Das jüngste Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG)
zur Nachbesetzung von chirurgischen Vertragsarztsitzen gefährdet die
zukünftige Patientenversorgung in chirurgischen Arztpraxen. Zu diesem
Schluss kommt der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC).
Der Rechtsspruch des BSG verbietet die Übernahme einer bestehenden
chirurgischen Facharztpraxis durch den größten Teil der
niederlassungswilligen Fachärzte aus dem Gesamtgebiet der Chirurgie.
Das Gericht hat festgelegt, dass nur noch Praxen übernommen werden
dürfen, deren Inhaber neben dem Facharzt für Chirurgie auch die
Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie führt. Damit wird die
Weitergabe eines Großteils der chirurgischen Praxen nicht mehr
möglich sein. "Die Kollegen werden keine Nachfolger mehr finden, da
abgesehen von wenigen Spezialisten die Kernarbeit in der Betreuung
von Patienten mit Erkrankungen oder Verletzungen des
Bewegungsapparates liegt." erklärte Dr. med. Jörg-A. Rüggeberg,
Vizepräsident des Berufsverbandes. "Unabhängig von der existentiellen
persönlichen Katastrophe durch den Verlust der Altersvorsorge in Form
des nicht mehr veräußerbaren Praxiswertes, stehen wir vor einem
flächendeckenden Verlust einer wichtigen Behandlungsebene für die
Bevölkerung in Form der ambulanten Basischirurgie." so Rüggeberg.
"Ein kompletter Versorgungsbereich wird durch Richterspruch
abgeschafft werden, und die Patienten werden stattdessen die
Krankenhausambulanzen aufsuchen müssen, die für diese Aufgabe keine
ausreichenden Kapazitäten besitzen."
Hintergrund der Entscheidung ist eine Veränderung der
Weiterbildungsordnung im Gebiet Chirurgie. Während früher ein Chirurg
grundsätzlich die Weiterbildung Chirurgie, dann später ggf. mit
Schwerpunkten wie z. B. Unfallchirurgie abgeschlossen hatte, um sich
dann als Chirurg niederzulassen, gibt es den Facharzt für Chirurgie
heute nicht mehr. Stattdessen ist das Gesamtgebiet aufgeteilt in acht
verschiedene Fachsäulen, z. B. Gefäßchirurgie, Kinderchirurgie und
Orthopädie/Unfallchirurgie. Auch der bisherige Facharzt für
Orthopädie ist abgeschafft worden und mit der Unfallchirurgie zu
einem gemeinsamen Facharzt verschmolzen. Allerdings ist trotz dieser
Änderung der Facharztweiterbildung die sogenannte Bedarfsplanung,
welche die Nachbesetzungsmöglichkeiten bestehender Praxen regelt,
nicht geändert worden. Hier gibt es unverändert zwei getrennte
Planungsbereiche Orthopädie und Chirurgie, obwohl die zugehörigen
Fachärzte in dieser Form nicht mehr nachgebildet werden.
Der Gemeinsame Bundesausschuss als Normgeber für die
Bedarfsplanung hat bisher keine neue Form beschlossen, lediglich eine
Art Durchführungsbestimmung erlassen, wonach die neuen Fachärzte für
Orthopädie/Unfallchirurgie einen bisherigen Chirurgensitz übernehmen
können, wenn der Sitzinhaber überwiegend
unfallchirurgisch-orthopädisch tätig war.
Dringend geboten ist daher eine umgehende Änderung der
Bedarfsplanung durch den gemeinsamen Bundesausschuss, um die
geänderte Weiterbildung von Chirurgen und Orthopäden so zu
berücksichtigen, dass auch weiterhin eine ausreichende Versorgung der
Bevölkerung mit basischirurgischen und daneben auch
hochspezialisierten chirurgischen Behandlungsformen garantiert wird.
"Es darf nicht passieren, dass Gerichte in die chirurgische
Versorgungslandschaft eingreifen, nur weil notwendige Entscheidungen
nicht rechtzeitig getroffen werden", so auch Professor Dr. med. Dr.
h.c. Hans-Joachim Meyer, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen
Chirurgen.
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