Vor 50 Jahren eroberte ein brandneues Sedativum die Gunst der Weltöffentlichkeit. Die Rede ist von dem bis heute unter dem Handelsnamen Valium vermarkteten Beruhigungsmittel Diazepam. „Mother’s Little Helper“, ein 1966 veröffentlichter Hit der Rolling Stones, ist in Wirklichkeit eine Hymne auf die neuartigen Beruhigungspillen. In dem Stück, komponiert von Mick Jagger und Keith Richards, geht es nicht nur um die vordergründig besungene Mutter. Es steht als Symbol für die Geisteshaltung kurz vor Beginn der 68er-Bewegung, wo der Konsum diverser Rauschmittel langsam in den Mainstream einsickerte. Endlich stand für die arbeitende Mittelschicht, die LSD und Marihuana verschmähte, eine eigene legale Droge zur Verfügung. Ab diesem Zeitpunkt vergingen noch knapp fünf Jahrzehnte, bis es der Wissenschaft gelang, die Wirkmechanismen des Medikaments von Grund auf zu verstehen. Erhältlichkeit
Valium, genauer gesagt der darin enthaltene Wirkstoff Diazepam, ist, abgesehen von Alkohol, die erste psychoaktive Substanz, die zu einer echten Volksdroge wurde. Mitte der 1960er-Jahre erhielt man es rezeptfrei in jeder Apotheke. Es galt es als willkommenes Heilmittel für überforderte Menschen, als Balsam für die Seele. All das leistete es nach seinerzeitigem Verständnis nahezu ohne Nebenwirkungen – zumindest wenn man den Vergleich zu den direkten Vorgängern, den Barbituraten, zieht. Valium gilt darüber hinaus als das vorerst einzige Psychopharmakon, das dem Hersteller Hoffman la Roche jährlich mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz einbrachte.
Valium fungierte als Wegbereiter der sogenannten „Livestylemedikamente“. Doch im Laufe der Zeit fanden Wissenschaftler heraus, dass der Wirkstoff Diazepam nicht so harmlos ist, wie man in der ersten Euphorie gedacht hatte. Er birgt einige gravierende Nebenwirkungen und führt rapide in eine Abhängigkeit – eine Eigenschaft, die es mit sämtlichen Medikamenten aus der Benzodiazepingruppe teilt. Die Politik reagierte rasch auf die hinzugewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ein den meisten Ländern schränkte man die Verfügbarkeit ein. Die Ära, in der man Benzodiazepine rezeptfrei kaufen konnte, ging zu Ende.
Erst vor Kurzem wurde erforscht, warum Valium so zuverlässig wirkt. Im Jahr 2012 entschlüsselte eine Forschergruppe am Zentrum für Hirnforschung an der medizinischen Universität Wien den Wirkmechanismus. Den Forschern gelang der Nachweis, dass die Wirkstoffmoleküle an eine spezifische Bindungsstelle von GABA-Rezeptoren andocken, wo sie eine beruhigende Wirkung entfalten. Die Forschungsergebnisse fließen gegenwärtig in die Entwicklung von Medikamenten mit gemilderten Nebenwirkungen bei gleichzeitig geringerem Abhängigkeitspotenzial ein.
Bevor diese Mittel die Marktreife erlangen, sind noch viele Anstrengungen in der Forschung erforderlich. In der Zwischenzeit droht allerdings das bewährte System von »Suchtprävention durch Restriktion« aus den Angeln gehoben zu werden. Schuld daran ist die freie Verfügbarkeit rezeptpflichtiger Medikamente im Internet. Onlineapotheken wie rezeptfrei-kaufen.net haben in ihrem Sortiment nicht nur Valium frei verkäuflich im Angebot, sondern ebenso Ritalin, Rohypnol, Hormonpräparate plus zahlreiche andere verschreibungspflichtige Wirkstoffe. Die Umsätze sind so immens, dass Ärzte im Einklang mit Apothekerverbänden vielmals von einer Revolution auf dem Arzneimittelmarkt sprechen. Gesetzliche Verbote sind mangels effektiver Kontrollmechanismen oft wirkungslos. Nur eine bessere Patientenaufklärung kann der ungebremsten Verbreitung hochwirksamer Psychopharmaka Einhalt gebieten.