Ob beim Joggen, Walken, Fußball oder Volleyball - der Unfallmechanismus ist fast immer gleich: Der Fuß knickt um. Das Sprunggelenk, das den Fuß mit dem Unterschenkel verbindet, ist verstaucht. Auch im Alltag kann man leicht stolpern. Schuhe mit hohen Absätzen begünstigen das Umknicken.
Typische Symptome: Der Knöchel schmerzt höllisch, ein Auftreten ist kaum mehr möglich. Oft schwillt das Gelenk stark an. Durch einen Bluterguss kann eine blau-rote Verfärbung entstehen.
Dr. Konrad Scheuerer, Orthopäde der OrthoPraxis in Gräfelfing: „Das Ausmaß der Schädigung hängt von der Stärke der Gewalteinwirkung ab. Bei leichteren Verstauchungen werden die kollagenen Fasern eines Bandes des Sprunggelenks lediglich überdehnt. Im Idealfall kehren die Gelenkstrukturen anschließend in ihren Ausgangszustand zurück. Bei starker Überdehnung kann es zum teilweisen oder gar kompletten Riss der Gelenkkapsel und der Bänder kommen.“
Nur ein Arzt kann eine Bänderzerrung oder einen -riss korrekt diagnostizieren. „Bei der körperlichen Untersuchung überprüft der Arzt unter anderem die Beweglichkeit des Gelenks. Typisch für einen Bänderriss ist ein vergrößertes Gelenkspiel“, erläutert Dr. Scheuerer. Zusätzlich wird häufig eine Röntgenaufnahme des Sprunggelenks angefertigt, um einen Knochenbruch auszuschließen.
Mediziner unterscheiden drei Schweregrade von Verstauchungen (Distorsionen):
Grad 1: leichte Distorsion. Eine Überdehnung der Bänder liegt vor. Geringe Schmerzen sowie eine minimale Schwellung sind vorhanden. Das Sprunggelenk kann vollständig belastet werden und ist kaum funktionell eingeschränkt.
Grad 2 (mittelschwere Distorsion). Eine starke Überdehnung sowie ein Teilriss eines oder mehrerer Bänder sind die typischen Merkmale. Die Schmerzen sind stark. Das Gelenk ist geschwollen und kann nicht belastet werden.
Grad 3 (schwere Distorsion): Hier liegt ein Riss eines oder mehrerer Bänder vor. Die Schmerzen sind weniger stark, dafür liegen eine heftige Schwellung sowie ein Bluterguss vor. Das Gelenk funktioniert nur noch eingeschränkt und kann nicht belastet werden.
Besonders bei geringen Schmerzen sieht der Betroffene oft nicht die Notwendigkeit zum Arzt zu gehen. „Die Verletzung des Sprunggelenks wird leider oft bagatellisiert“, kritisiert Dr. Scheuerer. Ein klarer Fehler, wie Untersuchungen zeigen: Bis zu 40 Prozent der Patienten mit Sprunggelenks-Verletzungen klagen auch drei Jahre nach der Verletzung noch über chronische Beschwerden. Sie haben dauerhaft Schmerzen oder können sich nicht mehr so bewegen wie früher.
Dr. Scheuerer: „Der Betroffene sollte sich bei einer Verstauchung das Sprunggelenk immer vom Arzt untersuchen lassen, um das Ausmaß der Verletzung festzustellen. Denn die Stärke der Schmerzen sagt nicht unbedingt etwas über die Schwere der Verletzung aus. Ein gezerrtes Band kann manchmal sogar mehr wehtun als ein Riss.“ Oft wird nicht einmal kurzzeitig eine Schiene angelegt, um das Gelenk zu schonen. Viele Patienten belasten dann das Gelenk viel zu früh. Bleibende Gelenkprobleme drohen. Die Folge: Kann das zerrissene Band schlecht ausheilen, bleibt das Gelenk im schlimmsten Fall dauerhaft instabil. Der Betroffene knickt immer wieder um. Das Risiko für eine erneuerte Bandverletzung ist damit sehr hoch. Noch schlimmer: In einem instabilen Gelenk kann durch eine dauerhafte Fehlbelastung ein Gelenkverschleiß (Arthrose) entstehen.
Die gute Nachricht: Die überwiegende Zahl der Sprunggelenksverletzungen ist erfolgreich konservativ zu behandeln.
Im Idealfall sieht die Behandlung folgendermaßen aus:
● Im Akutfall wird die PECH-Regel (P=Pause, E=Eis, C= C(K)ompression, H= Hochlagerung) angewendet. Das Sprunggelenk muss sofort geschont werden. Um Schmerzen zu reduzieren und einen größeren Bluterguss zu vermeiden, sollte das Gelenk gekühlt werden. Ein leicht komprimierender Verband schützt und stützt die verletzten Strukturen. Zusätzlich empfiehlt es sich, den Fuß hoch zu lagern.
● Bei Riss eines Bandes sollte für etwa sechs Wochen lang eine Schiene getragen werden. Sie verhindert, dass der Fuß erneut umknickt. Dr. Scheuerer: „In dieser Phase repariert der Körper die verletzte Stelle, damit das Sprunggelenk Alltagsbelastungen standhält.“
● Je nach Ausmaß der Verletzung sollte nach einer oder zwei Wochen mit Physiotherapie begonnen werden. Diese Therapie vermeidet Muskel-Abbau und Verklebungen in der Heilungsphase.
● In der vierten bis sechsten Woche kann die Belastung zunehmen. In dieser Phase festigt sich die Narbe und passt sich den später erwünschten Belastungen an. „Es ist wichtig mit dem Physiotherapeuten zu besprechen, wie stark die Belastung auf das Sprunggelenk grundsätzlich sein soll. Das muss geübt werden“, sagt Dr. Scheuerer. Der Patient sollte zuhause auch die Übungen machen.
● Mit vorsichtiger sportlicher Belastung kann man frühestens nach sechs Wochen starten.
Eine Operation ist bei einem Bänderriss nur selten notwendig. „Eine Operation kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn mehrere Bänder verletzt sind und das Gelenk sehr instabil ist. Sind Knorpel und Knochen mit verletzt, ist eine Operation unausweichlich“, sagt Dr. Scheuerer.
Bei dem chirurgischen Eingriff werden die Bänder genäht und eventuell mit abgerissene Knochen- oder Knorpelteile mit Schrauben und/oder Platten befestigt. Sind die Bänder sehr stark beschädigt, können sie durch körpereigene Sehnen ersetzt werden.