Der Streit um den Risikostrukturausgleich (RSA) hat
zuletzt deutlich an Schärfe gewonnen. Jetzt fordert die AOK eine
Versachlichung der Debatte und legt dazu ein Positionspapier vor.
Demnach sind Änderungen am RSA nur dann sinnvoll, wenn sie im
Einklang mit dessen sozialpolitischen Zielen stehen. Jeder
Änderungsvorschlag zum RSA müsse sich daran messen lassen, ob er die
Zielgenauigkeit auf Versichertenebene erhöhe, die
Risikoselektionsanreize zulasten bestimmter Versichertengruppen
weiter abbaue und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeitsanreize stärke.
Mit diesen Prüfkriterien müsse jetzt eine Gesamtuntersuchung durch
den Wissenschaftlichen Beirat des Bundesversicherungsamts (BVA) auf
vollständiger Datengrundlage starten.
Als Ad-hoc-Maßnahme fordert die AOK-Gemeinschaft die Einführung
von verbindlichen, bundeseinheitlichen Kodierrichtlinien für die
ambulante Versorgung. Mit Blick auf die aktuellen
Manipulationsvorwürfe sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des
AOK-Bundesverbandes: "Diese Ergänzung der Datengrundlagen ist seit
langem überfällig und zwingend notwendig. Wir brauchen eine
verlässliche Basis für die faire Verteilung der Mittel." Die
qualitätsgesicherte Einhaltung dieser Richtlinien müsse gesetzlich
sichergestellt und Verstöße müssten sanktioniert werden.
Als weitere Sofortmaßnahme schlägt die AOK vor, die bestehende
Begrenzung der im RSA berücksichtigten Krankheiten aufzuheben. Im
Positionspapier heißt es dazu: "Durch die heute bestehende Auswahl
von nur 80 Krankheiten ist die Zielgenauigkeit des Morbi-RSA
unnötigerweise beschränkt. Werden alle Krankheiten berücksichtigt,
entfällt auch der analytische und administrative Aufwand, der mit
einer regelmäßigen Überprüfung der Auswahl von 80 Krankheiten
verbunden ist. Zugleich ist davon auszugehen, dass durch den Wegfall
der Begrenzung auf 80 Krankheiten auch die Unterscheidung in
vermeintlich lukrative und nicht lukrative Diagnosen entfällt." Jens
Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des
AOK-Bundesverbandes, dazu: "Die unsägliche Debatte, ob der RSA besser
schwere Akuterkrankungen oder die sogenannten Volkskrankheiten
einbeziehen sollte, hätte auf einen Schlag ein Ende."
Im Sinne einer kurzfristigen Reformperspektive sieht die
AOK-Gemeinschaft vor allem drei Prüfaufträge: Anknüpfend an das
aktuelle Wasem-Gutachten zur Weiterentwicklung der
Krankengeldzuweisungen sollten künftig sowohl die Krankheitslast als
auch das Einkommen der Mitglieder im RSA aufgegriffen werden. "Eine
einseitige Berücksichtigung allein des Einkommens oder der Morbidität
ist nicht zielführend." Letzte Fragen zur Verwendung der
Einkommensdaten und der Abbildung der Krankengeld-Morbidität müssten
noch geklärt werden. "Die Entwicklung eines gesonderten
Krankengeld-Modells entfiele jedoch, wenn im Klassifikationsmodell
für den Morbi-RSA alle Krankheiten berücksichtigt würden."
Auch die Weiterentwicklung der Zuweisungen für Auslandsversicherte
erscheint nach Studienlage kurzfristig möglich. Dazu müssten
allerdings flächendeckend landesspezifische, standardisierte
Leistungsausgaben vorliegen und außerdem die inländischen Ausgaben
der Auslandsversicherten ermittelt werden. Kurzfristig muss aus
AOK-Sicht zudem geprüft werden, ob die Zielgenauigkeit des RSA nicht
auch durch sozio-ökonomische Merkmale verbessert werden kann.
Internationale Erfahrungen und Ergebnisse der Gesundheitsökonomie
legen dies nahe.
Neben Sofortmaßnahmen und kurzfristigen Anpassungsvorschlägen
plädiert die AOK für die Beibehaltung einer kontinuierlichen,
wissenschaftlich fundierten Weiterentwicklung des RSA. In der
langfristigen Perspektive zeigten sich vor allem zwei
Diskussionsstränge: der angemessene Umgang mit Hochkostenfällen sowie
die Berücksichtigung von Regionaldimensionen. So sprächen innovative
Ansätze aus dem Ausland für die Aufnahme eines Hochkostenmerkmals in
die RSA-Formel, wohingegen es aus AOK-Sicht für die Einführung einer
Regionalkomponente keine guten Argumente gebe: "Deshalb besteht aus
Sicht des AOK-Systems kein Anknüpfungspunkt für eine
Regionalisierung."
Mit Blick auf die RSA-Kritik anderer Einzelkassen oder
Kassenverbände stellt Litsch fest: "Den Kritikern ist gemein, dass
sie allein auf die Optimierung der Zuweisungen für die eigene Kasse
oder Kassenart schielen. Dafür nehmen sie in Kauf, nicht nur die
Zielgenauigkeit des RSA zurückzudrehen, sondern auch den RSA als
Ganzes zu diskreditieren. Das ist nicht nur ordnungspolitisch
unzulänglich, sondern schadet auch dem Vertrauen in die Grundfesten
der gesetzlichen Krankenversicherung. Daher sollten wir schnell
wieder zu einem konstruktiven Dialog zurückkehren."
Hinweis an die Reaktionen: Das Positionspapier steht zum Download
unter www.aok-bv.de
Pressekontakt:
Dr. Kai Behrens
Tel. 030 34646-2309
E-Mail: presse@bv.aok.de
Original-Content von: AOK-Bundesverband, übermittelt durch news aktuell