Freistaat Bayern muss Luftreinhalteplan innerhalb
eines Jahres fortschreiben und wirksame Maßnahmen zur Einhaltung der
Stickstoffdioxidgrenzwerte umsetzen
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der ökologische Verkehrsclub
VCD haben einen entscheidenden Erfolg für die Verbesserung der
Luftqualität in München errungen. Das Bayerische Verwaltungsgericht
München hat heute (29.6.2016) die schriftlichen Entscheidungen in den
Verfahren der beiden Verbände gegen den Freistaat Bayern wegen der
schlechten Luftqualität in der Landeshauptstadt München verkündet.
Darin verpflichtet das Gericht den Freistaat dazu, wirksamere
Maßnahmen als bislang zu ergreifen, um die Überschreitung der
Grenzwerte durch Stickstoffdioxid (NO2) zu beenden.
"Die Entscheidung des Münchner Verwaltungsgerichts ist eine
schallende Ohrfeige für Ministerpräsident Horst Seehofer und seine
Umweltministerin Ulrike Scharf, die offensichtlich weiterhin
Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge verhindern will. Wir werden die
bayerische Regierung zwingen, Recht und Gesetz anzuwenden und zum
Schutz der unter dem Dieselabgasgift NO2 leidenden Menschen
Fahrverbote in München durchsetzen", so DUH-Bundesgeschäftsführer
Jürgen Resch. Er betont, dass Käufer von Neuwagen nach diesem Urteil
keine Dieselfahrzeuge erwerben sollten. Auch den Euro 6 Diesel-Pkw
drohen Fahrverbote, da diese 20- bis 50-mal höhere
Stickoxid-Emissionen haben als moderne Benziner.
Die DUH fordert den Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt
München auf, im Nahverkehr Busse und Bahnen mit NOx-Filtersystemen
sofort nachzurüsten. Für Taxis verlangt sie ein Verbot von
Neuzulassungen der Dieselfahrzeuge ab 1.7.2017 und ab 2018 ein
generelles Verbot für Dieseltaxis in München.
"Das Urteil ist ein Sieg für die Gesundheit der Menschen und führt
dazu, dass München die Verkehrswende schneller und wirklich in
Angriff nehmen muss. Aber auch der Freistaat Bayern ist gefragt.
Stadt und Land müssen gemeinsam alles dafür tun, damit die
NO2-Belastung schnell und nachhaltig zurückgeht. Dazu gehört zu
allererst, dass die rechtlichen Grundlagen für die Einführung der
Blauen Plakette geschaffen werden, mit der die Zufahrt von Fahrzeugen
mit hohem Partikel- als auch Stickoxidausstoß beschränkt werden kann.
Da dies Bundesrecht ist, müssen München und der Freistaat Bayern auf
die Bundespolitik Druck ausüben. Erst dann erhält München die
Möglichkeit, die Umweltzone zu verschärfen", sagt Gerd Lottsiepen,
verkehrspolitischer Sprecher des VCD.
Die DUH hatte bereits 2012 ein rechtskräftiges Urteil erstritten,
nach dem der Luftreinhalteplan so geändert werden sollte, dass die
Einhaltung der Grenzwerte so schnell wie möglich gewährleistet werden
kann. Aufgrund der dennoch anhaltend hohen Belastung mit
Stickstoffdioxid und zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger hat die
DUH am 17. November 2015 einen Antrag auf Androhung eines
Zwangsgeldes eingereicht und damit ein Vollstreckungsverfahren
eingeleitet. Gleichzeitig hatte der ökologische Verkehrsclub VCD eine
Klage auf Änderung des Luftreinhalteplans eingereicht. Das Bayerische
Verwaltungsgericht München hat am 10. Mai 2016 über beide Verfahren
verhandelt.
Mit den heutigen Entscheidungen bestätigte das Gericht sein Urteil
aus dem Jahr 2012 und drohte gleichzeitig ein Zwangsgeld in Höhe von
10.000 Euro an, wenn der Freistaat den Luftreinhalteplan nicht
innerhalb eines Jahres fortschreibt. Weil die NO2-Belastung an den
Messstellen Landshuter Allee und Stachus im Jahresmittel erheblich
über dem seit 2010 gesetzlich festgelegten Grenzwert liege, sei der
Freistaat Bayern verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um
den Grenzwert schnellstmöglich einzuhalten. Nach eigener Einschätzung
könne die Schadstoffbelastung ohne zusätzliche Maßnahmen nicht vor
2025 (Stachus) beziehungsweise 2030 (Landshuter Allee) unter dem
Grenzwert gesenkt werden. Nach Ansicht von DUH und VCD ist dies zu
spät. Welche konkreten Maßnahmen der Freistaat Bayern zur Erfüllung
der Pflichten aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nun ergreifen muss,
legt das Gericht nicht fest.
Rechtsanwalt Remo Klinger, der die Klagen von DUH und VCD
eingereicht hatte, erklärte: "Die Taktik des Umweltministeriums,
durch immer neue Gutachtenaufträge auf Zeit zu spielen, ist krachend
gescheitert. Jetzt sind Maßnahmen gefordert, die etwas taugen, keine
immer neuen Gutachten. Die Grenzwerte gelten seit mehr als 6 Jahren
und sind einzuhalten. Das Umweltministerium braucht keine Zustimmung
der Landeshauptstadt für die jetzt erforderlichen Maßnahmen. Denn die
Verantwortung für einen Luftreinhalteplan liegt allein beim
Ministerium."
Hintergrund:
Die DUH nutzt seit Jahren juristische Mittel, um das EU-weit
verbriefte Recht auf saubere Luft durchzusetzen. Im November 2015
hatte sie Klage gegen mehrere für die Luftreinhalteplanung zuständige
Bundesländer eingereicht. Betroffen sind die Städte Köln, Bonn,
Aachen, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main,
Stuttgart und Berlin. Unterstützt wird die DUH in den Verfahren auf
Luftreinhaltung von der britischen Nichtregierungsorganisation
ClientEarth.
Ziel der DUH ist es, die zuständigen Behörden zu verpflichten,
ihre Luftreinhaltepläne zu ändern, um den seit vielen Jahren
geltenden Grenzwert für Stickstoffdioxid so schnell wie möglich
einzuhalten. Darüber hinaus hatte die DUH Anträge auf Androhung eines
Zwangsgeldes nicht nur in Wiesbaden und Darmstadt, sondern auch in
München und Reutlingen gestellt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof
lehnte die Anträge in den Zwangsvollstreckungsverfahren betreffend
die Städte Wiesbaden und Darmstadt zuletzt ab, nachdem das
Verwaltungsgericht Wiesbaden in erster Instanz ein Zwangsgeld
androhte.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch@duh.de
Anja Smetanin, VCD-Pressesprecherin
030 280351-12, Presse@vcd.org
Prof. Remo Klinger, Rechtswalt Kanzlei Geulen & Klinger
0171 2435458, klinger@geulen.com
DUH-Pressestelle:
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