Unsere Venen sind Schwerstarbeiter. Sie müssen entgegen der Schwerkraft das Blut aus den Beinen zurück zum Herzen transportieren. Hierfür sind Venenklappen in den Gefäßen eingebaut. Diese Klappen öffnen sich für das Blut, das in Richtung Herz fließt und blockieren den Rückfluss zum Fuß.
Bei einigen Erkrankungen funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr. Das Blut sackt zurück in die Beine. So zum Beispiel bei Krampfader-Leiden oder lymphatischen Erkrankungen. Patienten mit chronischen Wunden leiden ebenfalls häufig unter Schwellungen in den Beinen. Hauke Cornelsen, Wundtherapeut und Gefäßtherapeut in Hamburg: „Bei vielen Patienten mit chronischen Wunden sind auch die Lymphgefäße verletzt – im Rahmen der Wundentstehung oder aufgrund einer Grunderkrankung. Dadurch kann die Gewebsflüssigkeit nicht mehr ausreichend abtransportiert werden. Die Flüssigkeit lagert sich im Gewebe ein, Schwellungen entstehen.“ Hier erhalten die Patienten nach einer Manuellen Lymphdrainage und Wundbehandlung zunächst einen Kompressionsverband. Das Bein muss in der ersten Zeit zwei- bis viermal pro Woche behandelt werden. Schreitet die Abheilung gut voran, braucht der Patient nur noch seltener in die Praxis zu kommen. Für den Alltag erhält der Patient auch hier dann Kompressionsstrümpfe.
Die Kompressionstherapie soll den Venen und den Lymphgefäßen die Arbeit erleichtern. Wie die Bezeichnung Kompression schon andeutet, wird dabei Druck von außen auf die Beine ausgeübt. „Die Kompressionstherapie verkleinert den Durchmesser der Gefäße und die Venenklappen schließen wieder besser. Dadurch können die Venen das Blut wieder effektiver in Richtung Herz transportieren und der Lymphabfluss wird verbessert“, erläutert Hauke Cornelsen. Darüber hinaus haben Kompressionsbandagen und Kompressionsstrümpfe einen positiven Einfluss auf die Stoffwechselvorgänge im Bein und das Risiko für offene Beine sinkt. Der kontinuierliche Druck von außen wirkt zudem einem Austritt von Flüssigkeit ins Gewebe und damit einer Wasseransammlung (Ödeme) entgegen.
Es gibt verschiedene Arten von Kompressionsstrümpfen, die sich durch die Festigkeit des Materials unterscheiden.
Die vier Druckklassen sind:
Klasse 1: Leichte Kompression für einen leichten Druck. Geeignet bei müden schweren Beinen, leichter Krampfaderbildung oder beginnendem Krampfaderleiden in der Schwangerschaft.
Klasse 2: Mittlere Kompression für einen mittleren Druck. Geeignet bei stärkeren Beschwerden, ausgeprägten Krampfadern und oft geschwollenen Beinen. Auch bei stärkeren Entzündungen während der Schwangerschaft oder nach Operationen werden häufig Kompressionsstrümpfe der Klasse 2 empfohlen.
Klasse 3: Starke Kompression bei chronischer Venen-Lymphschwäche oder nach einer Thrombose. Strümpfe der Klasse 3 werden auch bei Hautveränderungen und nach Abheilen von Unterschenkelgeschwüren eingesetzt.
Klasse 4: Bei schwereren Krankheitsbildern als Klasse 3 sowie bei Lymph- und Lipödemen.
Das Wichtigste bei den Kompressionsstrümpfen: Sie müssen exakt sitzen! Denn nur gut sitzende Kompressionsstrümpfe üben optimalen Druck auf die Venen aus. Normalerweise nimmt die Apotheke oder das Sanitätsgeschäft Maß. Doch das Problem ist: Oft sitzen die Kompressionsstrümpfe viel zu fest.
Mögliche Ursachen für schlecht sitzende Kompressionsstrümpfe sind:
► Eine zusätzliche Verengung der Arterien wurde nicht geprüft oder überhaupt nicht berücksichtigt. „Diese Miteinbeziehung des arteriellen Gefäßsystems ist von essenzieller Bedeutung in der Kompressionstherapie und wird viel zu selten berücksichtigt“, betont Gefäßtherapeut Hauke Cornelsen. „Wir dürfen in der Kompressionstherapie nicht nur an die Venen denken, sondern müssen die Arterien und Lymphgefäße mit einbeziehen, denn auch diese werden durch die Kompressionstherapie komprimiert.“
► Zum Zeitpunkt der Messung waren die Beine sehr viel weniger geschwollen.
► Es wurden nicht beide Beine vermessen. „Die Beine können unterschiedlich dick sein. Daher müssen beide Beine vermessen werden“, sagt Hauke Cornelsen.
► Manchmal werde, so Hauke Cornelsen, auch nach dem Motto verfahren: Viel Druck hilft viel. „Aber das stimmt in diesem Fall nicht.“
Die Folgen für den Betroffenen sind schlimm: Zu eng sitzende Kompressionsstrümpfe verursachen oft starke Schmerzen und Druckgefühle. Im schlimmsten Fall drohen eine Gewebezerstörung (Hautnekrosen) sowie andere Druckschäden. Hauke Cornelsen: „Manche Patienten berichten, sie halten das kaum mehr aus. Das traurige Ergebnis ist, dass die Kompressionsstrümpfe dann oft in die Ecke gelegt und gar nicht mehr getragen werden – und die Grunderkrankung schreitet voran.“
Das muss nicht sein! Hauke Cornelsens Motto in puncto Kompressionsverband und Kompressionsstrümpfe: „Bis eine Station vor unangenehm tragen.“
Hauke Cornelsen rät:
• Verursachen Kompressionsstrümpfe Schmerzen oder einen Druck, sollte man zeitnah zum behandelnden Therapeuten gehen.
• Der beste Zeitpunkt zum Vermessen der Beine ist nicht – wie oft behauptet - morgens, wenn sich noch kein Wasser (Ödem) eingelagert hat, sondern dann, wenn sie leicht-mittel ödematös sind. Hauke Cornelsen: „Die Kompressionsstrümpfe haben so einen hohen Gummianteil, dass sie an sich schon hoch komprimieren. Wenn sie nun auch noch morgens zu eng gemessen werden, sind die Strümpfe so eng, dass die Patienten sehr oft ihre Strümpfe nicht angezogen bekommen oder sogar gar nicht tragen und das hilft niemandem.“ Der Hamburger Therapeut empfiehlt eine geringere Kompression, denn dadurch sind die Patienten in der Lage sie auch wirklich zu tragen. „Nur das Tragen hilft und nicht das Weglegen in den Kleiderschrank.“ Bei einer späteren neuen Kompression kann das dann langsam gesteigert werden.
• Achten Sie darauf, dass beide Beine gemessen werden, da sie oft unterschiedlich sind.
• Es ist besser, die Strümpfe einige wenige Stunden am Tag zu tragen als gar nicht. Man kann sich dann gegebenenfalls langsam steigern.
• Nachts sollten die Strümpfe nicht getragen werden.