Berlin (20.10.2009). Neue Wirkstoffe zur topisch-antiviralen Prophylaxe und Therapie von Grippe könnten drängende Probleme lindern, die sich heute im Rahmen der Bekämpfung von saisonaler Influenza oder von Grippe-Pandemie stellen, führte Prof. Dr. Oliver Planz vom Friedrich Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, in Tübingen bei einem Kongress der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen in Berlin aus (1). Bei der Suche nach geeigneten Wirkstoffen kann – wie im Falle von Cistus incanus ssp. Pandalis (graubehaarte Zistrose) – auf langjährige Erfahrungen der Volksmedizin zurückgegriffen werden. Oder es kann mit modernen In-silico-Techniken unter Verwendung von großen Naturstoff-Datenbanken nach Pflanzenextrakten gesucht werden, die zur Blockade von Viren-Rezeptoren passende pharmakophore Molekülbestandteile enthalten, wie Dr. Michaela Schmidtke von der Universität Jena ausführte.
Mit solchen Techniken konnten an den Universitäten Jena und Innsbruck bereits mehrere Pflanzen identifiziert werden, die in vitro eine gegen die virale Neuraminidase von Influenzaviren gerichtete Aktivität entfalten (zum Beispiel Semen alpiniae katsumadai, Cao Dou Kou, ein Bestandteil der chinesischen Pharmakopoe). Von dem speziellen Zistrosen-Pflanzenextrakt Cystus052, so stellte Planz fest, wurde diese antivirale Aktivität gegen zahlreiche mikrobielle Pathogene einschließlich der aktuellen Influenzaviren (Schweinegrippe, Vogelgrippe, wesentliche Subtypen) bereits ausführlich in vitro und in vivo dokumentiert. Bestechend ist, so Planz weiter, dass dabei die Wirksamkeit von Cystus052 im Vergleich zum Neuraminidasehemmer Oseltamivir um Zehnerpotenzen höher liegt und zudem keinerlei Resistenzen gegen den Pflanzenextrakt auftreten.
Eine von einer Arbeitsgruppe der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführte und aktuell publizierte, randomisierte, placebokontrollierte Studie zur klinischen Anwendung von Cystus052 zeigte deutlich auch die therapeutische Effizienz des antiviralen Pflanzenextraktes (2). Der natürliche Virenhemmer, als Lutschtablette (Cystus 052 Infektblocker®, apothekenexklusiv, PZN 5129721) ab Erkrankungsbeginn eingesetzt, verringerte nicht nur signifikant die Erkrankungsdauer und die Beschwerden der akuten Atemwegserkrankung, so Prof. Dr. Dr. Holger Kiesewetter, Berlin, sondern besserte auch schneller als Placebo etliche Entzündungsparameter (vor allem CRP). Bei rund 20% der 160 in die Studie eingeschlossenen Patienten wurden im Rachenabstrich Influenzaviren als Ursache der Infektionskrankheit nachgewiesen. Auch hier führte die Verumbehandlung zu einer deutlich rascheren Besserung der Symptomatik als das Placebo. Dass der natürliche Virenhemmer auch therapeutisch wirksam ist, wird mit der wirkstoffbedingten Hemmung der weiteren Virusausbreitung nach der Primärinfektion erklärt. Anders als die Anwendung von Neuraminidasehemmern ist diese, durch hochpolymere Polyphenole des Pflanzenextraktes bedingte Viren-Inaktivierung jedoch nicht spezifisch gegen die Influenza-Neuraminidase gerichtet, so Planz, sondern beruht auf einer unspezifischen, rein physikalisch bedingten Virenblockade.
(1) Nationale Forschungsplattform für Zoonosen (International Workshop): Novel strategies to fight respiratory viral diseases. Berlin, 12.-13. Oktober 2009.
(2) Kalus U, Grigrorov A, Kadecki O, Jansen JP, Kiesewetter H, Radtke H: Cistus incanus (Cystus052) for Treating Patients with Infection of the Upper Respiratory Tract A prospective, randomised, placebo controlled clinical study. Antiviral Res. 2009 Oct 11 (DOI: 10.1016/j.antiviral.2009.10.001).