die Beugung und Streckung des Unterarms als auch die Ein- und Auswärtsdrehung der Hand ermöglicht. Das Ellenbogen-Gelenk ist sehr kongruent, das bedeutet, dass die Flächen sehr genau aufeinander passen und nur wenig Gelenkspiel haben. Der Nachteil dieser Komplexität: Der Ellenbogen ist sehr anfällig für Probleme. Schon kleine Verletzungen können zu starken Bewegungseinbußen führen.