Wolfgang Rehme aus Rostock sah immer schlechter. Seine Augenhornhaut hatte sich zunehmend eingetrübt. Ursache war die Fuchs’sche Endotheldystrophie, eine Erkrankung der Augenhornhaut, die mit einem Funktionsverlust der inneren Zellschicht einhergeht. „Die einzige Chance war eine Hornhauttransplantation“, sagt Prof. Dr. Anselm G. M. Jünemann, Chefarzt der Augenklinik der Universitätsmedizin Rostock. Er hat den 75-jährigen Rostocker mit der sogenannten DMEK-Methode (Descemet Membrane Endothelial Keratoplasty) operiert. Das Transplantat kam fertig vorbereitet von der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG). Die gemeinnützige Gesellschaft, die bundesweit einen Großteil der Hornhauttransplantate zur Verfügung stellt, ist die bisher einzige Gewebeeinrichtung in Deutschland, die vorpräparierte Spenderhornhäute für DMEK vermittelt.
Mehr Sicherheit im OP
Bei der DMEK-OP muss der Arzt, im Gegensatz zur kompletten Hornhauttransplantation, nur eine ultradünne Schicht der Augenhornhaut ersetzen. Das Verfahren hat sich in den vergangenen Jahren zum Goldstandard in der Behandlung vor allem der Fuchs’schen Endotheldystrophie entwickelt. Das Endothel, die innen liegende Pumpzellenschicht, befördert Wasser aus der Hornhaut. Funktioniert sie nicht richtig, quillt die Hornhaut auf und trübt ein. Klares Sehen ist nicht mehr möglich. Eine Hornhauttransplantation ist oft die einzige Behandlungsmöglichkeit. Bisher haben Ärzte die benötigte Hornhautlamelle direkt im OP für die Transplantation vorbereitet. „Dabei bestand aber immer die Gefahr, dass die Hornhaut einreißt“, sagt Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG. Ende des vergangenen Jahres hat das Paul-Ehrlich-Institut der DGFG die Genehmigung erteilt, Spenderhornhäute direkt in der Gewebebank vorzubereiten und in Verkehr zu bringen. „Jetzt haben wir die 100. Hornhautlamelle zur Transplantation nach Mecklenburg-Vorpommern vermittelt“, sagt Börgel. Das neue Verfahren bedeute eine deutliche Zeitersparnis für Operateure und mehr Sicherheit für die Patienten. Damit sinkt auch für lamelläre Transplantationen die Wartezeit deutlich.
Der Zulassung ging ein langer Entwicklungsprozess voraus
„Die Entwicklung des komplett neuen Verfahrens zur Herstellung vorpräparierter Hornhautlamellen für DMEK nahm inklusive aller Versuche und Genehmigungen mehrere Jahre in Anspruch“, sagt Börgel. Die Präparation im hochsterilen Reinraum der Gewebebank Hannover und standardisierte Arbeitsschritte ermöglichen eine Erfolgsquote von 95 Prozent. Die innenliegende Endothelseite der Spenderhornhaut wird dabei mit einem Trepan, einem kreisförmigen Skalpell, oberflächlich angestanzt. Ein Mitarbeiter der Gewebebank präpariert beginnend von der Trepanationsspur die Descemetmembran der Augenhornhaut bis auf einen kleinen zentralen Bereich vom Stroma ab. Durch Auftropfen eines Entquellungsmediums werden die abgelösten Bereiche zurück auf die Stromaschicht gelegt. Vor- und nach der Präparation ermittelt die Hornhautbank die Endothelzelldichte und -vitalität. Vor dem Versand in einem speziellen Gefäß erfolgt eine zusätzliche mikrobiologische Kontrolle.
Wartezeit ist deutlich zurückgegangen
Die Erkrankung der Hornhaut, unter der Wolfgang Rehme aus Rostock seit Jahren litt, führte dazu, dass er immer schlechter sehen konnte. „Es war ein schleichender Verlauf“, sagt er. Die Wartezeit auf ein Transplantat ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen. Rehme musste nur wenige Wochen auf seine Transplantation in der Universitätsmedizin Rostock warten. Noch vor Jahren hätten Ärzte die gesamte Hornhaut ersetzen müssen. „Jetzt reicht ein winziger, nur wenige Millimeter große Schnitt, um das hauchdünne Transplantat ins Auge einzubringen“, erklärt Prof. Jünemann. Zuvor muss der Operateur die erkrankte Schicht der Hornhaut, das Endothel, entfernen. Danach bringt er die gerollte Spenderlamelle mit einem speziellen System ins Auge ein und entfaltet sie mittels einer Luftblase.
Ohne Gewebespende keine Transplantation
Die DMEK-OP weist deutliche Vorteile gegenüber der herkömmlichen Methode auf. „Die Patienten können häufig schon nach einer Woche wieder besser sehen, eine zusätzliche Naht entfällt und auch das Risiko der Abstoßung ist deutlich geringer“, sagt Prof. Jünemann. Bei einer normalen Hornhauttransplantation dauere es oft über ein Jahr, bis der Patient wieder gut sehen kann. Voraussetzung für jede Transplantation ist aber auch nach wie vor die Gewebespende eines verstorbenen Menschen. „Fast jeder in einem Krankenhaus Verstorbene kann seine Augenhornhaut spenden“, sagt Börgel. Pro Jahr transplantieren Ärzte in Deutschland etwa 6.000 Hornhäute. Mehr als die Hälfte der Operationen sind inzwischen lamelläre Transplantationstechniken, vor allem die DMEK. Auch an der DGFG geht diese Entwicklung nicht vorbei. Die gemeinnützige Gesellschaft hat 2015 über 2.700 Hornhäute an Patienten vermittelt, knapp die Hälfte für lamelläre Operationen. Die Wartezeit auf ein Transplantat ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen.