Über 500 Menschen sind am gestrigen Donnerstag der
Einladung des Deutschen Ethikrates zu seiner Jahrestagung nach Berlin
gefolgt, um über "Die Vermessung des Menschen - Big Data und
Gesundheit" zu diskutieren. Zu den Rednern gehörte auch der
EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft Günther
Oettinger.
Die Sammlung und Speicherung von Daten, die Verknüpfung
unterschiedlicher Datensätze sowie ihre Nutzung und Anwendung
versprechen große Fortschritte in der Medizin, bringen aber auch
ethische und rechtliche Herausforderungen mit sich.
"Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Menschen sich
durch biologisierte und numerifizierte Selbstwahrnehmung und
Lebensführung sowie durch datengetriebenen Effizienzhype und
Optimierungswahn nicht hinter sich lassen, sondern in einem erfüllten
Leben zu sich und zueinander kommen", appellierte die Vorsitzende des
Deutschen Ethikrates Christiane Woopen zu Beginn der Jahrestagung.
Die wissenschaftstheoretischen Grundlagen, die
gesellschaftspolitische Perspektive sowie ethische und
datenschutzrechtliche Erwägungen standen im Mittelpunkt der Vorträge
am Vormittag. Der stellvertretende Vorsitzende Peter Dabrock äußerte
die Befürchtung, dass ohne eine möglichst internationale Regulierung
die quantitative Verdichtung von Big-Data-getriebenen Prognosen zu
einem qualitativen Verlust von Freiheit führen könne, der jedoch als
Steigerung der Selbstbestimmung verkauft werde.
Unter den Referenten herrschte weitgehend Einigkeit, dass es
dringend einer gesellschaftlichen Debatte sowohl über den Nutzen und
die Chancen als auch die Defizite und Risiken bedarf, die sich aus
der Verfügbarkeit umfassender Datensätze gerade in medizinischem
Kontext ergeben.
EU-Kommissar Günther Oettinger stellte in seiner Keynote fest:
"Wenn man die gesamte Wertschöpfungskette durchgeht, haben wir
Europäer zu wenig digitale Souveränität, zu wenig digitale Autorität
und zu viel digitalen Import." Er betonte die Bedeutung einer
europäischen Digital-Union und stellte die baldige Verabschiedung der
Datenschutz-Grundverordnung in Aussicht. Er lud den Deutschen
Ethikrat ein, die Debatte auch auf europäischer Ebene mitzugestalten.
Am Nachmittag diskutierten die Tagungsteilnehmer drei
Schwerpunktthemen in parallelen Foren zu den Themen "Life-Logging und
Selbstvermessung", "Forschung im offenen Datenmeer" und "Der Patient
als Datensatz".
Die Ergebnisse der Foren wurden in einer abschließenden
Podiumsrunde zum Thema "Big Data = Big Health?" vertiefend
diskutiert.
Im Schlusswort erklärte Ratsmitglied Katrin Amunts, der Deutsche
Ethikrat sehe sich durch die Ergebnisse der Tagung in seiner Absicht
bestärkt, die ethischen und anderen normativen Fragen des Themas in
einer Stellungnahme weiter zu vertiefen.
Das Programm der Veranstaltung sowie in Kürze auch die Vorträge
und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer können unter
http://ots.de/xe4ve abgerufen werden.
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Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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