Mangelhafte Gutachten und das damit verbundene
mediale Interesse sorgten in der Vergangenheit immer wieder für
breiten Unmut - in Fachkreisen wie bei der Bevölkerung. Betroffen
waren vor allem defizitäre Gutachten im Bereich des Familienrechtes,
der Medizin, Psychiatrie sowie der Psychologie und führten zu
eklatanten gerichtlichen Fehlentscheidungen. Die Koalitionsfraktionen
CDU/CSU reagierten und ließen in ihrer Pressemitteilung vom 24. Juni
erklären, dass mit der Änderung des Gesetzesentwurfs zum
Sachverständigenrecht, nun Unabhängigkeit, Neutralität und die
Offenlegung von Interessenskonflikten bei Gerichtsgutachten
sichergestellt werden sollen.
Ein Pauschalergebnis, das eine differenzierte Analyse der Sachlage
vermissen lässt - so der Tenor des BVS (Bundesverband öffentlich
bestellter und vereidigte sowie qualifizierter Sachverständiger e.V.)
und der Bestellungskörperschaften. "Wir sehen und kritisieren die auf
diesem Gebiet der Medizin, der Psychiatrie und der Psychologie
vielfach unzureichende Qualifikation gerichtlich tätiger
Sachverständiger auch als Mangel", erklärt BVS-Präsident Willi
Schmidbauer. "Aber das Sachgebiet ist entscheidend und dies findet im
Gesetzentwurf keine Berücksichtigung. Hier bedarf es dringend eines
nachhaltigen Qualitätssicherungssystems. Für die öffentlich
bestellten und vereidigten (öbuv.) Sachverständigen gilt
nachweislich, dass sie bereits durch ihre Bestellung alle
Voraussetzungen erfüllen, die von einem unabhängigen Sachverständigen
gefordert werden.
Gesetzentwurf lässt Unterscheidung der Sachgebiete vermissen
Vornehmlich werden öffentlich bestellte und vereidigte
Sachverständige für die gutachterliche Tätigkeit bei Gericht
herangezogen. Nur, wenn kein öbuv. Sachverständiger Gutachten
erstatten kann, ist nach der ZPO ein weiterer Gutachter zu
verpflichten. Für öbuv. Sachverständige gelten u.a. die
Bestellungsgrundlagen der Industrie- und Handels- und
Handwerkskammern. Die öffentliche Bestellung als höchstes
Qualitätsmerkmal fordert die besonders hohe Sachkunde respektive das
überdurchschnittliche Fachwissen, den Nachweis der persönlichen
Unabhängigkeit sowie die langjährige Praxiserfahrung. Zudem
verpflichten sich diese Sachverständige mit der Vereidigung zur
unparteiischen, unabhängigen und weisungsfreien Aufgabenerfüllung.
Gerichte sehen die öbuv. Sachverständigen als wichtige Säule der
Justiz. Die Krux: eine öffentliche Bestellung und Vereidigung auf den
Gebieten Medizin, Psychologie, Psychiatrie, etc. gibt es nicht. "Ergo
können hier auch diese besonderen Qualifikationen, die ein öbuv.
Sachverständiger mitbringt, nicht nachgewiesen werden. Der BVS meint,
dass das Vorhandensein der überdurchschnittlichen Sachkunde, der
Nachweis der Berufserfahrung und der Integrität, gute Bausteine für
ein Qualitätssicherungssystem in diesem Bereich sind. Natürlich sind
wir auch bereit, hier unterstützend zur Seite zu stehen. Den Entwurf
in seiner jetzigen Form - pauschalisierend und alle über einen Kamm
scherend - kritisieren wir scharf", so Schmidbauer.
Ordnungsgelder sollen bei Verstößen steigen - Pauschalisierung
aller Sachverständigen
Der Gesetzentwurf zur Änderung des Sachverständigenrechts sieht
eine Reihe gut gemeinter, aber teils nicht praxisnaher Umsetzungen
vor. Neben der Forderung nach Neutralität, Unabhängigkeit und
Parteilosigkeit (Vermeidung des Interessenskonfliktes) sollen künftig
die Ordnungsgelder bei Verstoß empfindlich - auf bis zu Euro 3.000 -
steigen sowie der Anspruch auf Vergütung zur Gänze entfallen können.
Eine Drohgebärde in alle Richtungen, so sieht es der BVS, denn diese
Attribute gelten bereits für öbuv. Sachverständigen.
Verkürzung der Gerichtsverfahren - präventiver Zeitdruck ohne
Berücksichtigung der Umstände
Im Weiteren legt die geplante Gesetzesänderung fest, dass, gerade
in Zivilprozessen, die zügige Durchführung des Gerichtsverfahrens
gewährleistet werden soll. Entsprechend müssen die Gutachten in
angemessener Zeit erstellt werden. Verständlich, möglichst effizient
Gerichtsprozesse durchzuführen. "Doch mangels der eigenen Sachkunde
kann ein Gericht nur im Ausnahmefall entscheiden, mit welchem
zeitlichen und auch technischen Aufwand ein Gutachten erstellt werden
kann", kontert Willi Schmidbauer. "Die momentane Auslastung, ggf.
Reihenfolge verschiedener Gutachten, etc. sind zu berücksichtigen.
Das ist von Vorneherein die latente Unterstellung, Sachverständige
arbeiten zeitverzögernd. Nicht nur dies kann zu Missstimmung aller
involvierten Parteien führen, sondern auch, dass ein Sachverständiger
von vorne herein eine Fristenverlängerung beantragt, damit er nicht
in Verzug kommt und auch keine Sanktionen zu fürchten braucht. Zudem
bleiben die verschiedenen Verfahrensarten völlig unberücksichtigt bei
diesem Punkt. Im schlimmsten Fall setzt sich der Nachwuchsmangel, den
wir jetzt schon spüren, fort, denn mit ungerechtfertigten
Verschärfungen wird auch die gerichtliche Gutachtertätigkeit
unattraktiv. Zumal die Betreffenden in der freien Wirtschaft
selbstverständlich mehr verdienen können."
Die Lösung - klar definierte Qualitätssicherungssysteme
"Zusammengefasst muss ich sagen: es ist zu bezweifeln, ob diese
Änderungen die beklagten Mängel beseitigen können und praktikabel
sind. Die Parameter sind falsch definiert. Unverständlich, dass die
Einwände und Empfehlungen der Sachverständigenverbände und der
Bestellungskörperschaften so rigoros übergangen wurden. Aber wir
werden weiterhin die Gespräche suchen", resümiert Willi Schmidbauer.
Der BVS sieht vor allem in der Einführung von
Qualitätssicherungssystemen die Grundlage, dass mangelhafte Gutachten
und unqualifizierte Sachverständige künftig die Ausnahme bleiben.
Vorlage könnten die Bestellungskriterien der öffentlich bestellten
und vereidigten Sachverständigen sein, die sich über Jahrzehnte in
der Praxis bewährt haben.
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Willi Schmidbauer, BVS-Präsident
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