„Wir haben festgestellt, dass es den Apothekern in der Regel nicht an Fachkompetenz mangelt“, erläutert Egon F. Siebein, Geschäftsführer der Pesquisa GmbH. „Wenn sich die Apotheker aber wenig oder keine Zeit für eine sorgfältige Erfassung der Beschwerden nehmen, empfehlen sie häufig auch ungeeignete Arzneimittel oder geben unzureichende Verhaltensempfehlungen ab.“
Viele Fehlentscheidungen nach mangelnder Anamnese
Nur bei jedem vierten Gespräch (24%) nahmen sich die Apotheker die nötige Zeit für eine umfassende Bestandsaufnahme, die sogenannte Anamnese. Eine ordentlich durchgeführte Erfassung der Beschwerden konnte immerhin bei knapp der Hälfte aller Besuche (48%) festgestellt werden. In 28 Prozent der Fälle fiel sie dagegen lückenhaft aus oder wurde praktisch überhaupt nicht durchgeführt. War die Aufnahme lückenhaft, erhielten die Testkunden in jedem vierten Fall (26%) ein ungeeignetes Arzneimittel. Für die Abgabe geeigneter Medikamente waren in den meisten Fällen (78%) Hilfestellungen von Seiten der Testkäufer erforderlich. Dagegen wurden nur in 10 Prozent der Besuche ungeeignete Produkte trotz Kenntnis aller Umstände abgegeben oder empfohlen.
„All das verdeutlicht: Je knapper die Anamnese, desto mehr initiative Informationen müssen die Kunden dem Apotheker geben, um wenigstens bedingt geeignete Empfehlungen oder Medikamente zu bekommen“, schätzt Siebein ein. In Ulm und Heilbronn führte Pesquisa bereits ähnliche Apothekentests durch und stellte dort bei fast jeder zweiten Beratung eine umfassende Bestandsaufnahme fest. In Stuttgart fiel das Ergebnis nun deutlich schlechter aus.
Bewegung auf dem Apothekenmarkt
Zusammenfassend lässt sich für alle Testszenarien feststellen, dass gerade die Anamnese, Grundlage einer korrekten Beratung und Medikamentenabgabe, in vielen Fällen selbst nach Hilfestellungen durch die Tester vielfach oberflächlich bleibt. „Zeitdruck und Stress, zum Teil aber auch mangelndes Engagement sind dafür zumeist verantwortlich.“, fasst Egon F. Siebein zusammen. Wegen der weiterhin drohenden Öffnung des Marktes zu Gunsten großer Apothekenketten bleibt der Apothekerschaft aber nur die Möglichkeit, dieser Situation durch außerordentliche Qualität und Kompetenz in der Beratung zu begegnen. Auf diesem Feld besteht für die Stuttgarter Apotheken aber noch ein deutliches Verbesserungspotenzial.
Über die Studie
Alle 157 Apotheken in Stuttgart waren in den Test einbezogen und wurden über einen Zeitraum von vier Wochen drei Mal mit jeweils unterschiedlichen Fällen konfrontiert, um Ausreißer in positiver wie auch negativer Hinsicht (z.B. ein überfüllter Kundenraum, wodurch weniger Zeit für eine Beratung bleibt) möglichst ausschließen oder ausgleichen zu können. Unterschiedliche Testkäufer suchten dazu alle Apotheken jeweils drei Mal auf und stellten alltägliche Situationen nach: So verlangten die Personen etwa einen speziellen Hustenlöser für einen Verwandten, der seit sechs Monaten „trockener Alkoholiker" ist. In diesem Fall durfte der Apotheker nur ein Produkt ohne Alkohol abgeben. Ähnlich waren auch die beiden anderen Testfälle angelegt. Die Testkäufer waren angehalten, im Beratungsgespräch Hilfestellungen zu geben, und zwar dann, wenn die Gefahr bestand, dass der Apotheker ein ungeeignetes Arzneimittel abgibt. In dieser Situation fragten die Tester beispielsweise nach, ob das Medikament grundsätzlich von jedem eingenommen werden dürfe.