fit und munter - Frühlingsanfang: Für Menschen mit Schuppenflechte oft mehr Fluch als Segen

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Frühlingsanfang: Für Menschen mit Schuppenflechte oft mehr Fluch als Segen

Aus Angst vor Stigmatisierung trauen sich viele Betroffene nicht im T-Shirt vor die Haustür – Kampagne „Bitte berühren“ klärt über Psoriasis auf und möchte Betroffene zum Hautarztbesuch motivieren
Frankfurt, 15. März 2017.
Am 20. März ist Frühlingsanfang. Nach einem langen Winter tauschen nun die meisten Menschen den dicken Wollmantel gegen ein luftiges T-Shirt und genießen das milde Wetter im Freien. Für viele Menschen mit Schuppenflechte (Psoriasis) ist der Frühling jedoch alles andere als ein Segen: Wenn sie in kurzer Kleidung aus dem Haus gehen, ernten sie aufgrund ihrer schuppigen Hautstellen oft abwertende Blicke und verletzende Kommentare ihrer Mitmenschen. Insbesondere der Irrglaube, Psoriasis sei ansteckend, ist dabei weit verbreitet. Die Kampagne „Bitte berühren“ (www.bitteberuehren.de) möchte mit solchen Vorurteilen aufräumen.

Ob Sonne tanken im Park oder Eis essen in der Stadt: Der Frühling lässt grüßen und lockt die Menschen aus ihren Häusern. Die meisten möchten nun kurze Kleidung tragen, erleben Frühlingsgefühle und fühlen sich wie euphorisiert. Der Medizinmeterologe Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst erklärt, woher diese Hochgefühle kommen: „Das Wetter und die Jahreszeiten haben einen großen Einfluss auf unsere Psyche. Der Grund dafür sind unsere Gene. Im Frühling sorgen z. B. bestimmte Lichtreize dafür, dass unser Körper wieder hochfährt. Die Menschen fühlen sich folglich wie beschwingt, sind motiviert und tendenziell besser gelaunt.“

Psoriatiker werden häufig ausgegrenzt

Doch so, wie Lux es beschreibt, erlebt nicht jeder die blühende Jahreszeit. Die 18-jährige Sarah S. leidet wie rund 2 Mio. andere Deutsche an der chronischen Hauterkrankung Schuppenflechte (Psoriasis). Wie viele andere Betroffene konnte sie dem Frühling eine sehr lange Zeit nichts Positives abgewinnen: „Ich habe die Krankheit seit meiner frühesten Kindheit und Frühling und Sommer waren für mich immer die unangenehmsten Jahreszeiten. Auch bei heißen Temperaturen habe ich nur lange Kleidung getragen, die meine Psoriasis-Haut verdeckt. Dabei hätte ich nichts lieber getan, als im Bikini am See zu liegen.“ Zu groß waren Sarahs Scham und Angst vor den angeekelten Blicken ihrer Schulkameraden oder von Fremden – auch Berührungen waren tabu.

Der Auslöser für Sarahs Verhalten war ein einprägsames Erlebnis in ihrer Kindheit. In der Gemeinschaftsdusche wurde sie von zwei tuschelnden Mädchen angestarrt. Dadurch fühlte sich die junge Psoriatikerin so ausgegrenzt und eingeschüchtert, dass sie die Dusche schleunigst verließ. Von diesem Zeitpunkt an hat Sarah stets versucht, ihre Psoriasis-Stellen bedeckt zu halten: „Ich glaube, die ersten Gedanken sind bei jedem, der Schuppenflechte hat, dass man Ekel oder Abneigung zu spüren bekommt. Die Leute wissen nicht genau, was Schuppenflechte ist und vor der Ablehnung und dem Ekel, davor hat man große Angst.“

Viel Unwissenheit über die Erkrankung

Der Dermatologe und Spezialist für Schuppenflechte, Dr. Ralph von Kiedrowski, kennt die Vorbehalte, mit denen Menschen mit Schuppenflechte zu kämpfen haben: „Die wohl geläufigste Behauptung über die Schuppenflechte ist, sie sei ansteckend. Das ist schlichtweg falsch! Es handelt sich bei Psoriasis um eine Autoimmunerkrankung, die nicht ansteckend ist. Berührungen sind also ausdrücklich erlaubt und tun den Patienten gut.“

Dann gibt es zum Beispiel noch das Vorurteil, Schuppenflechte sei Folge mangelnder Hygiene. „Dieser Eindruck entsteht häufig, wenn Betroffene vermeintlich ‚fettige‘ Haare haben. Der Hintergrund ist aber, dass die speziellen medizinischen Salben für die Behandlung der Schuppenflechte oft stark fetthaltig sind und daher sehen die Haare bei einer Kopfhaut-Psoriasis manchmal ungewollt ungepflegt aus,“ weiß der erfahrene Hautarzt aus dem Westerwald.

Belastend wirkt nach Beobachtung von Kiedrowski auch die Unterstellung, Psoriatiker seien lethargisch und faul. Auch diese Fehleinschätzung hat einen realen, krankheitsbedingten Kern, so der Experte: „Leider ist die Fatigue ein Begleitsyndrom, vor allem beim Befall der Gelenke, einer sogenannten Psoriasis-Arthritis. Das bedeutet, dass die Patienten neben den schuppigen Hautstellen und Gelenkbeschwerden auch sehr häufig unter Abgeschlagenheit und fehlender Energie leiden.“

Kein Mythos dagegen ist, dass gerade der Frühling für Betroffene einen positiven Effekt haben kann: Nach dem Winter werden die Symptome bei vielen Patienten besser. Der Frühling ist daher auch mit Hoffnung auf baldige Linderung der Psoriasis verbunden. Die Psoriasis-Haut wird im Frühjahr nicht mehr durch trockene Heizungsluft, Kälte oder kratzige Kleidung gereizt, was den Hautzustand positiv beeinflussen kann. „Betroffene sollten aber gerade dann ihre Therapie nicht schleifen lassen“, warnt Dr. von Kiedrowski vor allzu großem Überschwang.

Heutige Therapiestandards können zu einem besseren Lebensgefühl beitragen

Damit sich das gesellschaftliche Bild der Schuppenflechte-Patienten nachhaltig verändert, ist Aufklärung also sehr wichtig. Der zweite wichtige Pfeiler ist eine wirksame Behandlung. Selbst Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis stehen heute gute Möglichkeiten zur Verfügung, um die Krankheit weitestgehend unter Kontrolle zu bekommen.

Neue, innerlich wirkende Therapien, die in die fehlerhafte körpereigene Immunabwehr eingreifen, stellen heute für mittelschwere und schwere Krankheitsfälle den Therapiestandard dar: Sie hemmen gezielt Botenstoffe oder Enzyme, die Entzündungen auslösen. Damit können Betroffene oft innerhalb weniger Wochen eine sichtbare Besserung der Symptome und damit eine spürbare Steigerung ihrer Lebensqualität erreichen. Und: Diese Medikamente sind auch zur Langzeittherapie geeignet. Die bleibt in aller Regel auch erforderlich, da eine Schuppenflechte bislang nicht vollständig heilbar ist.

Auch Sarah geht es dank einer neuen Therapie heute viel besser. Sie traut sich wieder mit luftiger Kleidung raus ins Freie und genießt den Frühling fast wie eine Hautgesunde. Dr. von Kiedrowski macht Betroffenen Mut: „Gehen Sie zum Arzt und lassen sich über neue Behandlungsmöglichkeiten beraten. Und: Gönnen Sie sich ruhig einen Frühlingsspaziergang! Er streichelt nicht nur die Seele, sondern kann auch den Hautzustand verbessern.“
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