fit und munter - KO-Tropfen: Reale Gefahr oder urbaner Mythos?

fit und munter

KO-Tropfen: Reale Gefahr oder urbaner Mythos?

In der Sommerzeit, wenn überall Partys, Feste und Konzerte veranstaltet werden, sorgen sogenannte K.-o.-Tropfen jedes Jahr für eine bemerkenswerte Medienhysterie. Dabei haben alle seriösen Untersuchungen dieses Phänomens ergeben, dass die Geschichten über K.-o.-Tropfen nicht viel mehr sind als das berühmte Krokodil im Baggersee: ein urbaner Mythos. Tragische Vorgänge wie der Vergewaltigungsskandal um Gina-Lisa Lohfink sind wohl traurige Einzelfälle.
Seit dem Vergewaltigungsskandal um Gina-Lisa Lohfink berichten die Medien gehäuft über Straftaten im Zusammenhang mit sogenannten K.o.-Tropfen. Dieser eher unscharfe, umgangssprachlich geprägte Sammelbegriff umfasst eine umfangreiche Gruppe von Substanzen. Wenn man den Aussagen der mutmaßlich Betroffenen Glauben schenkt, werden die Präparate von gewissenlosen Kriminellen heimlich in die Getränke der Geschädigten gemischt. Sobald die Wirkung eintritt, ist das Opfer willenlos und verteidigungsunfähig. Das Ziel der Täter ist oft Diebstahl oder sexueller Missbrauch. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen entziehen der vor allem über Boulevardmedien verbreiteten Aufgeregtheit jedoch ihre Grundlage. In Wahrheit scheint es sich nicht um ein Massenphänomen zu handeln, sondern eher um einen urbanen Mythos, genährt durch tragische Einzelfälle. Personen, die im Internet und anderswo sogenannte K.-o.-Tropfen kaufen, beziehen sie in der überwiegenden Zahl der Fälle als Partydrogen für den Eigengebrauch.

In der Duden-Definition sind K.-o.-Tropfen „lösliche Psychopharmaka, die Getränken oder auch Speisen in krimineller Absicht zugesetzt werden und rasch zu meist stundenlanger Bewusstlosigkeit führen“. Im Internet sind diese Substanzen problemlos zu bekommen. Obendrein gibt es Websites, wo Anleitungen zu finden sind, mit deren Hilfe man mit handelsüblichen Küchenutensilien aus einem frei erhältlichen industriellen Lösungsmittel K.-o.-Tropfen herstellen kann.

Eine flüchtige Recherche nach dem Keyword „K.-o.-Tropfen kaufen“ führt auf Google zu rund 400.000 Ergebnissen. In der weitverbreiteten Falschschreibung „KO Tropfen kaufen“ sind es 140.000. Mehr als die Hälfte der so gefundenen Internettauftritte bieten solche Präparate an oder verweisen durch prominent platzierte Links auf derartige Websites. Bei genauerer Betrachtung der Kaufangebote wird erkennbar, dass nur ein Bruchteil davon „echte“ Knockout-Drogen im Sortiment hat. Oft werden als Ersatz Hausmittel wie Baldriantropfen, sogenannte „Legal Highs“ bzw. Research-Drugs oder wirkungslose homöopathische Arzneien präsentiert. Der größte deutschsprachige Online-Markt für rezeptpflichtige Arzneimittel, apoto.net, führt unter der Kategorie K.-o.-Tropfen Gamma-Butyrolaceton (GBL), Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB), Ketamin, Tilidin, Valocordin-Diazepam und Tramadol. Vereinzelt findet man auf anderen Verkaufsseiten Angebote für Flunitrazepam, Temazepam, Antihistaminika, Neuroleptika und verschiedene Antimuskarinika. Eine verschwindend geringe Rolle spielen die Schlafmittel Chloralhydrat und Methyprylon sowie die noch in den 1980er-Jahren weitverbreiteten Barbiturate. Fazit

Gemäß einer 2010 vorgenommenen Schätzung des renommierten British Journal of Criminology (London) liegt die im Vereinigten Königreich über Onlineportale jährlich verkaufte GHB-Menge bei rund 1,8 Millionen Konsumeinheiten. Die Journalisten befragte zudem 200 Frauen, die nachts in die Notaufnahme britischer Krankenhäusern gekommen waren und behaupteten, dass man ihnen K.-o.-Tropfen in ein Getränk gemischt hätte. In keinem einzigen Fall fand man verdächtige Spuren im Blut, aber 94 % wiesen einen deutlich erhöhten Alkoholspiegel auf. Die Verfasser folgern daraus, dass die massenweise Verwendung von Vergewaltigungsdrogen ein urbaner Mythos sei. Die im Umlauf befindlichen K.-o.-Tropfen kämen gemäß ihrer Schlussbemerkung in erster Linie für den Eigenkonsum zur Anwendung.

In Politik und Exekutive ist ein vorsichtiges Umdenken im Hinblick auf K.-o.-Tropfen erkennbar. Personen, die solche Substanzen besitzen oder erwerben, werden nicht mehr zwangsläufig als potenzielle Vergewaltiger eingestuft. Berichte angeblicher Opfer unterzieht man einer genaueren Prüfung. Bei der medizinischen Untersuchung kommt oft ans Licht, dass die beschriebenen Symptome wie Gedächtnisverlust, Schläfrigkeit oder Übelkeit auf den übermäßigen Konsum von Alkohol zurückzuführen sind. Aus Sicht der Dorgenprävention ist es erforderlich, jugendlichen Konsumenten besser aufzuklären. Im Internet ist jeder, der „KO Tropfen kaufen“ in Google eintippt, nur zwei Mausklicks von einer Bestellung entfernt. Eine wirksame Prävention muss an den Schulen, Jugendeinrichtungen und Universitäten des Landes ansetzen. Ob dadurch das an Gina-Lisa Lohfink verübte Verbrechen zu Verhindern gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt.
Login
Einstellungen

Druckbare Version

Artikel Bewertung
Ergebnis: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich die Zeit und bewerten diesen Artikel
Excellent
Sehr gut
Gut
Okay
Schlecht

Linkempfehlung

Diesen Artikel weiter empfehlen: