fit und munter - Zentrale Ethikkommission bei der BÄK legt Stellungnahme zur "Medizinischen Altersschätzung bei unbegleiteten jungen Flüchtlingen" vor

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Zentrale Ethikkommission bei der BÄK legt Stellungnahme zur "Medizinischen Altersschätzung bei unbegleiteten jungen Flüchtlingen" vor


"Radiologische Untersuchungen und Blutentnahmen
sind wie andere medizinische Maßnahmen Eingriffe in die körperliche
Unversehrtheit. Medizinische Altersfeststellungen bei jungen
Geflüchteten, für die es in der Regel keinerlei ärztliche Indikation
gibt, sollten deshalb die absolute Ausnahme sein. Wenn überhaupt,
sollten sie nur auf Antrag des Geflüchteten selbst oder auf
gerichtliche Anordnung vorgenommen werden." Das forderte Dr. Ulrich
Clever, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesärztekammer, bei der
Vorstellung der Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission bei der
Bundesärztekammer (ZEKO) zur "Medizinischen Altersschätzung bei
unbegleiteten jungen Flüchtlingen". Clever warnte, dass die
Betroffenen ohnehin häufig von Krieg und Flucht gezeichnet seien.
"Die Untersuchungen könnten eine weitere Psychotraumatisierung zur
Folge haben."

Zum Hintergrund: In Deutschland sind bei unter 18jährigen die
Bestimmungen der Kinder- und Jugendhilfe anzuwenden, die im 8.
Sozialgesetzbuch niedergelegt sind. Diese Schutzvorschriften
entfallen, wenn der junge Mensch nicht mehr minderjährig ist. So
werden Kinder und Jugendliche aus Krisenregionen, die unbegleitet
nach Deutschland kommen, in der Regel asylrechtlich anerkannt und in
Jugendhilfeeinrichtungen, Pflegefamilien oder Wohngemeinschaften
betreut. Dies ermöglicht ihnen einen verlässlichen Zugang zu Bildung,
Erziehung und gesundheitlicher Versorgung. Allerdings können viele
junge Flüchtlinge keine Angaben zu ihrem genauen Lebensalter machen.
Mitunter wird Ihnen von staatlichen Stellen kein Glauben geschenkt.
In diesen Fällen können die Behörden das Alter des Geflüchteten
schätzen lassen, was in Deutschland regional sehr unterschiedlich
gehandhabt wird: In manchen Regionen werden alle Geflüchteten, die
ein Alter unter 18 Jahren angeben, ohne Altersschätzung in Obhut
genommen. In anderen werden diejenigen, bei denen Zweifel bestehen,
regelmäßig einer Altersschätzung zugeführt. Zur Anwendung kommen
dabei entweder eine sozialpädagogische Altersschätzung der
psychischen Reife, eine körperliche Untersuchung oder beides. Zwar
können Geflüchtete die Teilnahme an dem Verfahren der medizinischen
Altersschätzung ablehnen. Die Ablehnung führt in der Regel jedoch zur
Annahme der Volljährigkeit und ist damit zum Nachteil der
Betroffenen.

Prof. Dr. Dieter Birnbacher, Vorsitzender der Zentralen
Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, wies darauf hin, dass
aufgrund der gesundheitlichen Risiken bestimmter Verfahren besondere
Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit der Untersuchungen gestellt
werden müssten. "Auf der Grundlage der von uns eingeholten Expertisen
und der darin angeführten Literatur sind wir zu dem Ergebnis
gekommen, dass durch keine der praktizierten medizinischen
Untersuchungen das Alter mit hinreichender Zuverlässigkeit
festgestellt werden kann", so Birnbacher. Notwendig sei deshalb die
Entwicklung interdisziplinärer Standards unter Beteiligung aller
relevanten Fachgesellschaften. Solange diese nicht vorlägen, könnten
sich die Behörden an den Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft für
Forensische Altersdiagnostik orientieren. Diese schlössen
beispielsweise Röntgen- und Genitaluntersuchungen aus.

In ihrer Stellungnahme plädiert die ZEKO außerdem dafür, dass die
Altersschätzung zunächst sozialpädagogisch erfolgen sollte. Bei der
Abwägung zwischen der Genauigkeit der Schätzung einerseits und
möglichen Risiken andererseits sollte die Gesundheit der jungen
Flüchtlinge Vorrang haben. Die informierte Zustimmung zur
medizinischen Altersschätzung setze zudem eine "intensive und
einfühlsame" Information und einen fachlich qualifizierten
Dolmetscher voraus. Der gesetzliche Vertreter müsse aufgeklärt werden
und dem Verfahren zustimmen. Auch sollten nur pädiatrisch
qualifizierte Ärzte körperliche Untersuchungen vornehmen dürfen.
Schließlich sollte bei nicht auszuräumenden Zweifeln am Lebensalter
zu Gunsten des Betroffenen entschieden werden.

Die Stellungnahme "Medizinische Altersschätzung bei unbegleiteten
jungen Flüchtlingen" ist im Internet abrufbar:
http://www.zentrale-ethikkommission.de/page.asp?his=0.1.66



Pressekontakt:
Bundesärztekammer
Stabsbereich Politik und Kommunikation
Herbert-Lewin-Platz 1
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