fit und munter - Ein mitfühlender Gefährte für Sterbende sein - ein Interview mit dem Experten un

fit und munter

Ein mitfühlender Gefährte für Sterbende sein - ein Interview mit dem Experten un


Frank Ostaseski ist Gründer und Leiter des Zen Hospiz Projektes in San Francisco, des ersten buddhistischen Hospizes in den USA. Darüberhinaus leitet er das "Institute on dying", das sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen mit Vorträg
Seit nahezu 20 Jahren begleitet er Sterbende. Darüber hinaus arbeitet er als Berater für medizinische Einrichtungen und Gesundheitsorganisationen. In regelmäßigen Abständen stellt er die Grundsätze seiner Arbeit auch in Deutschland vor.



Die Akademie PANTA RHEI ist eine international agierende Akademie, die Ausbildungen, Weiterbildungen und Schulungen zum neuen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer anbietet. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt im Bereich der spirituellen Sterbebegleitung.

In seinen Seminaren vermittelt Frank Ostaseski die Grundsätze der Arbeit, die am Zen-Hospiz in San Francisco praktiziert wird. Die wesentlichen Leitlinien sowie seine ganz persönlichen Erfahrungen als Schwerstkranker stellt im Seminar am 7. November 2009 in Gräfelfing vor (von 10 bis 19 Uhr) . Am. 6. November 2009 hält er ab 19.30 Uhr einen Vortrag.

Eintritt für den Vortrag 25,- Euro
Eintritt für das Seminar 119,- Euro

Veranstaltungsort:
Bürgerhaus Gräfelfing
Bahnhofplatz 1
82166 Gräfelfing bei München
www.buergerhaus-graefelfing.de

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Gudrun Huber, Leiterin der Akademie PANTA RHEI für einen neuen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer, im Gespräch mit Frank Ostaseski


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FRAGE:
Frank, Sie hatten letztes Jahr einen schwere Herzoperation und sind glücklicherweise wieder genesen. Wie ist es Ihnen seither ergangen und wie geht es Ihnen heute?

ANTWORT:
Ich fühle mich kräftiger, die Reise nach Deutschland jedoch wird eine Art "Jungfernfahrt". Es ist meine erste Vortragsreihe seit meinen beiden Infarkten. Diese Erfahrung hat mich sehr demütig gemacht und war eine beeindruckende Lektion zum Thema Verletzlichkeit, die aus Sicht eines Patienten eine ganz andere Geschichte ist.

Eines wurde mit aus dieser Perspektive glasklar: Wie sehr unsere Pfleger/innen leiden. Ich musste weinen, als ich sah, wie sehr Schwestern und Ärzte, Menschen mit einem gütigen Herzen, so nah an ihrer eigenen Angst sind. Sie waren erbarmungslos von ihren unrealistischen Erwartungen an die Systeme getrieben, in denen sie arbeiten.
Sie verwendeten nutzlose Schutzstrategie, beispielsweies das Ignorieren dessen, was in dieser Situation am meisten schmerzt. In diesem Verlauf verloren sie den Kontakt zu ihren mitfühlenden Herzen und begegneten oft ihrem eigenen Schmerz und ihrer Entfremdung mit Zurückweisung statt mit Liebe.


FRAGE:
Sterbende begleiten- Frank, lautet der Titel Ihres Seminares in München.
Was wird der Kernpunkt oder die Essenz dieses Seminares sein?

ANTWORT:
Ich wünsche mir Dialog und regen Austausch mit den Teilnehmer/innen. Ich hoffe, daß wir die Innigkeit des Mitgefühls und seine Beziehung zum Leiden erkunden. Wahres Mitgefühl ist die Fähigkeit, einfühlsam zu sein, eine Fähigkeit, die in jedem von uns steckt.
Es ist die spontane Antwort und Führung auf unser Sein in Bezug auf die Angst und das Leiden, dem wir alle begegnen. Um Mitgefühl zu kennen, müssen wir bereit sein, in Kontakt mit dem zu gehen, was schmerzt. Angst und Leiden lädt ein, sein Mitgefühl zu bekunden.

Es ist wichtig zu verstehen, daß wir dies bereits alles wissen. Wir haben es alle in den Knochen. Fürsorge ist ein natürlicher Ausdruck für unser Sein, für unsere Menschlichkeit.


FRAGE:
Beim Thema Sterben und Tod geraten wir an unsere Verlusterfahrungen, an Begrenzungen, an unsere eigene Trauer, an verlorene Beziehungen. Wie können wir lernen mit diesen Erfahrungen umzugehen?


ANTWORTEN:
Während meines Rekonvaleszenzjahres lernte ich den Wert von Verletzlichkeit zu schätzen. In den ersten Wochen nach meiner Operation war ich vollständig von anderen abhängig. Ich fühlte mich schwach und zerbrechlich. Allmählich verstand in, daß Zerbrechlichkeit eigentlich Verletzlichkeit ist. Und je mehr ich mir erlaubte, verletzlich zu sein, desto mehr verschleierte dies den Kontakt zwischen mir selbst und den anderen. Als diese Widerstände wegfielen, fühlte ich mich transparenter, vollständig offen.

Nach meiner Operation rief mich ein sehr berühmter tibetischer Lehrer an und wünscht mir alles Gute. Ich wußte, daß auch er Herzprobleme hatte und so fragte ich ihn, wie er mit seiner Situation und all den Umständen umging - mit der Dramatik, der Verwirrung, der Unsicherheit, der Schönheit. Er sagt schlicht ":.. nun, es ist gut, ein Herz zu haben... und wenn wir eines haben, sollten wir damit rechnen, das es Probleme haben wird." - Dann lachte er und erinnerte mich daran, zu bleiben.

Ich dachte bei mir, er hat recht. Es ist wahr. Alle Herzen werden Probleme haben. Alle Wesen werden leiden. Wir tun gut daran, diese Wahrheit zu akzeptieren. Als Pfleger/in, als Menschen - wir tun gut daran, diese Wahrheit zu akzeptieren. Wenn da kein Platz in unserem Herzen ist, an dem wir leiden können, wenn wir dauernd versuchen, es zu verdrängen, dann können wir daraus nicht lernen. Doch wenn wir das nicht lernen, können wir anderen kaum wirkliche Hilfe und echten Beistand geben.

FRAGE:
Sie sprechen auch immer wieder von zentralen Elementen in der Haltung des Begleitens von Sterbenden. Welche sind dies?

ANTWORT:
Ich habe drei Haupteigenschaften für Pfleger/innen gefunden, die wesentlich sind, um wirklich eine Hilfe oder spirituelle Unterstützung bieten zu können.

Erstens die Fähigkeit, mitfühlend präsent zu sein, wenn jemand leidet.
Zweitens die Bereitschaft, uns selbst und andere aus den Begrenzungen zugewiesener Rollen zu entlassen.
Drittens, ein tiefes Vertrauen in den Sterbeprozess und das unerschütterliche Vertrauen, daß wir mehr sind als das abgesonderte Selbst, das wir uns selbst zugesprochen haben.


FRAGE:
Frank, nach den vielen Jahren der Sterbebegleitung, was ist Ihre zentralste Erfahrung die Sie mit Sterbenden im Augenblick des Todes gemacht haben?

ANTWORT:
Menschen haben alle Arten von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Erfahrungen. Dennoch gibt es zwei Fragen, die für Menschen, die im Sterben liegen, am wichtigsten zu sein scheinen: "Werde ich geliebt?" und "Habe ich meine Liebe gut gegeben?"

Meine aktuelle Organisation wurde Metta Institut getauft. "Metta" ist ein alter Begriff aus dem Buddhismus (PALI), Liebenswürdigkeit und Güte bdeutet, Freundlichkeit, Wohlwollen. Es ist ein starker Wunsch für das Wohlergehen und das Glück der anderen. Wir haben diesen Namen ausgewählt, weil wir glauben, daß er die wesentliche menschliche Qualität ausdrückt, die dem Leben derer, die im Sterben liegen, und den Pfleger/innen segensreich ist.


FRAGE:
Halten Sie es für möglich, dass diese Erfahrung jeder Begleiter machen kann? - und was ist aus Ihrer Sicht dafür nötig?

ANTWORT:
In den letzten Jahrzehnten haben wir die Sterbebegleitung unnötig kompliziert gemacht. Wir sind dazu übergegangen, diesen bemerkenswert innigen Austausch als Last zu beschreiben, als Verpflichtung, als Pflicht. Wir haben alles überprofessionalisiert und den Prozess auch mystifiziert. Während wir das taten, haben wir zeitweilig die Verbindung mit der Fülle unseres Edelmutes verloren... zweifelten an unserer inneren Weisheit und unserem Mitgefühl. Wir können unserer Güte voll und ganz vertrauen.


FRAGE:
Was sind die grundlegendsten Eigenschaften über die ein professioneller oder ausgebildeter Sterbebegleiter verfügen muß?

ANTWORT:
Sterben ist nicht vorrangig ein medizinisches Ereignis und wir müssen damit aufhören, es als solches zu behandeln. Es ist viel mehr ein Thema von Beziehungen. Beziehung zu uns selbst, zu denen, die wir lieben. Zu Gott oder wie auch immer unser Bild von der letztendlichen Güte im Leben aussieht. Es ist wichtig anzuerkennen, daß die Arbeit eines Sterbebegleiters mit dem Sterbenden im wesentlichen eine Angelegenheit ist, diese Beziehungen anzusprechen und unterstützen.

Als Fachleute benötigen wir Meisterschaft. Patienten benötigen unsere medizinische Expertise. Doch das wird nicht genug sein. Wir müssen unseren Patienten auch helfen, zu entdecken, was Bedeutung und Wert in ihrem Leben hat und was im Laufe ihrer Krankheit dazukam. Aber die Bedeutung alleine reicht nicht aus. An einem bestimmten Punkt während des Sterbeprozesse fällt die Bedeutung weg. Dann sind wir auf dem Terrain des Mysteriums angelangt. Wir müssen also lernen, in diesem Bereich hilfreich zu sein, in diesem Land der Fragen, auf die es keine Antwort gibt.


FRAGE:
In unserer Kultur haben viele Menschen Angst vor dem Sterben und dem Tod. Wie kann man diesen Menschen Unterstützung geben damit sie die Angst überwinden und ihren Familienangehörigen oder Freunden im Sterbeprozess sicher begleiten und beistehen können.

ANTWORT:
Es gibt eine Art Mut im Mitgefühl. Es geht nicht darum, die Furcht zu besiegen. Es ist das Bereitschaft mit dem zu sein, was wir fürchten statt es nicht zuzulassen. Viel zu oft passiert, daß Pfleger/innen die Furcht des Patienten verstärken oder die Verwirrung beschleunigen, nur weil sie sich darauf konzentrieren, Probleme zu lösen. Bald schon darauf verliert der Patient den Kontakt mit ihrem Einfallsreichtum und die Person verschwindet schrittweise und zurück bleibt das Problem. Ohne Mitgefühl und Empathie wird Sterbebegleitung zu seiner Abfolge von mechanischen, technologischen Bemühungen, die jeden erschöpfen und keinen heilen.


FRAGE:
Wie können sich Angehörige auf den bevorstehenden Tod eines Familienmitglieds vorbereiten? Was empfehlen Sie?

ANTWORT:
Ganz einfach: Sich im Chaos der Krankheit und des Sterbeprozesses daran zu erinnern, daß eine ruhige Person im Raum den Unterschied macht.


FRAGE:
Halten Sie es für "gesund", dass möglichst viele Menschen sich mit der Thematik Sterben und Tod auseinandersetzen.

ANTWORT:
Jede spirituelle Tradition spricht davon, den Tod als Ratgeber zu wahren. Und zwar deswegen, weil die Rückerinnerung unseres Todes Kraft, Dankbarkeit und Fülle für jeden Moment im Leben geben kann.

Wenn wir den Tod an der Hand haben, nah an der Hand, werden wir weniger zwanghaft bezüglich Belohnung, wir nehmen uns selbst und unsere Ideen ein bißchen weniger wichtig, wir lassen etwas leichter los. Wir öffnen uns mehr dem Edelmut und der Liebe. Und wir sind ein bißchen freundlicher zu den anderen.


FRAGE:
Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, Schulungen , Seminare oder Kurse für Laien anzubieten, um möglichst vielen Menschen ein liebevolles Sterben im Kreis der Familie oder Freundeskreis zu ermöglichen ?

ANTWORT:
Ein ganz klares: Absolut JA. Die Tätigkeiten im Rahmen der Sterbebegleitung an sich sind sehr einfach. Wir machen Suppe, massieren den Rücken, wechseln schmutzige Lacken, verabreichen Medizin, hören die Geschichten eines Lebens, die nun enden, sorgen für eine ruhige und liebende Präsenz. Nichts besonderes. Einfach menschlich und freundlich sein.

Dennoch, wenn wir diese alltäglichen üblichen Handlungen als Praktizieren von Achtsamkeit begreifen, können wir aufwachen. Ob wir diejenigen sind, die das Bett machen oder diejenigen, die daran gefesselt sind, wir müssen uns mit der unsicheren Natur unsers Lebens konfrontieren. Diese Wahrheit nicht zuzulassen verursacht Schmerz. Sich damit abzufinden und es zuzulassen, hilft uns, den Wert des Lebens zu schätzen.


FRAGE:
Leben heisst Loslassen- welche Bedeutung hat das Leben und das Loslassen für Sie und hat sich diese Bedeutung nach Ihrer schweren Erkrankung verändert.

ANTWORT:
Loslassen ist eine Wahl, nicht von den Momenten der Gewohnheit davongetragen zu werden. Es ist eine Bereitschaft, für den Moment offen und aufgeschlossen zu sein. In diesem Moment befreien wir uns von starren Ansichten und Glaubenssätze darüber, wer wir sind und was in diesem Moment möglich ist. Nachdem wir loslassen und uns öffnen, sind wir bereit. Dies ist eine Art, darauf zu vertrauen, was passiert. Es erinnert uns daran, uns selbst zu entlassen aus dem Vergleich, der Wahl des Für und wieder, aus Hoffnung und Angst.

FRAGE:
Was war für Sie persönlich die tiefste und heilsamste Erfahrung mit Menschen zum Zeitpunkt Ihrer Erkrankung?

ANTWORT:
Die Freude an der Güte.
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