- Um eine stärkere Orientierung der Entscheidungen des G-BA am
Gemeinwohl zu erreichen, müssen Repräsentativität und Art der
Entscheidungsfindung reformiert und Governance-Regeln festgelegt
werden. Die sogenannte Vertrauensgut-Problematik erfordert zudem
Maßnahmen, um die Regulierungsfunktion zu verbessern und nicht
Partikularinteressen in den Vordergrund zu stellen.
- Evidenzbasierte Medizin und (frühe) Nutzenbewertung sind zwar
sinnvolle Instrumente, dürfen Innovationen mit Potenzial aber
nicht von vorneherein ausbremsen.
- Stiftung Münch setzt eine Reformkommission ein, die Lösungen
erarbeitet. Ihr gehören die Professoren Justus Haucap, Ferdinand
Wollenschläger und Stefan Hartmann an.
Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) müssen
künftig stärker am Gemeinwohl orientiert sein und dürfen nicht von
Partikularinteressen dominiert werden. Insbesondere Innovationen, die
zu einer Verbesserung der Versorgung führen oder sogar
systemverändernd wirken können, müssen einen Zugang ins System
finden. Durch die derzeitige Funktionsweise des G-BA ist dies jedoch
nicht immer hinreichend gewährleistet, wie aus einer Studie
hervorgeht, die von DICE Consult in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorf
Institute for Competition Economics (DICE) der Heinrich
Heine-Universität Düsseldorf unter der Leitung von Prof. Dr. Justus
Haucap und Dr. Michael Coenen im Auftrag der Stiftung Münch erstellt
wurde. In der Studie wurde aus wettbewerbstheoretischer und
regulierungsökonomischer Perspektive untersucht, inwieweit Struktur
und Arbeitsweise des G-BA grundsätzlich geeignet sind, zu einer
innovationsoffenen und Effizienz steigernden Weiterentwicklung der
GKV-Gesundheitsversorgung beizutragen. Die Ergebnisse verdeutlichen,
dass bei den Entscheidungen des G-BA sowohl Probleme in der
Gemeinwohlorientierung als auch bei der Innovationsoffenheit
bestehen.
1. Gemeinwohlorientierung des G-BA:
Die Repräsentativität der Vertreter des G-BA und die Art der
Entscheidungsfindung können dazu führen, dass Allianzen geschmiedet
und Gruppen, die nicht im G-BA vertreten sind, benachteiligt werden.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch, dass es keine
Regelungen der Governance des G-BA gibt, die zum Beispiel die Wahrung
der Unabhängigkeit der Mitarbeiter - auch für eine gewisse Zeit nach
ihrem Ausscheiden aus dem G-BA - gewährleisten. Erschwerend kommt
hinzu, dass es sich bei Gesundheitsleistungen um besondere
Vertrauensgüter handelt, deren Erbringer zugleich auf die Regulierung
Einfluss nehmen. Deshalb ist es möglich, dass Partikularinteressen
über das Gemeinwohl gestellt werden.
2. Innovationsoffenheit des G-BA
Innovationen zielen grundsätzlich darauf ab, bestehende Angebote
zu verbessern. Meist gibt es dabei auf der Anbieterseite Gewinner und
Verlierer. Mit dem G-BA existiert im deutschen Gesundheitswesen die
Besonderheit, dass potenzielle Verlierer von Innovationen selbst Teil
der Regulierungsbehörde sein können. Innovationen, die Besitzstände
der im G-BA vertretenen Gruppen gefährden, können daher nur
schwerlich mit einem Markteintritt rechnen. In einigen Fällen ist
auch die evidenzbasierte Medizin als alleinige Entscheidungsgrundlage
kritisch zu sehen. Oftmals wären zum Beispiel erst Pilotprojekte
nötig, um Daten für die Evidenzbasierung erst zu schaffen.
Reformkommission wird Lösungsvorschläge erarbeiten
Um Lösungen für eine Verbesserung der Arbeitsweise des G-BA sowie
Handlungsempfehlungen auf diesen Themenfeldern zu erarbeiten, hat die
Stiftung Münch eine Reformkommission ins Leben gerufen. Zum Kern des
Teams gehören Professor Justus Haucap, Professor Ferdinand
Wollenschläger und Professor Stefan Hartmann. Weitere Experten werden
je nach zu bearbeitender Fragestellung hinzugezogen. Auch der G-BA
soll in die Beratungen einbezogen werden und die Möglichkeit
erhalten, Experten zu benennen, die die Arbeit der Reformkommission
unterstützen. Ein diesbezügliches Gesprächsangebot an den G-BA blieb
jedoch bis heute unbeantwortet.
"Das Ziel der Stiftung ist es, das deutsche Gesundheitswesen
zukunftsfähiger zu machen und dabei die Versorgung
patientenorientiert zu gestalten", so Stephan Holzinger,
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Münch, "der G-BA ist als Gremium
der Selbstverwaltung in einem regulierten Markt dabei eine wichtige,
aber augenscheinlich reformbedürftige Einrichtung. Wir wollen
konstruktiv dazu beitragen, dass die Entscheidungen dort künftig so
getroffen werden, dass keine Partikularinteressen mehr überwiegen und
insbesondere Sprunginnovationen, von denen Patienten erheblich
profitieren können, neutral bewertet und berücksichtigt werden." Die
Ergebnisse der Reformkommission werden öffentlich zugänglich gemacht.
Die Stiftung Münch hatte das Gutachten im Mai dieses Jahres in
Auftrag gegeben. Die Aufarbeitung der Aufgaben, der tatsächlichen
Arbeitsweise und möglicher Defizite in der Struktur und (faktischen)
Funktionsweise des G-BA unter dem Aspekt einer innovationsoffenen,
effizienten und hochwertigen Versorgung stand dabei im Fokus.
Pressekontakt:
Annette Kennel, 089 255 4667 0, ak@stiftung-muench.org