Das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG)
ist verabschiedet. Was daran die Versorgung stärken soll, bleibt
unklar. Ein Kommentar von Florian Martius.
"Für Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ist das AMVSG ein
"Gesamtkunstwerk" - er dürfte froh sein, dass dieses umstrittene
Gesetz nun endlich abgehakt ist. Vertreter der Krankenkassen
vermuten, dass "bei der Pharma-Lobby die Champagnerkorken knallen".
Und die pharmazeutische Industrie lehnt das AM-VSG als Spargesetz ab,
das das Potenzial hat, die Versorgung mit Medikamenten zu
verschlechtern. Ja, alle drei sprechen über dasselbe Gesetz.
Warum ein pharmazeutischer Unternehmer allerdings ausgerechnet bei
diesem Gesetz in Feierlaune verfallen soll, bleibt das Geheimnis von
Kassenfunktionären. Das AM-VSG verlängert das Preismoratorium bis ins
Jahr 2022; der Preisstopp für Arzneimittel ohne Preisregulierung gilt
dann bald anderthalb Jahrzehnte und ist vor allem für
mittelständische Unternehmen ein Schlag ins Gesicht.
Außerdem verankert das AMVSG die Voraussetzung dafür, dass
Medikamente, die für Patienten in Deutschland vorgesehen sind, ins
Ausland abfließen können. Dem hätte die Pharma-Industrie durch die
Vertraulichkeit der ausgehandelten Erstattungspreise gern einen
Riegel vorgeschoben. Denn: Sind die Preise hierzulande niedriger als
beispielsweise in Italien, lohnt sich das Versenden dieser
Medikamente über den Brenner. Gekniffen sind davon eigentlich alle:
Ärzte und Patienten sehen sich mit Lieferengpässen konfrontiert, die
Kassen müssen damit rechnen, dass sich der Widerstand der Industrie
gegen Rabatte eher verstärkt und Pharma-Unternehmen bekommen einen
auf den Deckel, wenn sich durch Preisgefälle ausgelöste
Lieferengpässe zu Versorgungsproblemen ausweiten. Deshalb ist der
Wegfall der im Gesetzentwurf noch geplanten Vertraulichkeit kein
"Sieg der Transparenz", sondern eigentlich ein Eigentor.
Nicht mehr im Gesetz auffindbar ist die Umsatzschwelle für
Medikamente, die pro Jahr einen Umsatz von 250 Millionen Euro und
mehr machen - aus Sicht der Kassen wäre das ein Mittel gegen die so
genannten "Mondpreise" gewesen. Getroffen hätte diese Regelung nach
heutigem Stand nur drei Medikamente. Und damit ganz nebenbei die
Innovationen unter den Innovationen, also Arzneimittel, die die
Versorgung von Patienten mit schweren Erkrankungen nachhaltig
verbessert haben. Die im Rahmen des AMNOG zwischen Unternehmer und
GKV-Spitzenverband ausgehandelten Erstattungspreise lagen übrigens
meist gar nicht weit auseinander. Sprich: Da war wenig Mond im Preis
- was beweist, wie unnötig die Idee einer Umsatzschwelle war.
Tatsache ist: Die verschiedenen Nachlässe der Industrie - durch
AMNOG-Erstattungsbeträge, Preismoratorium, Zwangsrabatt oder
Rabattverträge - summieren sich mittlerweile auf 6,5 Milliarden Euro
pro Jahr, wie der Datenanalyst Quintiles IMS vorgerechnet hat. Und
wenn schon Champagnerkorken: Die dürften eher bei den Kassen knallen,
denn Gesundheitsfonds und Krankenkassen haben momentan ein 25
Milliarden Euro schweres Finanzpolster.
Ein "AMNOG 2.0" soll das AMVSG in den Vorstellungen der
Regierungskoalition sein. Das ist es aber nicht - denn es ignoriert
den Reformbedarf der frühen Nutzenbewertung von innovativen
Medikamenten. Weder lässt sich mittlerweile die Kritik vieler
Fachgesellschaften überhören, die im AMNOG eine Innovationshürde
sehen, noch die Tatsache weg reden, dass in Deutschland noch nie so
viele Medikamente nicht oder nicht mehr verfügbar sind."
Pressekontakt:
Winfried Rauscheder
Redaktion Pharma Fakten
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