Wie kamen Sie auf die Idee, die Milchsäure-Schrauben zu entwerfen?
Dr. Jürgen Walpert: Um den Ballenzeh zu korrigieren, muss der Knochen durchtrennt und die schiefstehende Großzehe in die richtige Position gebracht werden. Damit die Knochen wieder gut zusammenwachsen, müssen sie verschraubt, verplattet oder verdrahtet werden. Früher hat man bei Ballenzeh-Operationen meist Platten, Metalldrähte oder -schrauben zum Fixieren eingebaut. Das war oft unangenehm für den Patienten, denn es konnten nicht nur Schmerzen entstehen, sondern es war oft auch noch eine Nach-Operation nötig, um den Fremdkörper wieder zu entfernen. Meine Idee war, dem Patienten Implantate anzubieten, die nicht wieder durch eine neue Operation entfernt werden müssen. So entwickelte ich diese Schrauben aus Milchsäure, die sich von selbst auflösen.
Welche Vorteile haben die Milchsäure-Schrauben?
Dr. Jürgen Walpert: Die Milchsäure-Schrauben können im Körper bleiben, eine weitere Operation entfällt. Trotzdem ist die Korrektur genauso stabil wie Metallimplantate. Da sich die Schrauben auflösen, ist ein Fremdkörpergefühl ausgeschlossen. Aus der Literatur gibt es Hinweise, dass unter Einsatz von bioresorbierbaren Schrauben die Knochenheilung sogar schneller als bei Metallimplantaten vonstatten geht. Auch eine Implantatwanderung ist ausgeschlossen. Außerdem sind diese resorbierbaren Implantate nicht allergen.
Wie lange dauert es, bis sich die Schrauben im Körper auflösen?
Dr. Jürgen Walpert: In der Regel beginnt der Abbau der Implantate rund acht Wochen nach der Implantation, also dann, wenn die Knochenheilung weit fortgeschritten beziehungsweise abgeschlossen ist. Nach 18 bis 24 Monaten haben sie sich komplett aufgelöst.
Ist der operierte Fuß auch langfristig stabil genug?
Dr. Jürgen Walpert: Diverse Untersuchungen bestätigen den langfristigen Erfolg dieser Methode. Die Milchsäure-Schrauben haben eine vergleichbar gute Stabilität wie die metallischen Implantate.
Der Patient kann sich somit wieder schmerzfrei bewegen und den Fuß auch wieder normal belasten.
Sind die Milchsäure-Schrauben für jeden Patienten mit Ballenzehen geeignet?
Dr. Jürgen Walpert: Ja, es gibt keine Einschränkungen, allerdings darf die Fehlstellung noch nicht zu weit fortgeschritten sein. Besonders vorteilhaft sind bioresorbierbare Schrauben für Allergiker. Wer Metalle nicht verträgt, hatte mit den früheren OP-Verfahren ganz sicher Probleme. Die Implantate aus Milchsäure verträgt jeder Patient.
Muss ein Ballenzeh eigentlich immer operiert werden?
Dr. Jürgen Walpert: Konservativ helfen nur Krankengymnastik und Einlagen für eine gewisse Zeit. Wenn der Ballenzeh anhaltend Schmerzen verursacht und die Lebensqualität dadurch eingeschränkt wird, empfiehlt sich eine Operation. Das Problem wird sich dann nicht von selbst lösen. Im Gegenteil: Die Krankheit wird fortschreiten. In der Regel verschlimmert sich die Deformität. Im schlimmsten Fall kann durch die zunehmende Fehlstellung sogar eine Arthrose entstehen.
Werden die Milchsäure-Schrauben auch bei anderen Fußfehlstellungen eingesetzt?
Dr. Jürgen Walpert: Ja, auch beim Schneiderballen oder Hammerzeh. Beim Schneiderballen ist der kleine Zeh fehlgestellt. Beim Hammerzeh können mehrere kleine Zehen stark verkrümmt sein. Auch bei diesen Deformitäten müssen die schiefstehenden Zehen in die richtige Position gebracht und dort mit Schrauben fixiert werden.
Bezahlt die Krankenkasse die Operation mit den Milchsäure-Schrauben?
Dr. Jürgen Walpert: Ja, in der Regel wird sie von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.
Kann man sofort nach der Operation wieder laufen?
Dr. Jürgen Walpert: Ja, der operierte Fuß darf in der Regel – je nach Schmerzen - bereits am Abend des Eingriffs wieder belastet werden. Hierzu erhalten die Patienten einen speziellen Therapieschuh und nur ausnahmsweise Unterarmgehstützen. Wir empfehlen, den operierten Fuß die ersten zehn Tage zu schonen. Viel hochlegen und kühlen. Auch Krankengymnastik ist sinnvoll. Nach sechs Wochen ist der Fuß normalerweise wieder voll einsatzfähig.
Kann sich die Fehlstellung erneut bilden?
Dr. Jürgen Walpert: Unter den alltäglichen Belastungen ist der operierte Fuß einer Vielzahl von Einflüssen ausgesetzt, so dass die erneute Entwicklung der Fehlstellung natürlich theoretisch möglich ist. Praktisch kommt so etwas bei richtiger Behandlung nur selten vor. In der Regel ist der Patient nach der OP seinen Ballenzeh dauerhaft los.