sup.- Früher die Ausnahme, inzwischen ein gewohntes Bild im Alltag: Kinder und Jugendliche, die ganz offensichtlich einige Kilos zu viel mit sich herumschleppen. Mittlerweile ist jeder sechste Heranwachsende in Deutschland übergewichtig. Diese Tendenz ist äußerst bedenklich, denn dauerhaftes Übergewicht bedroht die Gesundheit der Kinder in vielerlei Hinsicht und dies meist ein Leben lang. Wichtige Einflussfaktoren für die Gewichtsentwicklung sind zweifelsfrei sowohl das Bewegungsverhalten als auch die Ernährungsgewohnheiten. Bewegungsmangel ist in der heutigen Kindheit ein weit verbreitetes Phänomen, das vor allem durch den hohen Gebrauch von Smartphones, Computern und Co. hervorgerufen wird. Zudem hat sich der Stellenwert von gemeinsamen Mahlzeiten im Kreise der Familie verringert. In vielen Haushalten werden sie u. a. aus Zeitmangel nur noch selten realisiert. Dadurch haben sich die Verhaltensweisen rund um die Nahrungsaufnahme negativ verändert. Einseitige und unregelmäßige Ernährung begünstigen eine Gewichtszunahme. "Ein Kind wird jedoch nicht nur dann übergewichtig, wenn es sich falsch ernährt oder zu wenig bewegt - die Ursachen von Übergewicht im Kindes- und Jugendalter sind vielschichtiger", erläutert Prof. Manfred Müller vom Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde in Kiel.
Adipositas-fördernd wirkt sich nachweislich z. B. auch eine schlechte Schlafhygiene "Social Jetlag" aus. Oftmals bedingt durch nächtlichen Medienkonsum, stehen viele Kinder morgens auf, obwohl sie nach ihrer inneren Uhr eigentlich wesentlich länger schlafen müssten. Vielfach unterschätzt wird bei der Übergewichtsproblematik nach wie vor zudem die Rolle der Gene. "Etwa 80 Prozent der dicken Kinder haben mindestens ein übergewichtiges Elternteil, bei 30 Prozent sind es beide Elternteile", fasst der Kinderarzt Dr. Thomas Kauth (Ludwigsburg) die aktuellen Forschungsergebnisse auf der Website kinderaerzte-im-netz.de zusammen.
Neben einer genetischen Veranlagung wird das Risiko für Übergewicht außerdem durch die soziale Herkunft beeinflusst. Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben ebenso wie Jugendliche mit Migrationshintergrund deutlich häufiger mit zu viel Gewicht zu kämpfen. Zu den wesentlichen Einflussfaktoren gehört ferner die psychische Verfassung: "Andauernde Belastungssituationen, Einsamkeit, "Sich-ungeliebt-fühlen" und Langeweile können dazu führen, dass die Nahrungszufuhr als Ersatzbefriedigung angesehen wird", so Dr. Kauth.
Die vielschichtigen Ursachen, die Übergewicht in der Kindheit begünstigen, machen deutlich, dass einseitige Verzichts-Empfehlungen bezüglich Lebensmitteln wenig sinnvoll sind und die Problematik nicht lösen. Zielführend können nur ganzheitliche Ansätze sein, die den gesamten Lebensstil und das Umfeld der Kinder berücksichtigen und in Präventionsmaßnahmen miteinbeziehen. Hieran zu arbeiten, ist nicht nur Aufgabe der Eltern und Erzieher, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.