fit und munter - Der Kampf gegen das Fehlschlagen von Medikamenten

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Der Kampf gegen das Fehlschlagen von Medikamenten

Robert Pfleger-Forschungspreis 2016 geht an einen weltweiten Pionier der individualisierten Arzneimitteltherapie

Bamberg, 13.07.2016; Am 15. Juli 2016 wäre Prof. Dr. Robert Pfleger, der Gründer der Firma Dr. Pfleger Arzneimittel aus Bamberg, 110 Jahre alt geworden. Neben dem Unternehmen in dem heute rund 330 Personen arbeiten, hinterließ er auch die gemeinnützige Doktor Robert Pfleger-Stiftung, die seit 1974 medizinische Forschung fördert. Seit 30 Jahren verleiht die Stiftung alle zwei Jahre einen der höchst dotierten Preise für medizinische Forschung in Deutschland: den Robert Pfleger-Forschungspreis. Am 110. Geburtstag von Prof. Pfleger wurde in der Orangerie von Schloss Seehof in Memmelsdorf bei Bamberg der Robert Pfleger-Forschungspreis 2016 mit einem Preisgeld von 50.000 Euro verliehen. Ausgezeichnet wurde Prof. Dr. Matthias Schwab, einer der weltweiten Vorreiter auf dem Gebiet der individualisierten Arzneimitteltherapie. Der gebürtige Nürnberger, der an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg promovierte, ist mittlerweile Leiter des Dr. Margarete Fischer-Bosch-Instituts für Klinische Pharmakologie in Stuttgart sowie Ärztlicher Direktor der Abteilung für Klinische Pharmakologie am Universitätsklinikum Tübingen. Ihm ist es unter anderem zu verdanken, dass bei leukämiekranken Kindern im deutschsprachigen Raum heute standardmäßig eine pharmakogenomische Untersuchung durchgeführt wird, welche dazu beiträgt, schwere, unter Umständen tödlich Nebenwirkungen eines Schlüsselmedikaments bei der Leukämietherapie zu vermeiden. Bei der feierlichen Verleihung am 15. Juli 2016 mit rund 150 geladenen Gästen, gratulierte auch die bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege Melanie Huml dem Preisträger.
Was den einen gesund macht, wirkt für den anderen wie ein Gift

Prof. Dr. Matthias Schwab ist Experte und Vorreiter auf dem Gebiet der „Pharmakogenomik“ – ein seit den 80er Jahren bestehendes Wissenschaftsgebiet, das sich mit dem Einfluss der genetischen Veranlagung von Patienten auf die Wirkung von Arzneimitteln befasst. Denn entsprechend ihrer Erbsubstanz reagieren Menschen unterschiedlich auf verschiedene Medikamente. Bei bestimmter genetischer Veranlagung können Standardmedikamente, wie ein Gift wirken und schwere Nebenwirkungen hervorrufen. Pharmakogenomische Diagnoseverfahren ermöglichen es, die Dosierung oder gar die Entscheidung für oder gegen bestimmte Präparate an den individuellen Bedarf eines Patienten anzupassen. Die Umsetzung der Pharmakogenomik in die klinische Praxis bereitete bislang allerdings große Schwierigkeiten. An dieser Stelle setzt die wissenschaftliche Arbeit von Matthias Schwab an, der genau diese Herausforderung bewältigte. Für seine „wegweisenden Beiträge zur individualisierten Medizin mittels Pharmakogenomik und insbesondere die Implementierung pharmakogenomischer Diagnostik in die klinische Praxis“ erhielt Prof. Dr. Matthias Schwab den Robert Pfleger-Forschungspreis 2016.


Erfolge bei Kindern mit Leukämie und Patienten mit Darmerkrankung

Vor allem auf dem Gebiet der Therapie von leukämiekranken Kindern konnte Prof. Dr. Schwab bahnbrechendes leisten: Bei der Behandlung von Leukämie wird üblicherweise 6-Mercaptopurin (6-MP) eingesetzt - ein Arzneimittel, das sogenannte Thiopurine enthält. Diese Inhaltsstoffe entfalten bei circa einem von 200 Patienten eine giftige Wirkung, da ihnen ein Enzym zu deren Verstoffwechselung fehlt. Aufgrund dieser speziellen genetischen Veranlagung führen die Thiopurine bei diesen Menschen zu einer schweren, unter Umständen tödlich endenden Knochenmarkerkrankung. Im Rahmen grundlagenbasierter und angewandter pharmakogenomischer Forschung entwickelte Prof. Dr. Schwab die sogenannte TPMT-Diagnostik, ein Testverfahren, das Risikopatienten vor Verordnung des Medikaments 6-MP identifiziert. Durch jahrelanges Engagement konnte er erreichen, dass die TPMT-Diagnostik in die klinische Praxis eingeführt wurde. Sie wird dank Prof. Dr. Schwab nun routinemäßig bei allen Kindern mit Leukämieerkrankung vor der Behandlung mit 6-MP im deutschsprachigen Raum durchgeführt, so dass die Dosis des Medikaments jeweils an den Patienten angepasst werden kann. Auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, bei deren Behandlung häufig Thiopurine eingesetzt werden, konnte Prof. Dr. Schwab den Nutzen der TPMT-Diagnostik durch umfangreiche Aufklärungsarbeit in der klinischen Praxis vermitteln.

Herausforderungen bei der Umsetzung individualisierter Behandlung in der Praxis
Bis die TPMT-Diagnostik bei leukämiekranken Kindern standardmäßig angewendet wurde, war es jedoch ein weiter Weg, denn die Implementierung pharmakogenomischer Behandlungsmethoden in die Praxis bringt einige Herausforderungen mit sich: „Zunächst muss bewiesen werden, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer bestimmten Genmutation und deren Einfluss auf die Wirkung eines Medikaments besteht. Dazu sind umfangreiche klinisch-pharmakogenomische Forschungsaktivitäten nötig, um aussagekräftige und valide Ergebnisse zu erhalten“, erläutert Prof. Dr. Schwab. „Anschließend müssen effiziente und kostengünstige Test-Methoden entwickelt werden, um einen Einsatz in der Praxis überhaupt realisierbar zu machen. Und auch die Auseinandersetzung mit ethischen Fragestellungen spielt eine wesentliche Rolle: Wenn es um die Entscheidung geht, aus pharmakogenomischen Gründen ein Medikament überhaupt nicht zu verwenden, muss im Vorfeld sichergestellt werden, dass alternativ ein anderes Medikament zur Verfügung steht,“ fügt er hinzu.
„Fighting Drug Failure!“ – Ausweitung der Pharmakogenetik in Europa
Der enorme Einsatz von Prof. Dr. Schwab auf dem Gebiet der Pharmakogenomik hat weiterhin zur Etablierung des ersten europäischen pharmakogenomischen Netzwerks „Fighting Drug Failure!“, das durch die Europäische Union gefördert wird, geführt. Aufbauend auf dieser Initiative ist es gelungen, eine großzügige EU-Förderung für ein Projekt zur flächendeckenden Implementierung der Pharmakogenomik in Europa zu erhalten.

Würdigung des Preisträgers

„Das wissenschaftliche Engagement von Prof. Dr. Matthias Schwab zur TPMT und Thiopurin-Therapie kann als Paradebeispiel für eine erfolgreiche Implementierung der Pharmakogenomik in die klinische Praxis angesehen werden. Er konnte eindrucksvoll belegen, dass nur konsequentes grundlagenwissenschaftliches Arbeiten in engster Verbindung mit klinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen zu diesem Ziel führen kann“, würdigte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Doktor Robert Pfleger-Stiftung, Prof. Dr. Dr. Gerd Geißlinger, den Preisträger am 15. Juli.


Auf der Preisverleihung in Schloss Seehof diskutierte Prof. Dr. Schwab mit drei weiteren renommierten Medizinern beziehungsweise Pharmakologen und mit Gesundheitsministerin Huml über Chancen und Herausforderungen individualisierter Medizin am Beispiel der Pharmakogenomik. Der ehemalige Bundesumweltminister und ehemalige Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Prof. Klaus Töpfer, hielt die Festrede zum Thema Konzepte der Nachhaltigkeit im Anthropozän.
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