fit und munter - Mikrobiom und Diabetes: Gesund oder krank? Bakterien-Stoffwechsel zeigt den Unterschied

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Mikrobiom und Diabetes: Gesund oder krank? Bakterien-Stoffwechsel zeigt den Unterschied




Der menschliche Darm ist ein komplexes Ökosystem: Zahllose
Bakterien besiedeln ihn und helfen dabei, die Nahrung zu verdauen.
Wissenschaftler des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB)
der Universität Luxemburg haben jetzt in Zusammenarbeit mit der IBBL
(Integrated BioBank of Luxembourg), dem Centre Hospitalier de
Luxembourg und dem Centre Hospitalier Emile Mayrisch einen Weg
gefunden, dieses Ökosystem - das Mikrobiom des Darms - noch genauer
zu untersuchen: Mit ihrem neuen Analyseansatz können sie das
Erbmaterial der Bakterien, die DNA, analysieren und zugleich die RNA
einbeziehen, also die Moleküle, die beim Ablesen der DNA zunächst
gebildet werden.

(Photo: http://photos.prnewswire.com/prnh/20161011/427429 )

(Photo: http://photos.prnewswire.com/prnh/20161011/427430 )

Außerdem können sie auch die Proteine identifizieren, die im
nächsten Syntheseschritt entstehen. "Erstmals können wir jetzt
herausfinden, was gleichzeitig auf den drei Ebenen DNA, RNA und
Proteine in der mikrobiellen Gemeinschaft des Darms passiert", sagt
Prof. Dr. Paul Wilmes, Leiter der Eco-Systems Biology-Gruppe des
LCSB, die federführend bei der Untersuchung war: "Das ist wichtig, um
Krankheiten wie Diabetes besser zu verstehen, auf die die Darmflora
einen Einfluss hat." So konnten die Forscher feststellen, dass sich
Diabetes-Patienten und gesunde Menschen in der Zusammensetzung der
Darmflora kaum unterscheiden. Welche Gene der Bakterien des
Mikrobioms ein- oder ausgeschaltet sind, ist hingegen deutlich
unterschiedlich. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forscher heute
im renommierten Journal "Nature Microbiology".

(DOI: 10.1038/NMICROBIOL.2016.180).

Im Zentrum der so genannten MUST-Studie (Diabetes multiplex family
study) stehen Patienten, die bereits seit einigen Jahren an Diabetes
vom Typ 1 leiden und die Stuhlproben bei der IBBL - einem
wesentlichen Partner bei den Untersuchungen - hinterlegt haben. "Wir
haben die Bakterien aus Stuhlproben dieser Menschen untersucht", sagt
Dr. Anna Heintz-Buschart, Erstautorin der Veröffentlichung: "Außerdem
konnten wir auch Stuhlproben gesunder naher Verwandter der
Diabetes-Patienten analysieren." Dabei stellten die Wissenschaftler
fest, dass sich die bakterielle Artenzusammensetzung zwischen
Menschen mit und ohne Diabetes gar nicht so dramatisch unterscheidet,
wie bisher angenommen wurde. Heintz-Buschart: "Es gibt aber deutliche
Unterschiede was die Bakterien tun."

Hintergrund dieser Veränderungen dürfte sein, dass bei
Typ-1-Diabetes die insulinbildenden Zellen vom eigenen Immunsystem
angegriffen werden. Dadurch wird die Bauchspeicheldrüse in
Mitleidenschaft gezogen, wodurch sich wiederum die Zusammensetzung
der Verdauungssäfte ändern kann. "Die Darmbakterien müssen sich auf
diese Veränderung in ihrer Umwelt einstellen", so Heintz-Buschart:
"Das machen sie, indem sie ihren Stoffwechsel anpassen, also Proteine
oder Vitamine wie Thyamin in anderen Mengen herstellen. Wichtig dabei
ist, dass ein veränderter Thyamin-Spiegel im Körper negativen
Einfluss auf den Verlauf der Krankheit haben könnte." Die
ursprünglich nützlichen Bakterien werden so zum gesundheitlichen
Risiko und verschlechtern unter Umständen das Krankheitsbild des
Diabetes.

Solch exakte Aussagen über die krankheitsrelevanten Veränderungen
im Mikrobiom und Erkenntnisse über deren funktionelle Auswirkungen im
Körper waren bisher unmöglich, unterstreicht Paul Wilmes: "Mit den
üblichen DNA-Analysen konnten wir zwar die Artenzusammensetzung im
Ökosystem Darm bestimmen. Was dort aber eigentlich los war, blieb uns
verschlossen." Wilmes vergleicht dies mit einer Volkszählung: "Wir
konnten zwar die Bevölkerung zählen, wussten aber nichts über die
Berufe, die die Menschen ausüben. Jetzt wissen wir, wer was wann
macht." Der Durchbruch war die Kombination verschiedener
Analysetechniken: "Wir haben erstmals Genomics, Transcriptomics und
Proteomics gemeinsam in den Blick genommen, also gleichzeitig DNA,
RNA und Proteine des Mikrobioms untersucht. So erfahren wir nun,
welche Gene zu einem bestimmten Zeitpunkt abgelesen und welche
Proteine produziert werden. Die parallele Betrachtung der drei Ebenen
vermittelt uns ein völlig neues Bild von den funktionellen Abläufen
beispielsweise im Stoffwechsel, die im Darm ablaufen."

Große Hoffnung auf den neuen Forschungsansatz richten vor allem
die Mediziner, mit denen Wilmes und sein Team zusammenarbeiten. Zu
ihnen gehört Dr. Carine de Beaufort, die sowohl am LCSB als auch am
Centre Hospitalier de Luxembourg forscht und Patienten behandelt.
Dank ihrer Hilfe war es überhaupt erst möglich Familien zu
identifizieren, in denen Kranke und Gesunde zur Teilnahme an der
Studie bereit waren. "Wir versprechen uns von solchen Untersuchungen
Hinweise auf Biomarker", sagt sie. "Das sind Moleküle, etwa Proteine,
deren Menge im Körper sich schon im frühen Stadium einer
Diabetes-Erkrankung ändert. Solche Biomarker würden die Diagnose
erleichtern, sodass wir schon sehr früh präventiv oder therapeutisch
eingreifen könnten."

Um die Suche nach den Biomarkern voranzutreiben, soll die Studie
weitergehen, so Paul Wilmes: "Wir würden jetzt gern mit Familien
zusammenarbeiten, in denen Kinder mit Frühformen von Diabetes leben",
sagt er: "Gerade bei jungen Menschen ist es besonders wichtig, so
früh wie möglich Hinweise auf Krankheiten zu bekommen. Denn je eher
die Ärzte eingreifen können, umso besser können sie für ein Leben mit
möglichst wenigen Einschränkungen sorgen."Wilmes hat dabei
detaillierte mechanistische Studien im Sinn, um die komplexen
Funktionen des Mikrobioms besser zu verstehen: "Damit können wir
erkennen, wie funktionelle Unterschiede beispielsweise bei der
Biosynthese des Vitamins Thyamin durch das Darmmikrobiom mit Typ
1-Diabetes in Verbindung stehen. Studien wie MUST sind dafür als
Hypothesengenerator unerlässlich."

Das MUST Projekt wurde in Zusammenarbeit zwischen verschiedenen
Forschungsgruppen des Luxembourg Centre for Systems Biomedicine der
Universität Luxembourg, der IBBL, dem Centre Hospitalier de
Luxembourg und dem Centre Hospitalier Emile Mayrisch durchgeführt.
Das Projekt wurde im Rahmen des Personalized Medicine Consortiums
initiiert und erhielt finanzielle Unterstützung von der IBBL und dem
ATTRACT, CORE, INTER und AFR Förderprogrammen des Luxembourg National
Research Fund (FNR).

Hinweise an die Redaktion:

Bibliografische Daten:

Anna Heintz-Buschart, Patrick May, Cédric C. Laczny, Laura A.
Lebrun, Camille Bellora, Abhimanyu Krishna, Linda Wampach, Jochen G.
Schneider, Angela Hogan, Carine de Beaufort and Paul Wilmes:
Integrated multi-omics of the human gut microbiome in a case study of
familial type 1 diabetes. Nature Microbiology.

Kontakt für weitere Informationen: Ass. Prof. Dr. Paul Wilmes, E.
paul.wilmes@uni.lu , T. +352-46-66-44-6188

Thomas Klein

Science Editor

Communications Department



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