Das Urteil des Landgerichts Göttingen, das nach
einer langen Hauptverhandlung und kontroversen Beweisaufnahme heute
mündlich verkündet und vom Vorsitzenden des Strafkammer mündlich
begründet wurde, kann gegenwärtig noch nicht inhaltlich bewertet
werden. Eine abschließende Stellungnahme zu Ergebnis und Begründung
ist erst möglich, wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen.
Diese allein sind für eine rechtliche Bewertung, u.a. durch das
Revisionsgericht maßgeblich, da nur das schriftliche Urteil das vom
Gericht beratene Ergebnis der Beweisaufnahme und dessen rechtliche
Bewertung rechtsverbindlich dokumentiert.
Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil rechtskräftig wird oder ob
einer der Verfahrensbeteiligten Revision einlegt. Dann wäre der
Bestand des Urteils davon abhängig, wie der zuständige Strafsenat des
Bundesgerichtshofs das Verfahren und die Entscheidung der
Strafkammer bewertet.
Unabhängig davon kommt es für die Bundesärztekammer und die
Ärzteschaft nicht darauf an, ob sich der Angeklagte des Göttinger
Verfahrens strafbar gemacht hat. Darüber zu urteilen ist nicht
Aufgabe der Bundesärztekammer, sondern eine Aufgabe der unabhängigen
Justiz, deren Entscheidungen zu respektieren sind. Die Prüfungs- und
die Überwachungskommission, gemeinsam getragen von Bundesärztekammer,
Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband, haben nach
ihrem gesetzlichen Auftrag die Aufgabe zu überprüfen, ob sich
einzelne Ärzte oder Ärztinnen bzw. Transplantationszentren an die
verbindlichen Richtlinien gehalten haben oder ob sie diese missachtet
oder auf andere Weise verletzt haben. Das war in Göttingen in
gravierender Weise der Fall. Dies zu sanktionieren ist ebenfalls
nicht Aufgabe der Bundesärztekammer, sondern der zuständigen
Landesaufsichtsbehörden.
Die Bundesärztekammer hat 2012 gemeinsam mit der Deutschen
Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband unmittelbar und
nachhaltig auf die Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der
Manipulation von Patientendaten reagiert und damit einige wesentliche
Veränderungen in der Transplantationsmedizin auf den Weg gebracht.
Erst seit der Novelle des Transplantationsgesetzes im August 2012
dürfen die Kommissionen flächendeckende Vor-Ort-Prüfungen in den
Transplantationszentren und Entnahmekrankenhäusern durchführen, deren
Ergebnisse regelmäßig veröffentlicht werden. Überdies wurde die
unabhängige Vertrauensstelle Transplantationsmedizin eingerichtet,
welche die auch anonyme Meldung von Auffälligkeiten und Verstößen
gegen das Transplantationsrecht ermöglicht. Zudem wurde das
sogenannte Mehraugenprinzip bei der Anmeldung von
Wartelisten-Patienten in den Transplantationsrichtlinien verankert.
Dazu sind die Richtlinien der Bundesärztekammer nach § 16 TPG im
Hinblick auf die verpflichtende Einrichtung von interdisziplinären
Transplantationskonferenzen in den Transplantationszentren geändert
worden.
Die Bundesregierung hat jüngst in einem Bericht zur Arbeit der
Kommissionen bestätigt, dass diese sich durch ihre umfassenden
Prüfungen sehr bewährt haben - auch als flexible und extrem
belastbare Kontrollgremien, die den Anforderungen im komplexen und
dynamischen Gebiet der Transplantationsmedizin gerecht werden.
Außerdem stellte sie fest, dass die verstärkten Kontrollen der
Transplantationszentren und Entnahmekrankenhäuser zu mehr Transparenz
beigetragen haben.
"Die nötigen Konsequenzen wurden gezogen", so der Vorsitzende der
Ständigen Kommission Organtransplantation, Prof. Dr. jur. Hans Lilie,
"und die getroffenen Maßnahmen haben längst ihre präventive Wirkung
entfaltet".
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