Ärzte und Patienten wehren sich gegen das vom
Bundesgesundheitsministerium geplante
GKV-"Versorgungsstärkungsgesetz" (VSG). Inzwischen haben rund 250.000
Bürger mit ihrer Unterschrift dem aktuellen Gesetzentwurf eine Absage
erteilt. Das berichtete Wieland Dietrich, Vorsitzender der Freien
Ärzteschaft e. V. (FÄ), heute bei der Pressekonferenz in Berlin.
"25.000 Arztpraxen weniger, stattdessen mehr Medizinische
Versorgungszentren (MVZ) in der Hand von Konzernen und Kommunen - das
wollen die Bürger nicht", betonte Dietrich. Zuvor hatte der Vorstand
des Ärzteverbandes die Unterschriften dem
Bundesgesundheitsministerium übergeben. Mitinitiator der bundesweiten
Aufklärungskampagne ist die Bürger Initiative Gesundheit e. V.
Dietrich machte zudem deutlich, dass das Gesetz nicht nur bürger-
und ärztefeindlich sei, sondern die ambulante Medizin auch erheblich
verteuere. "Öffentliche MVZ sind weniger effektiv als freie Praxen,
kommerziell geführte MVZ müssen Management und Verwaltung finanzieren
und zudem eine Rendite für die Betreiber erwirtschaften. Hinzu kommen
in Kliniken verlagerte ambulante Behandlungen, wie das Gesetz sie
fördern will. Diese kosten dort oft 10- bis 20-mal so viel wie in den
Arztpraxen.
Gesundheitsversorgung wird zur Frage des Geldbeutels
Dr. Thomas Drabinski, Leiter des Instituts für Mikrodaten-Analyse
in Kiel, sieht den Kern des VSG in der Schaffung staatsmedizinischer
Strukturen, die die demografische Veränderung der deutschen
Bevölkerung mit einer Verknappung der medizinischen Infrastruktur
beantworte. "Dies wird ambulante Wartezeiten, Morbidität und
Mortalität ansteigen lassen, eine zeitnahe Gesundheitsversorgung wird
dann auch eine Frage des Geldbeutels sein", stellte Drabinski fest.
"Der Gesetzgeber sollte von den Plänen eines Strukturbruchs Abstand
nehmen und sich verstärkt darauf konzentrieren, wie in den nächsten
zehn Jahren die medizinische Infrastruktur ausgebaut werden kann."
Niederlassung als unkalkulierbares Wagnis
Das Gesetz gehe keine grundlegenden Reformen an und die
Konstruktionsfehler des Ge-sundheitssystems blieben bestehen, sagte
der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dr. Dirk Heinrich. "Die
Budgetierung bleibt festgeschrieben, feste Preise und
Pla-nungssicherheit für niedergelassene Ärzte sind kein Thema. Statt
dessen wird die Niederlas-sung durch einen verpflichtenden Aufkauf in
nummerisch überversorgten Gebieten künftig ein unkalkulierbares
Wagnis mit gravierenden Auswirkungen auf die ambulante Versorgung."
Ein weiterer Eingriff in die ärztliche Freiberuflichkeit sei die
Einführung von sogenannten Terminservicestellen. Das sei reine
Symbolpolitik und werde die Versorgungsengpässe bei Fachärzten nicht
beheben. "Statt über geeignete Wege zur Steuerung der Patientenströme
nachzudenken", monierte Heinrich, "würden der ambulanten Versorgung
mit dem Gesetz Kapazitäten entzogen. Das passt vorn und hinten nicht
zusammen."
Arzt steht im Dienst des Patienten
Die Bürger Initiative Gesundheit e. V. kritisierte, dass die
Gesundheitspolitik gegen die Verfassung verstoße. Nach einem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2002 "steht der Arzt
zuerst im Dienste des konkreten Patienten in dessen Not und darf sich
aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht über anerkanntes Fachwissen
und feste Standards der Medizin zum Nachteil des Patienten
hinwegsetzen." Die Realität sei jedoch eine andere: Fallpauschalen
sowie die Orientierung auf Rabatt und niedrigen Preis bei
Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln reduzierten den Einsatz von
anerkanntem Fachwissen und minderten die Behandlungsqualität.
Budgetierung und Regressandrohungen in der ambulanten Medizin sowie
Zeitvorgaben für die Pflege machten den Bürger zu einem
Rechnungsposten und reduzierten seine Lebensqualität. Die Initiative
fordert daher den sofortigen Stopp der stringenten Ausrichtung des
Gesundheitswesens auf Wirtschaftlichkeit. Die medizinische Betreuung
der Bürger müsse auf der Grundlage anerkannten medizinischen
Fachwissens erfolgen.
Patientendaten sind "Gold des Jahrhunderts"
Allerdings sei das "Versorgungsstärkungsgesetz" nur eines von
vielen Gesetzen, mit denen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe
(CDU) die Medizinlandschaft in Deutschland umpflügen wolle, betonte
Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft. "Mit dem
E-Health-Gesetz will der Minister Ärzte und Patienten unter Druck
setzen, um das stockende Projekt elektronische Gesundheitskarte (eGK)
zu beschleunigen. Die Medizinindustrie hingegen darf sich auf
lukrative Geschäfte mit Patientendaten freuen - Medizindaten werden
jetzt schon als das ''Gold unseres Jahrhunderts'' bezeichnet." Dabei
bräuchten die Patienten in Deutschland etwas ganz anderes: Ärzte vor
Ort, mehr Zeit, Zuwendung, ein geschütztes Vertrauensverhältnis und
dauerhaften Schutz ihrer Daten.
Die ausführlichen Statements der Referenten finden Sie als
PDF-Dokument im Anhang.
Über die Freie Ärzteschaft e.V. Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ)
ist ein Verband, der den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er
wurde 2004 gegründet und zählt heute mehr als 2.000 Mitglieder:
vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene
Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich,
Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei
der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche
Schweigepflicht gewahrt bleibt.
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V .i. S. d. P.: Wieland Dietrich, Freie Ärzteschaft e. V.,
Vorsitzender, Gervinusstraße 10, 45144 Essen,
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