"Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Europäische
Kommission patientenschützende Regeln der Mitgliedsstaaten aufgrund
von ökonomischen Erwägungen einer erneuten
Verhältnismäßigkeitsprüfung unterziehen will. Ein solches Vorgehen
kann wichtige Maßnahmen zum Schutz der Patienten erheblich verzögern.
Wenn die Europäische Kommission dies in Kauf nimmt, ordnet sie die
Patientensicherheit den Marktinteressen unter." So kommentiert Prof.
Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK),
das am 10. Januar 2017 veröffentlichte sogenannte
Dienstleistungspaket. Unter anderem fordert die Europäische
Kommission darin die Prüfung der "Verhältnismäßigkeit" von
Berufsregeln. Diese will sie auch für Regelungen durchsetzen, die dem
Patientenschutz dienen. In Deutschland ist die sorgfältige
Verhältnismäßigkeitsprüfung durch Bundes- und Landesregierungen sowie
Berufskammern geübte Praxis. Hierzu verpflichten das Grundgesetz und
die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
"Mit ihrem Vorschlag suggeriert die Europäische Kommission, dass
bestehende Berufsregeln grenzüberschreitende Tätigkeit verhindern.
Dabei ist das Gegenteil der Fall, wie die hohe Zahl von Ärztinnen und
Ärzten beweist, die bereits heute in einem anderen EU-Mitgliedstaat
arbeiten", so Montgomery. Der BÄK-Präsident fordert den europäischen
Gesetzgeber auf, dieser überflüssigen Gesetzgebung eine Absage zu
erteilen. Sie erschwert es den Mitgliedsstaaten, die Berufsausübung
in verhältnismäßigem Rahmen zu regeln und missachtet deren gerade
beim Gesundheitsschutz EU-vertraglich garantierten
Einschätzungsspielraum. Zudem verursacht die
Verhältnismäßigkeitsprüfung enorme Kosten und Bürokratie. "Leider hat
Brüssel den Brexit-Warnschuss nicht gehört. Denn statt sich auf ihre
eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren, versucht die Kommission
abermals, die gesundheitspolitischen Kompetenzen der Mitgliedsstaaten
zu beschneiden", kritisiert Montgomery.
In seinem Beschluss zur Binnenmarktstrategie (BT-DRS 18/8867) vom
Juni 2016 verdeutlicht auch der Deutsche Bundestag, dass "die
mitgliedstaatliche Regelungskompetenz für Berufsregelungen [...]
nicht in Frage gestellt werden (darf). Ein Prüfraster zur
Verhältnismäßigkeit oder Empfehlungen, die auf eine Beschränkung oder
gar das Infragestellen der Regelungskompetenz des nationalen
Gesetzgebers im Bereich der reglementierten Berufe abzielen, sind
abzulehnen."
Die Landesärztekammern gewährleisten unter anderem über das
ärztliche Berufsrecht eine qualitativ hochwertige medizinische
Versorgung der Bevölkerung. Dies steht im Einklang mit den Zielen,
wie sie auch der Vertrag über die Arbeitsweise der EU in Artikel 168
(1) definiert. Darüber hinaus legt der Vertrag in Artikel 168 (7)
fest, dass die Verantwortung für die Gesundheitspolitik sowie für die
Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung
bei den Mitgliedsstaaten liegt.
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