Kommen Kinder in der Schule nicht gut mit, ist
das für die meisten Eltern ein Alarmsignal. Oft führen sie oder die
Lehrer dies auf eine Konzentrationsschwäche zurück. Die wenigsten
Kinder und Jugendlichen haben eine organisch bedingte
Konzentrationsschwäche. "Oft liegen andere Gründe vor, die sich nach
außen durch fehlende Aufmerksamkeit zeigen. Die wahren Ursachen
finden und behandeln wir mit dem Gruppenkonzept ''Ich bin stark'' für
sechs- bis zwölfjährige Kinder.", berichtet Sara Hiebl,
Ergotherapeutin im DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.).
Die erzielten Erfolge sprechen für sich und für ein Ausdehnen auf
weitere Altersgruppen.
Kinder haben es nicht einfach. Der gesellschaftliche
Konkurrenzkampf überträgt sich schon früh auf sie und vielen gelingt
es nicht mehr, sich selbst und ihr Können wertzuschätzen. In der
Schule nehmen Leistungsdruck und Wettbewerb weiter zu: In der dritten
Klasse die Entscheidung, ob sie es auf das Gymnasium schaffen; dort
Schnelligkeit und Verdichtung, insbesondere durch G8. Das bleibt
nicht ohne Auswirkungen und spiegelt sich im Verhalten der Kinder.
Die, die laut und aggressiv sind, machen durch auffällige
Verhaltensweisen auf sich aufmerksam. Aber noch mehr muss man auf die
achten, die das genaue Gegenteil sind: leise, in sich gekehrt oder
schüchtern. "Die Bandbreite der Verhaltensprobleme und emotionalen
Schwierigkeiten, die eine fehlende Konzentration bewirken, ist
groß.", beschreibt die Ergotherapeutin Hiebl ihre kleinen Klienten,
die beispielsweise aufgrund ihrer sozialen Schwierigkeiten ihre
Meinung nicht vertreten können. Oder sich nicht trauen, um Hilfe zu
fragen und dann in der Schule sitzen und nicht Bescheid wissen. Sie
melden sich nicht, können nicht einfordern, was sie brauchen oder
wissen müssen. Das führt dann in der Schule ebenso wie zu Hause zu
immensen Belastungen. Die Kinder sitzen stundenlang an den
Hausaufgaben, können sich nicht selbst organisieren und sind
struktur- und planlos unterwegs.
Praxisbezogenes ergotherapeutisches Konzept:
Speziell zur Behandlung dieser Kinder hat die Ergotherapeutin Sara
Hiebl zusammen mit ihrer Kollegin Mona Münchsmeier das Konzept ''Ich
bin stark'' entwickelt. "Unser Ziel war, ein ergotherapeutisches
Konzept zu kreieren, das ebenso die kognitiven wie die emotionalen
und sozialen Fertigkeiten verbessert und im Alltag greift.",
erläutert sie die Idee. In die Praxis umgesetzt sieht das so aus: Vor
der Gruppentherapie steht die Einzeltherapie und dabei verschaffen
sich die Ergotherapeuten als erstes gemeinsam mit den Eltern einen
Einblick in die Verhaltensweisen des Kindes und die familiäre
Situation, die zum Beispiel wegen einer Trennung oder eines Umzugs
nicht selten eine der Ursachen für die Probleme ist. Ein weiterer,
wichtiger Aspekt, den sie - und das ist kennzeichnend für die
Ergotherapie - erfragen, ist: Was wünschen sich die Eltern? Oft geht
es darum, das Selbstbewusstsein zu stärken und die Konfliktfähigkeit
zu verbessern. Oder dass das Kind lernt, auf Erwachsene, wie zum
Beispiel die Lehrer, zuzugehen. In der Ergotherapie geht es immer
darum, alle Sichtweisen zu haben. Daher befassen sich die
Ergotherapeuten ebenso intensiv mit dem Kind, finden dessen Wünsche
und Ziele heraus.
Ergotherapie Stärkt Kindern den Rücken...
Die Kinder wissen ganz genau, woran es krankt, können sehr gut
differenzieren, ob es ihnen wichtiger ist, weniger Streit zu haben
und Freunde zu finden. Oder sich mehr zuzutrauen und sich im
Unterricht zu melden, vielleicht schneller zu werden. Nach mindestens
sechs Einzelstunden in der Ergotherapie können die Kinder in eine
Gruppe aufgenommen werden. Bis dahin heißt es, ihnen den Rücken zu
stärken und sie zu stabilisieren. In enger Kooperation mit den
Eltern, die ebenfalls klare Verhaltensregeln und -alternativen für
Zuhause erlernen, arbeiten die Ergotherapeuten konsequent daran, das
Selbstvertrauen zu festigen und ermöglichen, dass sich das Kind
positiv erfährt und wahrnimmt.
...steigert ihre sozialen Fähigkeiten und verbessert ihr Verhalten
Läuft es zuhause erst einmal entspannter, kann das Kind - sofern
seine Gruppenfähigkeit festgestellt wurde - mit anderen zusammen an
seinen sozialen, emotionalen und kognitiven Fähigkeiten arbeiten. Das
Konzept ''Ich bin stark'' sieht vor, eine alters- und themen-homogene
Gruppe aus fünf Kindern und zwei Ergotherapeuten zu bilden. "So ist
immer gewährleistet, dass die Gruppe gemeinsam an den zuvor
besprochenen Zielen für die Ergotherapie-Stunde arbeitet, selbst wenn
einer ausbricht. Der zweite Ergoherapeut kann dann direkt in der
Situation die Beziehungsarbeit leisten und das (negative) Verhalten
des Kindes spiegeln, mit "Daumen rauf oder runter" oder mit einem
entsprechenden Smiley. Und dann mit ihm ein alternatives Verhalten
erarbeiten.", so die mit Kindern erfahrene Ergotherapeutin Hiebl. Das
ist wichtig, wenn später die Kinder gemeinsam reflektieren: Was hat
heute gut geklappt, wo habe ich mich angestrengt, welche Stärken habe
ich eingebracht? Damit bekommen sie eine andere Definition von
Leistung, weil sie sehen, dass sie durchaus etwas können. Ebenfalls
besprechen sie, was sie sich für die nächste Stunde wünschen, was die
Eltern, was die Lehrer von ihnen erwarten.
Typisch Ergotherapie: alle einbeziehen und mitnehmen führt zum
Erfolg
Indem sie alle Personen aus dem Umfeld einbeziehen, schaffen es
Ergotherapeuten, eine Verknüpfung und transparente Kommunikation,
auch mit den Lehrern, herbeizuführen; die Unterstützung aus dem
Elternhaus ist dabei besonders wichtig und ein Schutzfaktor für die
Kinder. Klappt in der Gruppe oder im Alltag etwas noch nicht so gut,
überlegen die Kinder gemeinsam, welche Strategien und
Verhaltensweisen zielführend sein können. "Sie geben sich sogar
untereinander Tipps.", freut sich Ergotherapeutin Sara Hiebl ganz
besonders über diesen Effekt. Denn das, was sie sich für die anderen
überlegen, wenden sie in der Regel auch für sich selbst an. Und oft
sogar bei Themen, die nicht in der Ergotherapie besprochen wurden.
Die Strategiegrundprinzipien des Coachings funktionieren mit den
Kindern hervorragend: Wenn sie einen Weg als einen wirksamen erkennen
und zusätzlich positives Feedback bekommen, was bekanntlich den
Lernprozess verstärkt, dann machen sie ein allgemeines Verhalten
daraus. Sie melden sich im Unterricht, auch wenn das nicht als Thema
oder Wunsch vereinbart war oder übernehmen von sich aus Aufgaben im
Haushalt.
Informationen zu den Behandlungsfeldern der Ergotherapie erhalten
Interessierte bei den Ergotherapeuten vor Ort; diese sind über die
Therapeutensuche im Navigationspunkt "Service" des DVE (Deutscher
Verband der Ergotherapeuten e.V.) auf www.dve.info zu finden.
Pressekontakt:
Angelika Reinecke, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit des DVE e.V.
Telefon: 033203 - 80026, E-Mail: a.reinecke@dve.info