Das Thema:
"Der Fall Niels H. - Warum wird ein Krankenpfleger zum
Serienmörder?"
Es könnte der schlimmste Serienmord der deutschen
Nachkriegsgeschichte sein: Der Krankenpfleger Niels H. steht im
Verdacht, bis zu 200 Menschen mit Medikamenten getötet zu haben. Die
Staatsanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe gegen die Kliniken, die
den Verdachtsfällen nicht konsequent nachgegangen seien. Die Politik
ist alarmiert. Haben Kontrollmechanismen versagt?
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe warnt vor übereilten
Schuldzuweisungen. Trotzdem fragen sich Patienten, Angehörige und
Experten: Muss man Klinikpersonal prinzipiell besser überwachen?
Die Gäste:
Kathrin Lohmann (Tochter eines Mordopfers) Frank Lauxtermann
(Krankenpfleger) Gisela Friedrichsen (Gerichtsreporterin) Dr. Dirk
Tenzer (Vorstand Klinikum Oldenburg) Judith Arlt (Schwiegertochter
eines Patientenmordopfers) Karl Lauterbach, SPD (Gesundheitsexperte)
Kathrin Lohmann
Auch dank ihrer Beharrlichkeit steht Niels H. unter Mordanklage.
Als 2003 ihre Mutter völlig überraschend auf der Intensivstation des
Klinikums Delmenhorst stirbt, glaubt Kathrin Lohmann nicht an eine
natürliche Todesursache. 12 Jahre lang kämpft die Altenpflegerin
gegen viele Widerstände um Aufklärung. Erst eine Exhumierung bringt
den Beweis: Kathrin Lohmanns Mutter wurde ein gefährliches Medikament
gespritzt, an dem sie starb. Der Verdacht gegen Niels H. erhärtet
sich. "Meine Mutter und ich standen uns sehr nahe. Es war das Einzige
was ich noch für sie tun konnte", sagt Kathrin Lohmann über ihren
Einsatz, für den sie mit dem Zivilcouragepreis ausgezeichnet wurde.
Frank Lauxtermann
Er hatte seinen Kollegen schon früh im Verdacht: Frank Lauxtermann
arbeitete mit Niels H. auf der Intensivstation der Klinik Oldenburg
zusammen. "Bei Herzstillständen war er auffällig oft am Bett der
Patienten. Und nach einer Reanimation war der Kaliumwert häufig
unerklärlich hoch. Wir wussten, da muss nachgeholfen worden sein."
Der Krankenpfleger machte die Klinikleitung darauf aufmerksam, doch
nichts passierte. "Es war eine Kultur des Wegsehens und Schweigens",
kritisiert der 53-Jährige und fordert eine schonungslose Aufklärung.
Gisela Friedrichsen
"Der Fall Niels H. erschüttert das Vertrauen von Patienten und
Angehörigen in Pfleger und Ärzte", fürchtet die Gerichtsreporterin.
Gisela Friedrichsen übt scharfe Kritik am Verhalten der
Verantwortlichen in den Krankenhäusern: "Fällt ein Mitarbeiter durch
eigenartiges Verhalten auf, wird er mit einem guten Zeugnis entlassen
und kann mit seinen kriminellen Machenschaften direkt in der nächsten
Klinik weitermachen. Hauptsache, der gute Ruf des Krankenhauses wird
nicht beschädigt", beklagt die "Spiegel"-Journalistin.
Dr. Dirk Tenzer
"Wir gehen in unserem Haus von bislang 16 Patientenmorden durch
Niels H. aus", sagt der Arzt und Krankenhauschef. Etwa dreieinhalb
Jahre hatte der Pfleger auf der Intensivstation und in der Anästhesie
des Klinikums Oldenburg gearbeitet. Zwar gab es unter den Kollegen
immer wieder Gerede über den "Pechvogel", der auffällig oft bei
Reanimationen dabei war, doch weder Sterberate noch
Medikamentenverbrauch waren besonders auffällig. Der damals neue
Klinikvorstand setzte, nachdem ihm das Verfahren gegen Niels H.
bekannt wurde, einen externen medizinischen Gutachter ein: "Wir
wollen das Geschehene lückenlos aufklären und alles dafür tun, solche
Taten zu verhindern", so Dr. Dirk Tenzer.
Judith Arlt
"Mit dem Tod meines Schwiegervaters habe ich mich abgefunden, aber
nicht mit der Art und Weise, wie er gestorben ist", sagt die
Schriftstellerin. Der damals 77-jährige Gerhard Arlt wurde 2006 in
der Berliner Charité das Opfer der Krankenschwester Irene B, die ihn
mit einer Injektion tötete. Er war kein Einzelfall. Der so genannte
"Todesengel der Charité" wurde wegen fünffachen Mordes zu einer
lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Judith Arlt kritisiert:
"Da die Patientenmörderin schon vorher auffällig geworden ist, hätte
die Klinik früher handeln müssen." Und sie ist sich sicher: "Hätte
man aus dem damaligen Fall an der Charité gelernt, Niels H. hätte
nicht so viele Patienten ermorden können."
Karl Lauterbach
"Wir müssen an mehr Patienten, die plötzlich versterben, deutlich
häufiger Autopsien vornehmen als bislang üblich", sagt der
stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende nach der Entdeckung des
vermutlich größten Serienmordes der deutschen Nachkriegsgeschichte an
den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst. Es handle sich um gravierende
Vorgänge, nach denen man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen
könne. Kliniken müssten Unregelmäßigkeiten strikt verfolgen, fordert
der Mediziner und Gesundheitsökonom.
"Maischberger" ist eine Gemeinschaftsproduktion der ARD,
hergestellt vom WDR in Zusammenarbeit mit der Vincent TV GmbH.
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Redaktion: Elke Maar (WDR)
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