Ergebnis deutscher Unternehmen gemischt: Merck KGaA steigt in die
Top-Gruppe auf, Bayer und Boehringer-Ingelheim fallen im Ranking
zurück
Pharmazeutische Unternehmen werden immer besser darin, ihre
Produkte armen Menschen zur Verfügung zu stellen und globale
Gesundheitsprobleme anzugehen. Trotzdem beschränken sich die
bewährten Verfahren auf wenige Produkte und Länder. Die Chance, diese
Anstrengungen zu bündeln und auszubauen, wurde bisher noch nicht
genutzt.
(Photo: http://photos.prnewswire.com/prnh/20161111/438211-INFO )
Der am Montag veröffentlichte Access to Medicine Index 2016
bewertet, wie die 20 führenden Pharmaunternehmen den Zugang zur
medizinischen Versorgung in Entwicklungsländern verbessern.
GlaxoSmithKline, das zum bereits fünften Mal den ersten Platz belegt,
schafft es am besten, seine Access-Aktivitäten auf die besonderen
Bedürfnisse der Gesundheitsagenda abzustimmen.
Auf GSK folgen dicht hintereinander Johnson & Johnson, Novartis
und Merck KGaA. Die Pharmaindustrie ist sehr vielfältig, was sich
auch darin widerspiegelt, wie die Unternehmen den Zugang zur
medizinischen Versorgung angehen. Trotzdem teilen die vier
Unternehmen in der Spitzengruppe einige besondere Merkmale. Sie haben
die am besten entwickelten Access-Programme mit gut organisierten
Access-Strategien, die die Geschäftsentwicklung in den
Schwellenländern unterstützen, in denen der Bedarf am Zugang zur
medizinischen Versorgung hoch ist. Diese Unternehmen haben zudem
gezeigt, dass sie unabhängig festgelegte Bedürfnisse mit hoher
Priorität angehen können.
Ergebnis deutscher Pharmaunternehmen gemischt
Was deutsche Pharmaunternehmen angeht, so ist das Ergebnis
gemischt. Merck KGaA befindet sich in der obersten Gruppe und ist
Vierter. Merck KGaA hat deutliche Stärken im Ausbau von R&D- und
Herstellungskapazitäten. In Zusammenarbeit mit der Universität von
Namibia und mit Unterstützung des dortigen nationalen Programms zur
Malariabekämpfung, forscht Merck an Malaria im südafrikanischen Raum.
Aber sowohl Bayer als auch Boehringer-Ingelheim haben Plätze
eingebüßt. Das liegt zum Teil daran, dass die anderen Unternehmen
mehr tun. Bayer setzt sich zwar besonders für vernachlässigte
tropische Krankheiten und für Familienplanung ein, ist aber dafür in
anderen Bereichen weniger aktiv. Boehringer-Ingelheim ist auf den 16.
Platz zurückgefallen, hat aber die größte Projektpipeline (52
Projekte) gegen die Bekämpfung von Krankheiten mit einem starken
Fokus auf nicht-übertragbare Krankheiten.
Der Index 2016 hat untersucht, inwieweit die Access-Tätigkeit
eines Unternehmens bedarfsgerecht ist: Wo werden die Maßnahmen des
Unternehmens auf die speziellen Prioritäten abgestimmt, die zum
Beispiel von den jeweiligen Ländern, den weltweiten
Gesundheitsorganisationen oder dem Index festgelegt werden. In diesem
Bereich zeigt der Index uneinheitliche Ergebnisse.
Gemeinschaftliche R&D-Modelle ein großer Anreiz
Die Unternehmen haben 850 Produkte für die 51 schwersten
Krankheiten in den Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen auf
dem Markt, 420 Produkte befinden sich in der Entwicklung. Das
schließt mehr als 100 Produkte mit ein, die sich seit 2014 in der
Pipeline befinden, und 151 Produkte, die kommerziell nicht attraktiv
sind, aber gerade von den Armen dringend benötigt werden.
Die Mehrheit (67 Prozent) der Forschungsprojekte, die Unternehmen
für Produkte mit hoher Priorität bei gleichzeitig niedrigem
wirtschaftlichen Anreiz haben, werden in Partnerschaften mit anderen
Unternehmen betrieben.
"Wir sehen Hinweise darauf, dass gemeinschaftliche R&D-Modelle ein
Anreiz für die Branche sind, dringend benötigte Medikamente zu
entwickeln, die sie sonst aus kommerziellen Gründen nicht in Betracht
gezogen hätten", sagt Jayasree K. Iyer, Geschäftsführerin der Access
to Medicine Foundation: "Der partnerschaftliche Ansatz funktioniert."
Die Fortschritte, noch mehr Medizin noch besser verfügbar zu
machen, lassen sich auch daran ablesen, wie Unternehmen mit ihren
Patenten umgehen und in welchem Umfang sie anderen Herstellern
erlauben, Generika ihrer Produkte herzustellen.
Erstmals freiwillige Lizenzvereinbarungen für Hepatitis C
Seit 2014 haben sich sieben Unternehmen neu oder in noch größerem
Maße dazu verpflichtet, auf Patentrechte für bestimmte Produkte in
bestimmten Regionen zu verzichten. So gibt es mehr Produkte gegen
HIV/AIDS, die unter freiwilligen Lizenzvereinbarungen laufen und die
in mehr Ländern als zuvor gültig sind. Zum ersten Mal überhaupt gibt
es diese Vereinbarung auch für eine andere Krankheit als HIV/AIDS:
Hepatitis C. Weltweit leiden zwischen 130 und 150 Millionen Menschen
an dieser chronischen Infektion.
Allerdings kann ein Produkt nur dann in einem Land zum Einsatz
kommen, wenn es dort registriert ist. Der Index ergab, dass
Unternehmen für ihre neuesten Produkte in nur 25 Prozent der Länder,
die der Index als hohe Priorität eingestuft hat, eine Registrierung
beantragen.
Ein weiterer Eckpfeiler, um den Zugang zur medizinischen
Versorgung zu verbessern, ist es, die Produkte erschwinglicher zu
machen. Der Index hat herausgefunden, dass bei einem Drittel der
relevanten Produkte die Zahlungsfähigkeit berücksichtigt wird. Das
hat sich seit dem Index 2014 nicht verändert. Nur 5 Prozent der
Produkte (44 von 850) verfolgen so eine Preisstrategie in den
Ländern, die der Index in die höchste Dringlichkeitsstufe einordnet,
wobei mindestens ein sozialwirtschaftlicher Faktor berücksichtigt
wird. Rund die Hälfte dieser Produkte kommen von GSK und AstraZeneca.
Weitere Ergebnisse
- Ein Viertel der Unternehmen (5) hat neue Geschäftsmodelle
entwickelt, um Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen zu
erreichen.
- Die Krankheiten, die im Fokus der Access-Aktivitäten der
Unternehmen stehen, sind Herzkrankheiten, Infektionen der unteren
Atemwege und HIV/AIDS. R&D der Unternehmen konzentriert sich auf
fünf Krankheiten, primär auf Infektionen der unteren Atemwege,
gefolgt von Diabetes, Malaria, Virushepatitis und HIV/AIDS.
- Die meisten Unternehmen setzen sich dafür ein, das
Gesundheitssystem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen
zu stärken. Sechs Unternehmen stimmen dabei ihre Tätigkeiten mit
den Prioritäten ab, die lokal, zum Beispiel von Regierungen,
festgelegt wurden.
Die Unternehmen, die sich im Ranking am meisten verbessern
konnten, waren AstraZeneca und Takeda. Beide haben im großen Maße
ihre Access-Strategien ausgebaut und angepasst. AstraZeneca
verbesserte sich um acht Plätze und hat nun mit dem sieben Platz die
Top Ten erobert. Takeda stieg um fünf Plätze auf Rang 15. Unterdessen
sind Novo Nordisk, Roche und Gilead am stärksten gefallen, da sie von
den anderen Unternehmen leistungsmäßig übertroffen wurden.
"Wir bewerten diese 20 Unternehmen inzwischen seit zehn Jahren.
Wir wissen, was wo funktioniert. Es gibt bewährte Verfahren und dort,
wo es Mechanismen gibt, die Anreize für das Engagement der Branche
bieten - zum Beispiel Patentgemeinschaften, gemeinsame R&D-Modelle,
Multi-Stakeholder-Initiativen und internationale Verpflichtungen zu
bestimmen Krankheiten - sehen wir einen Zuspruch in der Branche",
sagt Iyer. "Der Zugang zur medizinischen Versorgung ist eine
gemeinsame Verantwortung und alle Stakeholder, von der Industrie über
Regierungen bis hin zu den weltweiten Gesundheitsorganisationen,
müssen sich selbst herausfordern, diesen Einsatz auszubauen. Nur so
kann man gewährleisten, dass noch mehr Produkte in noch mehr Ländern
berücksichtigt werden, sodass pharmazeutische Produkte die Menschen
erreichen, die sie brauchen."
Hinweise für Reporter:
Medienmaterialien: Das Ranking-Diagramm, Datenpunkte zu dessen
Rekonstruktion sind auf Anfrage erhältlich.
Über den Index: Der Access to Medicine Index analysiert die
Leistungen der Top 20 der führenden forschenden Pharmaunternehmen mit
Produkten für schwere Krankheiten in Entwicklungsländern. Der Index
bewertet, in welchem Umfang die Unternehmen in sieben Bereichen den
Zugang zur medizinischen Versorgung verbessern. Er ermittelt bewährte
Verfahren und zeigt auf, wo es Fortschritte gibt und wo noch etwas
getan werden muss. Der Access to Medicine Index wird alle zwei Jahre
von der Access to Medicine Foundation veröffentlicht, einer
unabhängigen Non-Profit-Organisation. Finanziert wird der Index von
dem niederländischen Außenministerium, dem UK Aid und der Bill &
Melinda Gates Foundation.
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